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Flüchtlinge auf Rettungsschiffen
Hängepartie im Mittelmeer

Die Lage der Flüchtlinge auf den Seenotrettungsschiffen im Mittelmeer ist weiterhin dramatisch. Italien und Malta halten ihre Häfen dicht und setzen auf Eskalation. Beendet werden könnte die Hängepartie nur durch eine gesamteuropäische Lösung, doch die ist nach wie vor nicht in Sicht.

Von Jan-Christoph Kitzler | 05.01.2019
    Die "Sea-Watch 3"
    Rettungsschiff Sea-Watch 3: "Einfach stehen gelassen auf dem Mittelmeer" (Sea-Watch.org)
    Mit zwei Schiffen kommen die Versorgungsgüter. Doch die 32 Flüchtlinge an Bord der Sea-Watch 3 bleiben zunächst unter Deck. Sie leiden nicht nur unter der Seekrankheit, sondern auch unter der Unsicherheit, nach über zwei Wochen auf See. Ein Schiff, das kommt, könnte immer auch schlechte Nachrichten bringen. Frank Dörner, Arzt an Bord, beschreibt die Situation:
    "Man muss sich vorstellen, dass die Leute Wochen, Monate, manche sogar schon länger unterwegs sind, häufig traumatisiert sind durch das, was sie selbst erfahren haben oder, was anderen passiert ist auf diesem Weg. Und jetzt auch wieder in eine Situation kommen, die hoch traumatisierend ist, wo man ihnen nicht klar sagen kann, wie geht es weiter. Und jeder Tag sozusagen die Hoffnung bringt, hoffentlich passiert jetzt was, dass wir endlich von diesem Schiff runter kommen und aufs Festland, wo wir dann auch sicher sind. Das ist natürlich ein extrem großer Stressfaktor."
    Wenig Solidarität in der Flüchtlingsfrage
    Ein Migrant ist schon über Bord gegangen und hat versucht, nach Malta zu schwimmen, das sie von hier aus sehen können. Aber die Entfernung ist zu groß, Wind und Wellen zu stark - und so musste er noch einmal gerettet werden, wie schon am 22. Dezember, mitten auf dem Mittelmeer. Mit den Versorgungsschiffen sind ein paar Journalisten gekommen und auch Politiker des deutschen Bundestages, zum Beispiel Erhard Grundl von, Bündnis 90/Die Grünen. Er sieht eine Verantwortung für diese Hängepartie auch in Deutschland:
    "Ja, es ist natürlich sehr beklemmend, gerade hier, wenn man in Sichtweite des Festlands ist, glaube ich, dass die Belastungen, denen die Leute ausgesetzt sind, für uns unvorstellbar sind. Ich bin hier um ein Zeichen zu setzen, auch um zu appellieren an den Innenminister, speziell an Horst Seehofer, weil an ihm hängt es jetzt, diesen Leuten hier zu helfen. Deutschland könnte die aufnehmen. Es gibt genügend Kommunen, 30 an der Zahl, die sich bereit erklärt haben. "
    Doch Italien und Malta halten ihre Häfen dicht, setzen auf Eskalation und erwarten, dass Europa sich bewegt. Doch mit der Solidarität ist es in Europa auch in Flüchtlingsfragen dieser Tage nicht weit her. Deshalb setzt Frank Schwabe, Bundestagsabgeordneter der SPD, auf feste Regeln:
    "Wir brauchen eine gesamteuropäische Lösung für viele Flüchtlingsthemen. Aber wenn's um Seenotrettung geht, dann brauchen wir einen klaren Schlüssel. Wenn die Menschen in Italien, in Spanien, auf Malta anlanden, dann muss klar sein, wie viele von denen in welche Länder weitergebracht werden. Und das muss ein Automatismus sein, der muss jetzt erprobt werden. Ich glaube, dass im Hintergrund diese Gespräche auch laufen. Vielleicht ist es deswegen auch schwierig in diesem ganz konkreten Fall. Nur hier haben wir eben 49 Menschen, die ganz konkret sehr heftig leiden. Und das muss beendet werden."
    "Rechtlich, politisch, moralisch untragbar"
    Denn zu den 32 Migranten an Bord der Sea-Watch 3 kommen weitere 17, die auf einem Rettungsschiff der Regensburger Organisation Sea-Eye ebenfalls auf einen sicheren Hafen warten. Und sie werden nicht die einzigen bleiben. Immer wieder wagen sich die Flüchtlingsboote auch bei schlechtem Wetter von der Küste Libyens aus auf den gefährlichen Seeweg nach Europa. Für die, die jetzt an Bord der Sea-Watch 3 gekommen sind, ist es beschämend, ein Skandal, dass es überhaupt soweit kommen konnte, sagt Sophie Scheytt von Sea-Watch:
    "Die aktuelle Situation ist nicht nur rechtlich untragbar und politisch untragbar, sondern auch moralisch untragbar. Und vor allem auch untragbar für die Menschen, die wir hier an Bord haben. Wir haben hier Frauen an Bord, wir haben Kinder an Bord, wir haben ein ein Jahr altes Baby an Bord. Und diese Menschen nach den ganzen Erfahrungen, die sie in Libyen gemacht haben, die uns alle bekannt sind, aus unzähligen Berichten, die werden jetzt hier noch weiter verstärkt, indem wir die Menschen zwei Wochen lang im Winter auf dem Mittelmeer einfach stehen lassen."
    Italien hat sich nun immerhin bereit erklärt, die Frauen und Kinder an Land zu lassen. Bei allen anderen Migranten wird offenbar weiterhin um die Verteilung gerungen. Eine Lösung könnte sich in den kommenden Stunden abzeichnen. Doch schon bald werden sicher die nächsten Migranten gerettet werden, die dann einen sicheren Hafen brauchen.