Dienstag, 30. April 2024

Kein FIFA-Umzug nach Paris
Journalist Kistner: "Macron nicht der Napoleon des Weltsports"

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollte die FIFA mit Steuervorteilen nach Paris locken. Die Justiz hat das verhindert. Dass Macron und FIFA-Präsident Gianni Infantino enge Kontakte pflegen, sei kein Zufall, so Journalist Thomas Kistner im Dlf.

Thomas Kistner im Gespräch mit Astrid Rawohl | 01.01.2024
FIFA-Präsident Gianni Infantino steht auf der Tribüne eines Fußballstadions neben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
FIFA-Präsident Gianni Infantino (l.) mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. (IMAGO / ABACAPRESS / IMAGO / Zabulon Laurent / ABACA)
Mehr als 60 Sport-Weltverbände haben ihren Hauptsitz in der Schweiz - darunter auch der Fußball-Weltverband FIFA und das Internationale Olympische Komitee IOC. Der Grund: Steuererleichterungen und ein direkter Draht zur Regierung. Und die Schweiz profitiert ebenfalls von diesem Modell, denn die gut verdienenden Sportfunktionäre zahlen ordentlich Steuern und kurbeln die Wirtschaft an.
Dieses gut funktionierende Modell hat nun auch Frankreich für sich erkannt. Der Gastgeber der Olympischen Sommerspiele 2024 - und vor allem Präsident Emmanuel Macron - wollte ebenfalls mit Steuerbefreiungen große Sportverbände ins Land holen, allen voran die FIFA. Doch diese Ambitionen sind nun gescheitert. Denn der Verfassungsrat, das höchste Verwaltungsgericht des Landes, urteilte Ende Dezember, dass die im Haushaltsplan 2024 vorgesehenen Steuererleichterungen gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen.

Kistner: "Aus internationaler Sicht eine Peinlichkeit"

Für Macron hat das Folgen. "Aus internationaler Sicht ist es natürlich eine Peinlichkeit", sagte Thomas Kistner, Journalist von der "Süddeutschen Zeitung" im Deutschlandfunk. "Zum zweiten hat sich Macron mit der Liebedienerei bei sehr vielen normalen Steuerzahlern keine Freunde gemacht."
Für die FIFA stelle sich nun die Frage, ob sie überhaupt noch nach Frankreich ziehen könne, sagte Kistner. "Dafür bräuchte es jetzt schon triftigere Gründe, sieht man das massive Steuergefälle im Vergleich zur Schweiz. Womöglich gibt es da sogar Fragen der Geschäftstreue, wenn die FIFA trotzdem weiter an dem Plan festhält, Teile des Verbandes nach Paris auszulagern."
Und auch das IOC werde die Entscheidung des französischen Gerichts mit "Unbehagen" aufgenommen haben, so Kistner. "Denn das IOC will mit Macrons Hilfe bei den Sommerspielen in Paris dieses Jahr groß abliefern, nach all den Flops oder auch Skandalspielen wie in Sotschi 2014. Jetzt ist aber klar, dass Macron eben doch nicht der Napoleon des Weltsports ist. Insofern hat das Gericht auch nach außen ein wichtiges Zeichen gesetzt."

FIFA setzt Transfer-Regelwerk aus

Infantino und Macron wollten zudem noch auf anderer Ebene ins Geschäft kommen. Denn die FIFA strebt die alleinige Kontrolle des Spielertransfermarkts und der Vermittleragenturen an. Die Zahlungen sollen dabei über eine Zahlstelle der FIFA mit französischer Banklizenz laufen.
"Das ist in weite Ferne gerückt", sagte Kistner. "Die FIFA hat soeben sogar selbst klammheimlich einen Tag vor Silvester ihr neues Regelwerk für die Überwachung und Alleinkontrolle über das Spielerberater- und Transfergeschäft suspendiert. Sie hat die nationalen Verbände angeschrieben, dieses Regelwerk wird also nirgendwo angewendet. Damit fließen auch keine Transfermilliarden durch diese ominöse FIFA-Zahlstelle, die der Weltverband erstaunlicherweise dank einer Banklizenz ausgerechnet in Frankreich einrichten durfte. So eine Bank-Lizenz hätte nicht einmal die bankenfreundliche Schweiz gestattet."
Verhindert habe dieses Regelwerk ebenfalls die Justiz, erklärte Kistner. "Das Landgericht Dortmund hatte kartellrechtliche Mängel im Regelwerk entdeckt und dessen Anwendung per einstweiliger Verfügung in Deutschland untersagt. Auch andere Gerichte in Europa sehen das kritisch. Und jetzt soll erst einmal der Europäische Gerichtshof entscheiden, ob dieses Regelwerk samt seiner FIFA-Zahlstelle überhaupt rechtens ist. Und da können Jahre vergehen."

Macron will Gesellschaft durch Sport zusammenbringen

Dass Infantino und Macron überhaupt so enge Kontakte pflegen, sei kein Zufall, sagte Kistner. Macron versuche, durch den Sport die gespaltene Gesellschaft Frankreichs wieder zusammenzubringen und zähle neben der FIFA deshalb auch auf das IOC.
Infantino dagegen wolle die FIFA über alle Kontinente verteilen. Seinen privaten Wohnsitz hatte er bereits nach Katar verlegt. "Interssanterweise, nachdem in der Schweiz Strafermittlungen gegen ihn eröffnet wurde", sagte Kistner. "Die Justiz hätte ihn in Doha nie erwischt. Jetzt wird er plötzlich in Miami verortet. Er ist also ins nächste WM-Gastgeberland, in die USA, weitergezogen. Und einiges spricht dafür, dass er sich im Schutze solcher FIFA-Partnerländer auch ein persönliches Entgegenkommen verspricht, wenn es mal irgendwo eng wird. Eine andere vernünftige Erklärung gibt es für diese Globetrottereri eigentlich nicht."