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Festnahme von Ahmed Mansur
Mißfelder schließt Verschwörung aus

Der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder hält die Verhaftung des ägyptischen Journalisten Ahmed Mansur für einen Fehler. Da sei vermutlich jemand "übereifrig" gewesen sei, sagte Mißfelder im Deutschlandfunk. Die Festnahme habe insbesondere in der arabischen Welt für Unruhe gesorgt.

Philipp Mißfelder im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 24.06.2015
    Philipp Mißfelder (CDU), außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag
    Philipp Mißfelder (CDU), außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag (dpa / Matthias Balk)
    Die Entscheidungsträger hätten in Bezug auf den Journalisten "über die Stränge geschlagen", so Mißfelder. Die Festnahme sei eine Aktion gewesen, die Deutschland sicherlich nicht geholfen und international und besonders im arabischen Raum für Unruhe gesorgt habe.
    Ahmed Mansur steht den in Ägypten verfolgten Muslimbrüdern nahe. Er war am Samstag in Berlin festgenommen und am Montag wieder freigelassen worden. Auf einer Pressekonferenz in Berlin äußerte sich der Journalist zu den Ereignissen und sagte, dass seine Festnahme "eine manipulierte Sache" gewesen sei. Er stellte den Besuch des ägyptischen Machthabers Abdel Fattah al-Sisi Anfang Juni in den Zusammenhang mit seiner Verhaftung. Ein Sprecher des Außenministeriums in Kairo hat inzwischen erklärt, dass der Fall Mansur nichts mit Politik zu tun habe. Es gehe ausschließlich um ein Strafverfahren, bei dem die zuständigen Behörden beider Länder zusammenarbeiteten.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Es ist eine Entscheidung, die immer noch viele Fragen offen lässt: Die Verhaftung des ägyptischen Journalisten Ahmed Mansur am vergangenen Samstag in Berlin. Zunächst hatte es geheißen, er sei per Interpol zur Fahndung ausgeschrieben, die Festnahme in Deutschland deshalb folgerichtig. Dann war klar geworden, Interpol hatte die Fahndung schon im vergangenen Oktober wieder zurückgezogen. Trotzdem hatten das deutsche Außen- und das Justizministerium daran festgehalten. Am Montag dann die Kehrtwende: Mansur wurde wieder freigelassen. Aber der Eindruck bleibt, dass Deutschland sich hier zumindest für kurze Zeit zum Handlanger der höchst fragwürdigen ägyptischen Justiz gemacht hat.
    Am Telefon ist jetzt Philipp Mißfelder, Außenpolitiker der CDU, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages. Schönen guten Morgen!
    Philipp Mißfelder: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Mißfelder, wer hat hier den Fehler gemacht?
    Mißfelder: Das weiß man ja noch gar nicht. Es wird ja danach gesucht, nach denjenigen, die entschieden haben. Das Auswärtige Amt, aber auch die anderen Behörden haben zugesagt, dort für Aufklärung zu sorgen. Das ist auch dringend notwendig, weil es natürlich schon Zweifel daran gibt, ob nicht einfach hier nach einem falschen Formblatt F sozusagen gehandelt worden ist. Grundsätzlich ist es natürlich richtig, internationale Haftbefehle zu vollstrecken, aber trotzdem muss man natürlich im Fall Ägypten und dann ausgerechnet noch bei einem Journalisten immer fragen, welchen politischen Hintergrund kann es möglicherweise geben und, wie Sie es ja schon richtig gesagt haben, machen wir uns nicht in einer Form mitschuldig, oder zumindest stellen wir nicht große Fragezeichen auf, wenn wir als Bundesrepublik Deutschland mit solchen Nachrichten um die Welt gehen.
    "Weltweit Aussehen erregt"
    Armbrüster: Was kann denn da schiefgelaufen sein, dass ausgerechnet im Außenministerium eine solche Fehlentscheidung getroffen wird?
    Mißfelder: Ich habe in den Stunden, nachdem ich das erfahren habe am Wochenende, auch direkt nachgefragt und mich erkundigt bei Leuten, die sich damit beschäftigen. Das Wochenende ist nun auch immer eine schlechte Entschuldigung, gerade weil ja auch die Ereignisse sich da relativ überschlagen haben. Ich verstehe zum Beispiel auch nicht - die Frage werde ich dann auch bei gegebener Zeit gegenüber Vertretern des Auswärtigen Amtes noch mal stellen -, ob es denn wirklich notwendig war, Herrn Mansur einzusperren. Vielleicht hätte es ja gereicht, wenn ein Verdacht vorliegt, den Pass ihm zu entziehen, oder ihn zurück ins Hotel zu schicken, denn tatsächlich ist es ja so: Ihn direkt in eine Haftanstalt zu stecken, ist natürlich schon ein Punkt, wo man weltweit auch Aufsehen erregt und insbesondere in der arabischen Welt.
    Armbrüster: Muss das Ganze möglicherweise auch personelle Konsequenzen nach sich ziehen?
    Mißfelder: Das geht mir jetzt persönlich zu weit, weil ich kenne den Sachverhalt, auf welcher Ebene er dann letztendlich stattgefunden hat, nicht. Das ist immer noch in einem viel zu frühen Stadium, um sich dort festzulegen. Aber grundsätzlich ist das ja eine ganz wichtige Sache. Ich war die vergangenen Tage in Straßburg beim Europarat. Beim Europarat ist Deutschland immer mit ganz vorne dabei, wenn irgendwo bei einem Mitgliedsland dieser Organisation ein Journalist eingesperrt wird, oder zumindest schlecht behandelt wird, und auch zurecht setzen wir uns dafür ein, und da wundert man sich natürlich schon, warum dann so eine drastische Maßnahme stattgefunden hat.
    "Ich glaube nicht an diese Verschwörungstheorie"
    Der ägyptische Fernsehjournalist Ahmed Mansur äußert sich in Berlin zu seiner umstrittenen Festnahme.
    Der ägyptische Fernsehjournalist Ahmed Mansur äußert sich in Berlin zu seiner umstrittenen Festnahme. (dpa picture alliance/ Kumm/dpa)
    Armbrüster: Herr Mißfelder, die Entscheidungsebene scheint ja durchaus festzustehen, weil ja mehrmals im Außenministerium die tatsächliche Entscheidung getroffen wurde, an diesem Fahndungsaufruf festzuhalten.
    Mißfelder: Ja, das stimmt. Nur eine Sache ist natürlich klar, dass man erst herausfinden muss, auf welcher Ebene im Auswärtigen Amt das entschieden worden ist. Denn es steht ja auch im Raum, dass es eine politische Verschwörung gewesen wäre nach dem Besuch des ägyptischen Präsidenten bei der Bundeskanzlerin. Ich kann die Emotionen mancher Vertreter gerade auch der Muslimbruderschaft verstehen, weil sie natürlich auch sehr aggressiv mit dieser Frage umgehen. Aber es ist ausgeschlossen, dass es eine Verschwörung gegen Herrn Mansur gab auf der höchsten politischen Ebene, oder auf politischen Ebenen darunter. Ich glaube einfach nicht an diese Verschwörungstheorie. Ich glaube, dass dort jemand übereifrig gewesen ist, und das ist natürlich trotzdem nicht gut.
    Armbrüster: Übereifrig ist gut. Die Entscheidung wurde ja zweimal getroffen im Abstand von wenigen Monaten. Das war jetzt kein spontaner Fehltritt. Zumindest kann es das nicht gewesen sein.
    Mißfelder: Zumindest in dem Moment, wo dann Herr Mansur in Tegel gestanden hat, hätte man ja zumindest fragen können, noch mal nachfragen können, ist es wirklich sinnvoll, das was wir hier gerade tun. Das ist offensichtlich auch nicht passiert. Und wenn es passiert ist, muss man fragen, wer hat dann dafür grünes Licht gegeben. Er ist ja nicht nach Deutschland gekommen, um irgendwie einen Umsturz zu planen oder irgendetwas Schlimmes anzurichten, wo dann die Behörden von sich aus hätten tätig werden müssen, sondern er ist nach Deutschland gekommen, hat eine regierungsnahe Denkfabrik, nämlich die Stiftung Wissenschaft und Politik interviewt. Das alles passt vorne und hinten nicht zusammen. Ich möchte da niemanden voreilig auf die Anklagebank setzen und dort personelle Konsequenzen fordern, aber ich möchte trotzdem deutlich sagen, das war eine Aktion, die sicherlich uns nicht geholfen hat und die auch im arabischen Raum für große Unruhe sorgt.
    Armbrüster: Herr Mißfelder, das Außenministerium ist SPD-geführt. Halten Sie da die schützende Hand über den Koalitionspartner?
    Mißfelder: Ja, das sowieso. Wir gehen ja in einer Koalition pfleglich miteinander um und das beruht ja auf Gegenseitigkeit. Aber ich glaube, dass Herr Steinmeier weiß, was in solchen Momenten zu tun ist, und er kümmert sich ja sehr genau um die arabische Welt. Ich habe nicht mit ihm selber darüber gesprochen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass er glücklich ist mit dem Vorgehen.
    "Fall Mansur schadet Image Deutschlands"
    Armbrüster: Welches Bild hinterlässt das alles denn eigentlich im Ausland?
    Mißfelder: Das habe ich ja gerade schon angesprochen. Wir sind in einer ganz, ganz schwierigen Umbruchphase ja jetzt.
    Armbrüster: Ich frage das auch deshalb, Herr Mißfelder, weil Deutschland, auch die Bundesregierung sich ja immer auch zurecht hervortut, wenn in anderen Ländern solche Fälle passieren, wenn es solche krassen Justizfehler gibt. Was ist das Bild, was die Deutschen gerade im Ausland hergeben nach so einer Geschichte?
    Mißfelder: Ja. Ich kann mir schon vorstellen, dass beim nächsten Europarat oder bei der nächsten OSZE-Sitzung, wenn es um solche Themen geht, der eine oder andere schon fragen wird, was macht ihr da eigentlich in Deutschland. Die Frage wird sicherlich kommen und der Fall Mansur hat deshalb nicht zu einer Stärkung des Images Deutschlands an der Stelle beigetragen. Man hätte da viel sensibler vorgehen müssen, auch viel politischer. Ich finde das auch eine rein unpolitische Entscheidung, so etwas aufrecht zu erhalten. Denn Unabhängig von dem, was Herrn Mansur im Kern vorgeworfen wird - dazu hat er ja gestern auf der Pressekonferenz auch relativ wenig gesagt -, was seine Positionierung innerhalb Ägyptens angeht, muss man doch sich immer gut überlegen, was macht man damit, wenn man einen Journalisten so in Bedrängnis bringt. Da sind einfach Entscheidungsträger über die Stränge geschlagen.
    Armbrüster: Was muss passieren, ganz kurz noch zum Schluss, damit sich so etwas nicht wiederholt?
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi äußern sich am 03.06.2015 bei einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt in Berlin.
    Ein umstrittener Gast im Kanzleramt - Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi (picture alliance/dpa/Rainer Jensen)
    Mißfelder: Ich bin persönlich der Meinung, dass man sich gut überlegen muss, ob man insgesamt mit Ländern, auch mit Ländern, die wir unterstützen, wie Ägypten - wir haben ja Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit Ägyptens, aber wir arbeiten politisch trotzdem mit ihm zusammen. Das ist eben in der Realpolitik so, dass es diesen Widerspruch gibt, und der lässt sich auch nicht einfach so auflösen. Trotzdem muss man sich immer fragen bei Ländern, die zum Beispiel die Todesstrafe haben, ob man dann wirklich ernsthaft dort Abschiebungen vornehmen kann, ob man da tatsächlich so aggressiv vorgehen sollte, wie das am Wochenende geschehen ist.
    Armbrüster: Der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder live hier bei uns heute Morgen in den „Informationen am Morgen". Vielen Dank, Herr Mißfelder, für Ihre Zeit.
    Mißfelder: Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.