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Finanzwissenschaftler: Universalbanken haben auch Vorteile

Wenn man eine höhere Eigenkapitalausstattung bei Banken durchsetzen könne, so der Ökonom Markus Rudolf, dann brauche man nicht unbedingt ein Trennbankensystem, wie es Steinbrück vorschlage. Universalbanken hätten in Krisen den Vorteil, dass sie Verluste besser aufrechnen können.

Markus Rudolf im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Jasper Barenberg: Seit dem Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers vor gut vier Jahren ist einiges passiert, um die Macht der Finanzmärkte zu stutzen, und doch bleibt bei vielen der Eindruck, dass die Banken unter dem Strich doch weiter zocken und dass wir alle mit unseren Steuergeldern einspringen müssen, wenn es schiefgeht. Dieses verbreitete Gefühl greift die SPD schon länger auf; jetzt präsentiert die Partei ihre Vorstellung davon, die Banken an die Kette zu legen. Für Aufmerksamkeit sorgt das allein schon deshalb, weil diese Aufgabe mit Peer Steinbrück einer übernimmt, der bald vielleicht Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten sein wird.

    Meine Kollegin Christiane Kaess hatte Gelegenheit, über das Thema mit Markus Rudolf zu sprechen, Professor für Finanzwirtschaft an der WHU Otto Beisheim School of Management in der Nähe von Koblenz. Sie hat ihn gefragt, ob die Vorschläge von Peer Steinbrück denn geeignet sind, die Banken besser zu regulieren.

    Markus Rudolf: Also zunächst mal: Ich glaube, der Bankensektor muss stärker reguliert werden. Wir haben ganz klar gesehen, dass in der Finanzmarktkrise die Banken einfach nicht in der Lage waren, sich selbst zu schützen, und deswegen die Risiken haben übertragen müssen auf Staaten. Ich glaube aber trotzdem, dass die Vorschläge von Peer Steinbrück weitestgehend eigentlich ungeeignet sind, weil sie das eigentliche Symptom der Bankenkrise nicht tatsächlich bekämpfen, sondern weil sie einfach nur an Indikatoren dafür herumdoktern.

    Christiane Kaess: Was ist das Symptom?

    Rudolf: Banken sind unterkapitalisiert gewesen vor der Finanzkrise. Eine Bank wie die Deutsche Bank beispielsweise hatte keine zwei Prozent Eigenkapital, bezogen auf die Bilanzsumme. Das ist, gegeben der Geschäfte, die dort getätigt werden, einfach viel zu wenig. Der Pfad von Basel III geht aber eigentlich seit 2008/2009 genau in diese Richtung, möglicherweise etwas langsam in diese Richtung, aber im Prinzip muss man Banken in die Lage versetzen, sich selbst zu schützen vor solchen Krisen.

    Kaess: Aber wenn ich Sie da richtig verstehe, dann sagen Sie im Prinzip, die Vorschläge von Peer Steinbrück sind überflüssig?

    Rudolf: Sie sind zumindest redundant. Wenn man eine höhere Eigenkapitalausstattung durchsetzen kann, dann braucht man nicht unbedingt bestimmte Geschäftstypen zu verbieten. Wenn ich beispielsweise Leerverkaufstransaktionen oder High Frequency Trading verbieten möchte, dann gehe ich davon aus, dass das immer schlecht ist. Aber es gibt natürlich Leerverkaufstransaktionen oder High Frequency Trading, die im Sinne der Markteffizienz tatsächlich sind, und natürlich muss die Bank in der Lage sein, die Risiken, die mit solchen Geschäften verbunden sind, auch zu tragen. Das kann sie nur, wenn sie mehr Eigenkapital hat.

    Kaess: Herr Rudolf, da haben Sie jetzt schon einen Punkt, den Peer Steinbrück vorschlägt, angesprochen, nämlich die Trennung von Investmentbanking auf der einen Seite und das Kredit- und Einlagengeschäft auf der anderen Seite. Könnte das nicht mehr Sicherheit für den Sparer bringen?

    Rudolf: Ich glaube nicht, denn in den USA ist die Finanzkrise ausgebrochen, und zwar war das Finanzsystem im Jahr 2007 oder das Trennbankensystem im Jahr 2007 etwas in Auflösung begriffen, aber trotzdem ist ja das US-amerikanische System auch im Jahr 2007 und heute auch ein wesentlich stärker investmentgetriebenes Geschäft gewesen, also trennbankenorientiertes Geschäft gewesen als in Europa, und trotzdem ist die Krise dort ausgebrochen. Man muss einfach sehen: Wenn man Kommerzialbanken und Investmentbanken trennt, dann findet mehr Finanzgeschäft am Kapitalmarkt statt und weniger im viel stärker regulierten Bankensystem.

    Kaess: Um noch mal auf diese Trennung zu schauen: Es gibt ja auch das Argument, dass zum Beispiel die Deutsche Bank, um die es jetzt auch sehr viel geht in der Diskussion, relativ gut durch die Krise gekommen ist, weil sie eben sowohl das Investmentbanking als auch das Kreditgeschäft betreibt. Stimmen Sie dem zu?

    Rudolf: Ja! Universalbanken haben ja einen Vorteil und sie haben auch ein paar Nachteile. Ein Vorteil ist, dass sie Verluste von einem Geschäft aufrechnen können durch Gewinne in dem anderen Geschäft. Sie haben also einen wesentlich besseren Diversifikationseffekt. Bei einer Bank, wie die Deutsche Bank eine ist, mit einer riesengroßen Bilanzsumme, haben Sie, wenn Sie nicht völlig daneben liegen, die Möglichkeit, schlechte Jahre in einem Zweig durch bessere Jahre im anderen Zweig auszugleichen, und das ist natürlich einer der großen Vorteile des Universalbankensystems. Der Nachteil ist natürlich, dass es keine echten Chinese Walls gibt. Das heißt, es gibt unter Umständen Interessenskonflikte zwischen den Leuten, die Bankkredite vergeben wollen, und solchen Leuten, die Bondmarkt-Emissionen machen wollen. Das ist der Nachteil, aber unter dem Strich ist aus meiner Sicht ein Universalbankensystem wesentlich kompetitiver.

    Kaess: Schauen wir noch auf den Rettungsfonds für Banken von 200 Milliarden Euro. So stellt sich Peer Steinbrück das vor. Das heißt also, für die Kosten einer Pleite sollen die großen Banken selbst aufkommen. Das hört sich doch ganz vernünftig an, denn dann wäre der Steuerzahler entlastet?

    Rudolf: Ich bin auch der Meinung, die Banken sollen für ihre Rettung selbst aufkommen. Ich würde das regeln über eine Eigenkapitalregel, eine stärkere Eigenkapitalregel, …

    Kaess: Das ist das, was wir jetzt schon haben?

    Rudolf: Ja. Ja, was jetzt sozusagen im Entstehen begriffen ist. Das ist noch nicht da, wo es hin müsste, aber es verbessert sich jedenfalls.

    Kaess: Und wäre da der Vorschlag von Peer Steinbrück mit dem Rettungsfonds ein Beschleuniger, oder wie wäre der da einzuordnen?

    Rudolf: Ich glaube, der Vorschlag, einen Banken-ESM zu machen, schwächt Deutschland, denn was ja Peer Steinbrück verhindern möchte, ist, dass die Banken eine sogenannte implizite Staatsgarantie ausnutzen, also eine Bank in Deutschland kann sich im Zweifel darauf verlassen, dass der deutsche Staat sie rettet. Eine Bank in Luxemburg aber beispielsweise kann sich überhaupt nicht darauf verlassen, dass der luxemburgische Staat sie rettet, weil der luxemburgische Staat außerstande ist, weil er viel zu klein ist. Insofern ist es im Moment ein Argument für den Standort Deutschland für eine Bank, sich hier anzusiedeln und nicht in Luxemburg anzusiedeln. Gäbe es einen Banken-ESM, könnte die Deutsche Bank beispielsweise nach Luxemburg umziehen. Sie hätte ganz genau das gleiche Risiko, sie würde nämlich vom europäischen Steuerzahler gerettet werden und könnte dann die viel liberalere Regulierung ausnutzen und dort hingehen und dort Geschäfte betreiben. Das ist für Deutschland schlecht.

    Barenberg: Der Finanzwissenschaftler Markus Rudolf im Gespräch mit meiner Kollegin Christiane Kaess.


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