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Film-Tipps
Neue Lebensabschnitte

Eine Studentin wird zur Agentin im Thriller "The Rhythm Section". Aus dem Leben einer ehemaligen First Lady erzählt der Dokumentarfilm "Becoming – Meine Geschichte". Und wie Begegnungen Leben verändern, schildern die Filme "Bester Mann" und "Label Me".

Von Jörg Albrecht | 06.05.2020
Mann mit Kappe beobachtet Frau, die an einer Wand lehnt
Lisa sucht Rache in dem Film "The Rhythm Section" (www.imago-images.de (Paramount Pictures))
"Mein Name ist Lisa. Außer du willst, dass ich anders heiße."
"Wie wäre es mit Stephanie? Stephanie Patrick?"
Der Mann, der Stephanie im Bordell aufsucht, entpuppt sich als Journalist, und von einer Sekunde auf die andere ist Stephanies Erinnerung an ihr altes Leben zurückgekehrt. Der Anfang von "The Rhythm Section – Zeit der Rache" von Reed Morano ist ein Musterbeispiel für den unbeholfenen Einstieg in eine Geschichte. Der Journalist dient als Informationsquelle des Zuschauers und fasst die Erlebnisse seines Gegenübers so zusammen, als leide dieses unter Amnesie:
"Deine Eltern saßen in der Northeastern-Airlines-Maschine, die vor drei Jahren in den Atlantik gestürzt ist. Es war kein Unfall. In der Maschine war eine Bombe."
Fehlender Rhythmus
Und siehe da: Das Interesse der ehemaligen Oxford-Studentin ist geweckt. Die ist nach dem Schicksalsschlag ein physisches wie psychisches Wrack. Was Hauptdarstellerin Blake Lively offensichtlich dazu verführt hat, die Figur so überzogen anzulegen, dass man nicht umhinkann, ihr Overacting zu attestieren.
"Ist das der Mann, der meine Familie getötet hat?"
"Die Geheimdienste überwachen ihn. Aber sie wollen ihn nicht festnehmen."
"Obwohl sie wissen, dass er es war, lassen diese Wichser den Kerl frei rumlaufen?"
Der deutsche Titel, "Zeit der Rache", verrät bereits die nächsten Handlungsstränge: Stephanie will Vergeltung und sich zur Profikillerin ausbilden lassen. Den Job übernimmt Jude Law als Ex-MI6-Agent, der den Begriff "Rhythm Section" erklärt:
"Dein Herz ist das Schlagzeug, deine Atmung ist der Bass. Wenn du das kontrollierst, kontrollierst du dich selbst."
Genau dieser Rhythmus aber fehlt dem Film. Falls Produzentin Barbara Broccoli, die seit 1987 für die Bond-Abenteuer verantwortlich ist, einmal ausprobieren wollte, wie ein zukünftiger weiblicher 007 funktionieren könnte, dann muss sie diesen Rhythmus genauso dringend noch finden wie ein gutes Drehbuch.
"The Rhythm Section": als Video-on-Demand auf den Streaming-Portalen
"Welcome Michelle Obama!"
Skandiert Oprah Winfrey, und Tausende Menschen im United Center von Chicago sind im Jubeltaumel. Mit einem Heimspiel startet am 13. November 2018 Michelle Obamas Lesereise anlässlich der Veröffentlichung ihrer Memoiren. Es sind Mega-Events. Talkshows, in denen die ehemalige First Lady US-amerikanischen TV-Größen Rede und Antwort steht.
Wie der Tag gewesen sei, an dem sie das Weiße Haus verlassen habe, fragt Oprah Winfrey. Michelle Obama erzählt, dass der ganze Tag seltsam gewesen sei. In der Air Force One habe sie erst einmal losgeheult für 30 Minuten. Es sei die Erleichterung gewesen, nachdem sie acht Jahre lang versucht habe, alles perfekt zu machen.
Große Eigen-PR-Show der heiligen Michelle
Von dieser Perfektion ist allerdings auch in den drei Jahren nach dem Auszug aus dem Weißen Haus nicht das Geringste verschwunden. Das unterstreicht "Becoming – Meine Geschichte" von Nadia Hallgren von der ersten bis zur letzten Minute. Es ist der Film zum Buch. Dabei könnte er auch gut "Yes, she can" heißen. Denn hier präsentiert sich eine Ikone als eloquente und witzige, offene und stets interessierte beste Freundin.
Es sei wichtig, sagt Michelle Obama, jeden Menschen so zu nehmen, wie er ist. Wenn Leute zu ihr kämen, dann gucke sie nie an ihnen vorbei. Sie blicke ihnen immer in die Augen und höre zu.
Bei aller Unterhaltsamkeit und Sympathie für die Protagonistin: Das hier ist einfach nur eine einzige große Eigen-PR-Show der heiligen Michelle.
"Becoming – Meine Geschichte": zum Streamen auf Netflix
"Machst du die Fotos?"
"Ich sage mal so: Meine Agentur ist mein Hauptgeschäft."
"Du brauchst doch manchmal einen Assistenten."
Was machen Begegnungen mit uns, wie nachhaltig beeinflussen sie unser Leben? Zwei Spielfilme, beide ausgezeichnet auf dem Filmfestival Max Ophüls Preis, werfen diese Fragen auf. In "Bester Mann" von Florian Forsch lernt der schüchterne Teenager Kevin einen coolen, etwa doppelt so alten Talentscout kennen:
"Vielleicht kann ich dich ja wirklich mal irgendwo einsetzen."
Wie dieser Einsatz aussehen wird – davon ahnt Kevin, der glaubt, einen Freund gefunden zu haben, noch nichts. "Bester Mann" erzählt von Vertrauen und Verführung. Von einem Abhängigkeitsverhältnis handelt auch Kai Kreusers Film "Label Me". Ein in Köln gestrandeter syrischer Flüchtling, der für Geld Sex mit Männern hat, lernt einen Freier kennen, mit dem er sich täglich trifft.
Sensibel und atmosphärisch gestaltete Geschichten
"Okay, let´s play a game: For each question you answer me, I will pay you ten."
"Fifty."
"Twenty. Where are you from?"
"Aleppo."
Für beide Filmstoffe haben die Regisseure mit 45 beziehungsweise 60 Minuten ein kürzeres Format gewählt. Ihren sensibel und atmosphärisch gestalteten Geschichten kommt das zugute. Und dass man am Ende der zwei Filme unbedingt wissen möchte, wie diese Geschichten weitergehen, ist sicher nicht das schlechteste Zeichen.
"Bester Mann" und "Label Me": beide als Video-on-Demand im Salzgeber Club auf dem Internetportal Vimeo