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FIFA
Schlüssel zu einer Kettenreaktion

Die Taktik der amerikanischen Ermittler im FIFA-Korruptionsskandal wird klarer. Man will die 14 Beschuldigten, die im Mai angeklagt wurden, offensichtlich zur Kooperation bewegen und ihnen milde Strafen anbieten. Damit soll das Treiben an der Spitze der Organisation aufgedeckt werden.

Von Jürgen Kalwa | 05.09.2015
    Ein Mann geht an am Eingang der Fifa-Zentrale in Zürich vorbei
    Dem Fußballweltverband FIFA drohen unschöne Enthüllungen (dpa/picture-alliance/ Ennio Leannza)
    Der lange Name, der über dem Eingang steht, ist nicht besonders einprägsam: National Museum of Organized Crime and Law Enforcement. Weshalb man in Las Vegas gewöhnlich ein viel kürzeres Wort benutzt. Man nennt es "Mob Museum" in Anlehnung an jenen Sammelbegriff, den man in Amerika mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung bringt.
    Das Konzept ist einzigartig, aber passt hervorragend nach Las Vegas. Denn die Anfänge der Casinostadt gehen auf die schwarzen Kassen amerikanischer Mafia-Familien zurück. Aber man will mit seinen Exponaten nicht nur die Spuren der Vergangenheit nachzeichnen, sagt Direktor Geoff Schwarzman: "Wir wollen nicht, dass unsere Besucher denken, organisiertes Verbrechen gäbe es nicht mehr. Nachdem die Mafia in New York zerschlagen wurde. Das hat sich einfach weiterentwickelt und sieht heute schlichtweg anders aus."
    Eine sehr amerikanische Affäre
    Wie anders? In dieser Woche eröffnete das Mob Museum eine Spezialausstellung zur Korruption in der FIFA. Das Medienecho war enorm. Auch in den USA. Was nicht verwundert. Denn die Affäre mag zwar viele Schauplätze und viele Verzweigungen rund um den Globus haben. Tatsächlich hat die Angelegenheit den Zuschnitt einer sehr amerikanischen Affäre. Amerikanisch sowohl in den Methoden der Ermittlungsbehörden, die Anklagen gegen 14 Funktionäre und Geschäftsleute aus dem Umfeld des organisierten Fußballs erhoben haben. Amerikanisch auch, was die Kronzeugen-Taktik angeht.
    Mit dem Angebot einer Strafmilderung für den, der auspackt und hilft, andere zur Strecke zu bringen. Und amerikanisch wenn es um einen der Dreh- und Angelpunkte geht: den Praktiken der Kontinentalföderation CONCACAF. Die Organisation hat übrigens heute ihre Büros in Miami. Was symbolisch gut passt. Die Stadt hat einen ähnliche Fata-Morgana-Zuschnitt wie Las Vegas. Besonders was die trüben Quellen des glitzernden Reichtums angeht. Keine Fußballmetropole übrigens. Trotz eines Bevölkerungsmixes mit Millionen von Einwanderern aus Mittel- und Südamerika.
    Aaron Davidson könnte den Schlüssel zu Blatter haben

    Tim Elfrink, Chefredakteur der Miami New Times: "Miami ist seit 30 Jahren ein Friedhof für Profi-Fußball. Acht unterschiedliche Clubs sind gescheitert. Fußball hat hier noch nie funktioniert. Aus vielen Gründen."
    Einer der Gründe dürfte sein, welche Art von Leuten das Fußball-Milieu in Südflorida anlockt. Solche mit Geld, aber ohne viel Sachverstand, auf der Suche nach einem lukrativen Spielzeug. Solche ohne Geld, aber gut im Spruch und mit Connections. Und solche wie jenen Mann, den Elfrink in dieser Woche in seiner Zeitschrift ausführlich porträtiert hat. Er heißt Aaron Davidson, war der Amerika-Chef einer brasilianischen Vermarktungsagentur namens Traffic Sports und gehört zu jenen 14 Angeklagten.
    Der studierte Jurist, Sohn einer Einwandererfamilie aus Costa Rica, 45 Jahre alt, und bis vor kurzem Geschäftsführer der zweitklassigen, aber ambitionierten North American Soccer League mit elf Clubs in den USA und Kanada, befindet sich derzeit gegen eine Kaution von fünf Millionen Dollar in Miami unter Hausarrest.
    Der bestens informierte Elfrink, der unlängst einen Baseball-Doping-Skandal in Miami mit prominenten Spielern enthüllte und ein Buch darüber schrieb, sagt, dass Davidson in den Medienberichten über die FIFA-Affäre ungerechtfertigterweise untergegangen ist. Tatsächlich könnte der "den Schlüssel zu einer Kettenreaktion in der Hand haben". Eine Reaktion, die bis zu Sepp Blatter führen kann.
    Die Experten sagen: "Da kommt noch mehr."
    "Die Ermittler haben nach zwei, drei, vier Jahren erkannt, in denen sie Leute abgehört und Zeugen zur Zusammenarbeit überredet haben, dass diese Firma in Miami, Traffic Sports, Bestechungsgelder über mehrere Millionen Dollar auszahlt, um an Verträge zu kommen. Im Mittelpunkt: dieser Typ in Miami, Aaron Davidson, der für eine amerikanische Firma arbeitet und zugibt, dass er Leute besticht."
    Wird Davidson das aber auch zugeben? Wird er unter Androhung hoher Hafstrafen den Behörden helfen und andere belasten, die dann ebenfalls dominoartig unter Druck geraten und auspacken?
    Die Antwort auf solche Fragen hängt übrigens ebenso stark von der Taktik der Staatsanwaltschaft ab. Und von den zahlreichen Verdächtigen, die noch immer in der Schweiz festsitzen - Fußballfunktionäre aus Mittel- und Südamerika. Tim Elfrink: "Das sieht alles so aus wie wenn Staatsanwälte gegen das organisierte Verbrechen vorgehen. Wenn man mit Experten redet, wird das von den meisten bestätigt. Die sagen: "Das war noch nicht alles. Da kommt noch mehr."