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Flüchtlinge
Aussetzen der Vorrangprüfung im Gespräch

Wenn ein Flüchtling einen Job antreten will, wird bei der sogenannten Vorrangprüfung zunächst geschaut, ob dafür Deutsche oder EU-Ausländer infrage kommen. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles möchte diese Prüfung aussetzen - auch eine Vereinfachung ist im Gespräch.

Von Katharina Hamberger | 20.09.2015
    Stellenangebote auf Zetteln stecken in einer Wandtafel mit der Überschrift "Ausbildungsangebote" am Donnerstag (12.04.2012) in Berlin im Berufsinformationszentrum (BIZ) der Agentur für Arbeit im Arbeitsamt Mitte in der Friedrichstraße.
    Ausbildungsangebote: Die derzeit gültige Vorrangprüfung ist in der Diskussion. (picture alliance / dpa / Jens Kalaene )
    Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles rechnet damit, dass, weil so viele Menschen nach Deutschland kommen, in der kommenden Zeit die Zahl der Arbeitslosen steigen wird.
    "Wir sind gut, wir können auch viele Leute vermitteln, aber es wird nicht von heute auf morgen erfolgen und deswegen wird erstmal die Arbeitslosenzahl steigen. Das muss niemand beunruhigen; wir können, wenn wir das gut machen, auch viele in Arbeit vermitteln."
    Sagte Nahles im Interview der Woche im Deutschlandfunk. Es gebe im Moment eben aber auch in Deutschland 600.000 offene Stellen. So viele wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Und es würden Fachkräfte benötigt werden. Die Flüchtlinge von heute könnten die Fachkräfte von morgen sein – wenn sie optimal integriert werden würden, so die Arbeitsministerin. Ein großes Hindernis aus Sicht der SPD-Politikerin dabei: die Sprache. Deshalb brauche es mehr berufsbezogene Sprachkurse.
    Integration von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt
    Um außerdem eine schnellere Integration von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt zu erreichen, denkt Nahles auch über ein Aussetzen der sogenannten Vorrangprüfung nach. Nach dieser Regelung müssen Arbeitgeber, bevor sie einen Bewerber aus einem Drittstaat einstellen, prüfen, ob es nicht einen geeigneten deutschen Bewerber beziehungsweise einen aus einem EU-Staat gibt. Im Moment würden dadurch, so Nahles, die Arbeitskapazitäten der Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit oft durch die aufwändigen Prüfverfahren gebunden.
    "Deswegen war mein Vorschlag, nicht grundsätzlich eine Abschaffung der Vorrangprüfung, aber ein Aussetzen der Vorrangprüfung in dieser akuten Situation. Dabei bleibe ich auch, das wäre klug, das würde uns allen helfen und das wäre eine vernünftige Sache."
    Regierungskoalition will eine Lösung finden
    CDU und CSU gaben sich bislang in diesem Punkt skeptisch. Nun ist man beim SPD-Koalitionspartner aber auch offen, hier eine Lösung zu finden. So sagte Karl Schiewerling, der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion unserem Hauptstadtstudio:
    "Ich glaube, dass es gut ist, genau hinzugucken, in welcher Branche das sinnvoll ist. Nehmen Sie den Bereich der Hotel- und Gaststätten: Die suchen händeringend Leute, heute schon, und finden niemanden. Da kann man getrost eine Vorrangprüfung ausfallen lassen."
    Zudem, so Schiewerling, könne er sich vorstellen, das Verfahren der Vorrangprüfung zu vereinfachen:
    "Dass man zumindest vorher schaut, ob es jemanden dafür geben könnte, der schon hier wohnt. Das müsste man sich ganz fix anschauen und dann kann in der nächsten Woche die Entscheidung getroffen werden."
    Opposition begrüßt Vorstoß
    Vonseiten der Opposition wird Nahles' Forderung begrüßt. Der Vorschlag sei ein guter, sagte Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion unserem Hauptstadtstudio. Als zumindest kleinen Fortschritt sieht sie den Vorschlag Schiewerlings, die Prüfung nur für bestimmte Branchen auszusetzen:
    "Am liebsten wäre es uns natürlich, wenn wir die Vorrangprüfung insgesamt abschaffen würden, weil sie eine unnötige Diskriminierung für Flüchtlinge darstellt. Und eben den Arbeitgeber in die Situation bringt, wenn er geeignete Arbeitskraft gefunden hat, darauf verzichten zu müssen und jemand anderem den Vorrang zu geben. Das halten wir für eine schlechte Lösung. Aber wenn jetzt der nächste Schritt ist, das für einige Branchen abzuschaffen, dann ist es zumindest mal der Schritt in die richtige Richtung."
    So Amtsberg. Arbeitsministerin Nahles betonte im Deutschlandfunk, es gebe gleichzeitig in Deutschland 240.000 junge Leute, die auf eine Jobperspektive warten oder auch eine ganze Reihe von Langzeitarbeitslosen:
    "Die sind auch nicht vergessen, im Gegenteil, wir machen keinen Unterschied zwischen denen, die schon länger hier sind und Schwierigkeiten haben, in einen Beruf zu kommen und denen, die jetzt neu dazu kommen."
    Laut "Welt am Sonntag" arbeitet Nahles an einer Initiative, um die Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu fördern. Dazu sollen die Jobcenter zusätzliche Mittel bekommen.