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Flüchtlinge
Aufregung um möglicherweise falsche Herkunftsangaben

Geben sich zahlreiche Menschen, die über die Grenze von Ungarn nach Österreich gelangen, als Syrer aus, obwohl sie aus anderen Ländern stammen? Entsprechende Berichte darüber haben auf den Deutschlandfunkseiten in den Sozialen Medien für Aufregung gesorgt. Anlass für uns in der Nachrichtenredaktion, der Sache nachzugehen.

    Flüchtlinge, die kurz zuvor mit einem Zug aus Wien angekommen sind, warten am 01.09.2015 auf dem Hauptbahnhof in München (Bayern) auf ihren Weitertransport in eine der diversen Erstaufnahmeeinrichtungen
    Zehntausende Flüchtlinge sind in den vergangenen Tagen am Bahnhof in Wien aus Ungarn angekommen. (picture alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Nach Einschätzung von Helfern, die vor Ort bei der Bewältigung der hohen Zahl von Flüchtlingen im Einsatz sind, sind unter den Einreisenden in Österreich auch viele Menschen, die falsche Angaben zu ihrer Herkunft machen. Sie gäben sich als Syrer aus, obwohl sie etwa aus Algerien, Pakistan oder Bangladesch stammten. Länder, in denen kein Bürgerkrieg herrscht. Dies sei die Chance, nach Europa zu gelangen, heißt es. "Jetzt oder nie". So lauten etwa Aussagen, die der Marokkaner Merouane Missaoua gegenüber Ralf Borchard, dem ARD-Korrespondenten in Wien, zitiert.
    Missaoua dolmetscht in seiner Freizeit am Wiener Bahnhof für die Flüchtlinge, die von Ungarn aus ankommen und zumeist weiter nach Deutschland reisen. Er berichtet in dem Beitrag, mindestens ein Viertel der Menschen, denen er begegnet sei, stammten nicht aus Syrien, obwohl sie dies behaupteten. Das hätten viele auf seine Nachfrage hin zugegeben.
    Regierung in Wien: Gefälschte Identitäten nur in Einzelfällen
    Dass Flüchtlinge möglicherweise in einem solchen Ausmaß die Unwahrheit über ihre Herkunft sagen, hat das österreichische Bundesinnenministerium unserer Nachrichtenredaktion gegenüber zurückgewiesen. Im Rahmen von Asylverfahren würden zwar immer wieder gefälschte Identitäten aufgedeckt, sagte der Pressesprecher des Ministeriums in Wien, Karl-Heinz Grundböck, dem Deutschlandfunk. Dies habe aber nicht diese Größenordnung. Es handele sich lediglich um Einzelfälle. Eine statistische Erfassung dazu gebe es aber nicht.
    Grundböck räumte ein, dass es am Wiener Bahnhof keine lückenlosen Personenkontrollen gebe. Die Personalien würden aber später erfasst, betonte der Ministeriumssprecher. Und es habe sich gezeigt, dass der überwiegende Teil der Ankömmlinge tatsächlich aus dem Bürgerkriegsland Syrien beziehungsweise aus Afghanistan und dem Irak stammten. Untersucht werde das anhand der mitgeführten Papiere. Fehlten diese, würden stichprobenartig Plausibilitätsprüfungen vorgenommen. Es würden etwa Sprachkenntnisse überprüft.
    Dem Wiener Innenministerium zufolge haben bis Ende Juli dieses Jahres 37.000 Menschen in Österreich einen Antrag auf Asyl gestellt. Davon stammten 10.000 Personen aus Syrien, 8.500 aus Afghanistan und 5.000 aus dem Irak. Die übrigen Antragsteller kämen etwa aus Pakistan, Iran, Eritrea oder vielen weiteren Ländern. Grundböck bestätigte, dass die Zahl der Migranten aus dem Kosovo seit März stark rückläufig sei.
    Ralf Borchard: Das deckt sich mit Beobachtungen vieler Kollegen
    Nach den Reaktionen in den Sozialen Medien auf seinen Beitrag sagte Ralf Borchard im Deutschlandfunk, die Äußerungen des Innenministeriums in Wien widersprächen seiner eigenen Darstellung nicht. "Das ist kein wirkliches Dementi." Der überwiegende Teil der Menschen stamme tatsächlich aus den Bürgerkriegsregionen. Es gehe aber darum, "ob möglicherweise rund ein Viertel - genau kann man das natürlich nicht überprüfen, das ist eine Einschätzung - eben keine Flüchtlinge sind." Österreich führe eben keine lückenlosen Personenkontrollen durch und sei "natürlich ganz froh, dass diese Leute weiter nach Deutschland reisen" und die Bundesrepublik damit "das Problem mit den allermeisten Flüchtlingen am Ende hat". Das müsse man ehrlicherweise so sagen.
    Borchard betonte: "Wenn es diese Einschätzung gibt (...), dann darf man die auch nicht verschweigen." Er habe nicht nur mit Merouane Missaoua, sondern auch mit vielen anderen Dolmetschern sowie mit Kollegen über das Thema gesprochen. Er sei selbst auf der Westbalkan-Route der Flüchtlinge unterwegs gewesen. "Und das deckt sich eben mit den Beobachtungen vieler Kolleginnen und Kollegen - Mitarbeiter der ARD in diesen Ländern -, dass es eben auch Menschen gibt, die sich anhängen an diesen Flüchtlingszug."
    Das sei nur ein Aspekt von vielen. Und der sei natürlich heikel in der aktuellen politischen Diskussion in Deutschland, räumte Borchard. Er habe damit gerechnet, dass diese Aussagen in seinem Beitrag auch kontroverse Reaktionen hervorrufen würden. Doch er sei der Ansicht, dass alle Aspekte des komplexen Flüchtlingsthemas beleuchtet werden müssten.
    Borchard berichtete des Weiteren von sehr vielen positiven Reaktionen auf die deutsche Flüchtlingspolitik. Es gebe aber auch viele Stimmen, die warnten, man dürfe nicht naiv sein. Man müsse hinschauen, wer da ins Land komme. Und auch die Bundesrepublik könne nicht endlos Flüchtlinge aufnehmen. Deutschland und die Europäische Union müssten wieder "zum Normalzustand" zurückkehren.
    Deutscher Zoll entdeckte Pakete mit syrischen Pässen
    In der vergangenen Woche hatten die deutschen Zollbehörden Pakete mit syrischen Pässen abgefangen. Darunter waren sowohl echte als auch gefälschte Papiere, wie eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums in Berlin bestätigte.
    Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex hatte kürzlich gewarnt, dass es in der Türkei einen gut organisierten Fälschermarkt für syrische Pässe gebe.
    (kis/bn)