Vergabe der Fußball-WM
Saudi-Arabien und die WM 2034 - wie es dazu kam und wie es weitergeht

Saudi-Arabien hat die WM 2034 so gut wie sicher. Das Land bekam das Turnier auf dem Silbertablett serviert. Doch wie kam es dazu?

Chaled Nahar im Gespräch mit Matthias Friebe |
FIFA-Präsident Gianni Infantino mit dem WM-Pokal
FIFA-Präsident Gianni Infantino mit dem WM-Pokal (imago images / ULMER Pressebildagentur / ULMER via www.imago-images.de)

Die WM 2034

Nicht mal ein Jahr nach der Fußball-WM in Katar, die für viel Kritik von Menschenrechtsorganisationen gesorgt hat, bahnt sich im Weltfußball die nächste umstrittene WM-Vergabe an: Saudi-Arabien ist der einzige Bewerber für die Fußball-WM 2034. Es könnte ein weiterer Meilenstein für den Wüstenstaat sein, der sich mit viel Geld in den Weltsport einkauft.

Was hat die FIFA zur WM 2034 entschieden?

Der Grund warum, Saudi-Arabien die WM 2034 so gut wie sicher hat, liegt auch in der Vergabe der WM 2030. Für das Turnier 2030 lagen zwei Bewerbungen vor:
  • Spanien, Portugal und Marokko
  • Uruguay, Argentinien, Paraguay und Chile
Südamerika war angesichts der Stimmverhältnisse gegen Europa und Afrika eigentlich chancenlos. Der FIFA-Rat, in dem auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf Mitglied ist, verschmolz in seiner Sitzung am 4. Oktober aber die beiden Bewerbungen. So gab es keine Verlierer: Zur 100-Jahr-Feier der ersten WM 1930 in Uruguay finden drei Spiele in Südamerika statt: eins in Paraguay, eins in Argentinien und eins in Uruguay. Die restlichen Spiele finden auf der Iberischen Halbinsel und in Marokko statt.
Damit räumte die FIFA für Saudi-Arabien frei. Der Grund: 2030 sind damit die Kontinentalverbände Europa, Afrika und Südamerika eingebunden. Den aktuellen Regeln zufolge dürfen sich gastgebende Kontinentalverbände für die jeweils beiden folgenden Turniere nicht bewerben. Damit ist wegen der WM 2026 in den USA, Mexiko und Kanada auch CONCACAF (Verband für Nordamerika, Mittelamerika und die Karibik) für 2034 raus.
Es blieb für die WM 2034 neben Asien nur Ozeanien übrig - ein Verband, der aus Neuseeland und sonst nur aus kleineren Inselstaaten besteht und praktisch keine Möglichkeit hat, ein Turnier mit 104 Spielen und 48 Teams auszurichten. Und aus dem asiatischen Verband war Saudi-Arabien das einzige Land, das bis zum Fristende am 31. Oktober bei der FIFA sein Interesse ankündigte. Die offizielle Bewerbung muss im Juli 2024 eingereicht werden.

Warum gibt es keine anderen Bewerbungen für 2034?

Dass Saudi-Arabien die besten Chancen haben wird, zeigte sich schnell. Nachdem der FIFA-Rat durch die Vergabe der WM 2030 den Weg für die WM 2034 für Saudi-Arabien freigemacht hatte, dauerte es nur etwas mehr als eine Stunde, bis Saudi-Arabien sein Interesse bekundete.
Auch der asiatische Verband, die Asian Football Conferedation (AFC), unterstützte die saudische Bewerbung sofort. "Die gesamte asiatische Fußballfamilie wird vereint die bedeutsame Initiative des Königreichs Saudi-Arabien unterstützen", teilte die AFC mit. Zu dieser Zeit stand eine mögliche Bewerbung des AFC-Mitglieds Australien aber noch im Raum.
Australiens Verband, der sonst als einziger mit einer Bewerbung geliebäugelt hatte, winkte aber kurz vor Fristende ab. In der von Golfstaaten kontrollierten AFC sah man für 2034 keine Chance.

Wer kann daran noch etwas ändern?

Offiziell wählt nicht der FIFA-Rat die WM-Ausrichter, sondern die Versammlung der 211 Nationalverbände im FIFA-Kongress. Hier benötigt Saudi-Arabien eine absolute Mehrheit der anwesenden Mitglieder. Es gibt aber so gut wie keine Zweifel daran, dass das gelingt. Laut saudi-arabischem Verband haben bereits mehr als hundert Verbände ihre Unterstützung angekündigt. FIFA-Präsident Gianni Infantino schrieb bereits bei Instagram, dass das Turnier 2034 "in Saudi-Arabien stattfinden soll".

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Dass seit der Vergabe der WM 2026 im Kongress über die Ausrichter abgestimmt wird, verkaufte der Weltverband als Teil von Reformen der "neuen FIFA", die Abstimmung soll nun transparenter sein. Doch eine echte Wahl gibt es für beide Turniere nicht, die Entscheidung wurde im Rat durch regelrechte Deals längst getroffen.

Gibt es damit wieder eine Winter-WM?

Das ist möglich, aber nicht sicher. Die Temperaturen im Sommer sind mit denen in Katar teilweise vergleichbar. Doch Saudi-Arabiens Verband sprach bereits an, dass es bis dahin andere Techniken zur Kühlung der Stadien geben könnte. Ob das ein Ausweichen auf einen anderen Termin als den traditionellen im Juni und Juli verhindern kann, ist derzeit nicht klar.
FIFA-Präsident Gianni Infantino mit Kronprinz Mohammed bin Salman (r.) und dem Emir von Katar Tamim bin Hamad Al Thani (l.)
FIFA-Präsident Gianni Infantino mit Kronprinz Mohammed bin Salman (r.) und dem Emir von Katar Tamim bin Hamad Al Thani (l.) (IMAGO / ActionPictures / IMAGO)

Welche Beziehung verbindet die FIFA mit Saudi-Arabien?

FIFA-Präsident Gianni Infantino pflegt seit Jahren eine enge Beziehung zu Saudi-Arabien. Das Land galt als möglicher Investor, als Infantino eine globale Nations League einführen wollte und erstmals eine Ausweitung der Klub-WM ins Gespräch kam. Auch beim vergeblichen Versuch, die WM alle zwei Jahre auszutragen, bekam Infantino entscheidende Unterstützung aus Saudi-Arabien. Das Vorhaben scheiterte bislang vor allem am Widerspruch aus Europa und Südamerika.
Saudi-Arabien geht es mit Fußball und dem Sport allgemein nicht um Geld, sondern um Einfluss. Saudi-Arabien hat die Strategie von Katar und der Vereinigten Arabischen Emirate beim Thema Sportswashing längst für sich entdeckt. Fußball ist dabei ein maßgebliches Instrument geworden, aber auch Golf, Tennis, die Formel 1 oder E-Sport.
Das Land tätigt die hohen Investitionen auch, um neue Wirtschaftszweige aufzubauen, um weniger abhängig von Öl zu werden. Außerdem soll die Bevölkerung, in der viele Menschen übergewichtig sind, fürs Sporttreiben begeistert werden.

Welche Rolle spielen die Menschenrechte?

Die Lage der Menschenrechte in Saudi-Arabien ist katastrophal. Kronprinz Mohammed bin Salman herrscht in einer absoluten Monarchie. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen belegt Saudi-Arabien Platz 170 von 180, noch hinter Aserbaidschan oder Russland und sehr weit hinter Katar. Es gibt keine Meinungs- oder Versammlungsfreiheit. Unfaire Gerichtsverfahren führen Menschenrechtsorganisationen zufolge zu Todesurteilen - auch gegen Personen, die bei der vermeintlichen Tat noch minderjährig waren. Frauen haben stark eingeschränkte Rechte, homosexuelle Handlungen stehen unter Strafe.
Für den Chef von Human Rights Watch Deutschland wäre eine Fußball-WM in Saudi-Arabien ein Unding. "Gar nichts" halte er davon, sagte HRW-Deutschland-Direktor Wenzel Michalski in einem Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. "Weil die FIFA sich eine Menschenrechtsagenda gegeben hat, die besagt, dass Austräger von Weltmeisterschaften Menschenrechte einhalten müssen", erklärte der Deutschland-Direktor von HRW. "Und das ist bei Saudi-Arabien bekanntermaßen überhaupt nicht der Fall." Eine WM in Saudi-Arabien würde für ihn Betrug an all denjenigen bedeuten, die der FIFA glauben würden, Menschenrechtsstandards umzusetzen.

Wie positioniert sich der DFB zu Saudi-Arabiens Bewerbung?

Zunächst gar nicht. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) teilte dem Sport-Informationsdienst (sid) mit, man wolle vor einer Bewertung der Vergabe die offizielle Bewerbung abwarten, die aber erst im Juli bei der FIFA vorliegen muss.
Dem europäischen Fußball steht nun wie bei der WM 2022 in Katar eine Diskussion bevor, wie man sich positioniert. Bei der WM in Katar erlebten mehrere europäische Verbände, beim Versuch mit der "One Love"-Kapitänsbinde ein Zeichen zu setzen, ein PR-Desaster.
Bernd Neuendorf, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB)
Bernd Neuendorf, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) (picture alliance / dpa / Britta Pedersen)