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Flüchtlinge auf der Reise
Endstation Serbien

Über eine Million Flüchtlinge und Migranten haben Serbien in den vergangenen zwei Jahren auf dem Weg nach Westeuropa durchquert. Seit die Balkanroute geschlossen ist, stecken Tausende in den Aufnahmelagern fest. Viele von ihnen würden gerne dauerhaft in Serbien bleiben - die serbische Regierung und Gesellschaft stellt das vor ungeahnte Herausforderungen.

Von Dirk Auer |
    Flüchtlinge warten am 26.11.2016 vor dem verlassenen Zollager im Zentrum von Belgrad (Serbien) geduldig auf eine Schale mit Gemüsesuppe. 1000 Portionen werden hier täglich von einer privaten Hilfsorganisation verteilt.
    Flüchtlinge in Belgrad warten auf eine warme Mahlzeit. (dpa/ picture alliance / Thomas Brey)
    Wohl noch nie haben sich im Aufnahmelager Krnjaca so viele Politiker, Journalisten und Vertreter der internationalen Gemeinschaft auf einmal blicken lassen. In dem Lager am Rande von Belgrad sind etwa 1000 Flüchtlinge untergebracht. An diesem Vormittag wird die neue Krankenstation eingeweiht.
    Aber eine Journalistin treibt dann noch eine ganz andere Frage um: "Sind wir wirklich bereit, alle Flüchtlinge aufzunehmen, die nach Serbien kommen?", fragt sie einen Vertreter der serbischen Regierung. Der verweist auf die lange Erfahrung, die das Land bei der Aufnahme von Flüchtlingen hat. Vor gut 20 Jahren, nach dem Ende des Krieges mit Kroatien, habe man ja schon einmal zehntausende serbische Flüchtlinge unterbringen müssen.
    "Also, wir sind bereit!"
    Auch Hans Friedrich Schodder, Repräsentant des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Serbien, ist optimistisch.
    Flüchtlinge hoffen auf Asyl
    "Hier in Krnjaca haben wir ja viele Afghanen, Iraker, Syrer. Viele von denen haben Freunde, Familie im Rest Europas. Die werden sicherlich versuchen dorthin weiter zu reisen. Aber es gibt halt auch welche, die bleiben wollen, die sich hier integrieren möchten, und die wir da unterstützen wollen. Die Zahlen sind momentan noch gering, das sollte also kein Problem darstellen."
    Einer der tatsächlich bleiben will, ist der 19-jährige Ibrahim Ishak aus Ghana. Auch Ibrahim hatte natürlich ursprünglich andere Pläne, er wollte nach Deutschland.
    "Aber ich habe hier gute Menschen getroffen, und dann habe ich nach sechs Monaten entschieden zu bleiben. Das habe ich auch dem Direktor des serbischen Flüchtlingskommissariats gesagt. Als er hierher kam, hat er gesagt: Du bist ja immer noch hier. Und ich habe geantwortet: Ja, ich will nicht mehr nach Deutschland. Er konnte es überhaupt nicht glauben und hat gefragt: Machst Du Scherze?"
    Tatsächlich konnte sich in Serbien bislang kaum jemand vorstellen, dass irgendjemand auf die Idee kommen könnte, im Land zu bleiben. Schließlich waren es jahrelang Serben, die auswanderten oder flohen, um Armut und Perspektivlosigkeit zu entkommen.
    "Ja, die wirtschaftliche Situation ist schlecht hier", sagt Ibrahim. "Aber mal sehen. Ich denke, wenn ich Asyl bekommen sollte, dann wird der Staat auch etwas Geld geben."
    Schleppende Integrationsmaßnahmen
    Doch der Staat reagiert auf die neue Herausforderung nur langsam. Zwar wurde vor acht Jahren ein Asylgesetz verabschiedet. Aber erst jetzt wird ein Plan ausgearbeitet, der Flüchtlingen auch bei der Integration helfen soll, wie die Flüchtlingsanwältin Nikolina Milic beklagt.
    "Der bloße Status, die Anerkennung als Flüchtling alleine, bedeutet überhaupt nichts. Das sehe ich täglich bei meiner Arbeit. Die Leute fragen mich: Was jetzt? Und ich sage: Jetzt hast Du das Recht, hier zu sein. Und dann sagen sie: Aber ich habe nichts zu essen!"
    In diesem Jahr waren es bislang 34 Flüchtlinge, die einen Aufenthaltsstatus bekommen haben - davon die Hälfte als anerkannte Asylbewerber. Manche arbeiten als Helfer und Übersetzer in den Flüchtlingslagern; es gibt auch Flüchtlinge mit einer guten Ausbildung, etwa im IT Bereich, die auch in Serbien leicht unterkommen.
    "Aber wir haben auch eine allein erziehende Mutter aus Kamerun. Selbst wenn sie arbeitet, bekommt sie vielleicht 200 bis 300 Euro im Monat. Und was ist mit ihrem Kind? Wir haben bislang insgesamt 90 Menschen mit irgendeinem Schutzstatus. Niemand kann mir erzählen, dass wir nicht 90 Menschen integrieren können. Und einige von ihnen mögen es wirklich in Serbien zu sein, sie wollen nirgendwo anders mehr hin."
    So wie Ibrahim Ishak. Er spricht schon Serbisch, einmal die Woche trainiert er im Fußballverein, geht in die Stadt und trifft Freunde. Jetzt, zur Weihnachtszeit, glitzert alles auf der Haupteinkaufsstraße Knez Mihailova. Ibrahim läuft an den geschmückten Schaufenstern vorbei. Menschen mit seiner Hautfarbe sind in Belgrad immer noch eine ungewöhnliche Erscheinung. Aber noch nie, und das sagt er gleich mehrmals und mit Nachdruck:
    "Niemals habe ich irgendeine schlechte Erfahrung gemacht. Überall gibt es Rassismus, aber hier habe ich das noch nicht erlebt. Alle sind wirklich nett zu mir. Das ist der Grund, warum ich in Serbien bleiben will."