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Flüchtlinge
Hohe Durchfallquote bei Deutschkursen

Deutschkurse sollen Migranten vor allem eine berufliche Perspektive eröffnen, doch das dafür investierte Geld hat bislang nicht den gewünschten Effekt. Nur jeder zweite Teilnehmer schafft am Ende die Prüfung. Dies liegt auch an Problemen bei der Organisation der Kurse, wie Lernende und Ehrenamtliche berichten.

Von Katrin Sanders | 30.06.2018
    Zuwanderer aus verschiedenen Ländern nehmen in Berlin an einem "Integrationskurs Deutsch" teil.
    Sprachkurs für Migranten: Die Hälfte fällt durch. (picture alliance / dpa / Jens Kalaene)
    Sprach- und Integrationskurse sind ein Angebot an alle Zuwanderer in Deutschland. Wer zum Beispiel anerkannter Flüchtling ist, hat das Recht auf einen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz BAMF, bezahlten Integrationskurs - aber auch die Pflicht, daran teilzunehmen, wenn die Sprachkenntnisse nicht ausreichen. Die sogenannte Eingliederungsvereinbarung dazu haben Emad und Ranja, ein junges Paar aus Syrien, auf dem Küchentisch in Holsterhausen vor sich liegen.
    Ihren Teil der Vereinbarung haben sie erfüllt: einen Einstufungstest gemacht, den Kurs an der VHS in Wesel besucht und alle Sprachprüfungen bestanden. Sie könnten also mit sich zufrieden sein. Emad erzählt:
    "Ich habe bestanden. Trotzdem konnte ich sehr wenig ausdrücken. Das ist immer das Problem, dass wir in diesen Kursen sehr viel hören und sehr wenig reden. Wir mussten uns dort nur setzen und hören oder Aufgaben lösen. Das finde ich eigentlich nicht so eine kreative Idee, um eine fremde Sprache zu lernen."
    Ranja sagt: "Also, eigentlich ich bin dankbar für die Finanzierung der Kurse. Gleichzeitig habe ich auch - nicht Beschwerde! - aber manchmal die Lehrer sind nicht Muttersprachler. Und wir haben Redewendungen und Wörter gelernt, die nicht im Alltag nützen. Zum Beispiel: Ohne Moos nix los."
    600 Stunden Deutsch pro Integrationskurs
    Das Geld für die Sprachkurse kommt vom BAMF. 600 Stunden sind für die deutsche Sprache in den Integrationskursen eingeplant. Fünfmal in der Woche und vier Stunden pro Tag Deutsch lernen - ein wichtiges Angebot sei das, sagt Gisela Borrmann-Heimannsberg. Sie gibt ehrenamtlich Nachhilfe für Sprachschüler aus Syrien, Irak oder Afrika. Wichtig findet sie auch, dass es nur wenige Monate nach der Ankunft gleich los geht mit dem Spachenlernen. Die Wartezeiten bis zum Kursbeginn haben sich deutlich verkürzt.
    "Das hat sich etwas entspannt. Das ist super. Der Integrationskurs ist tatsächlich ein ganz wichtiger Baustein zur Integration."
    Umso mehr aber ärgert es die pensionierte Sprachlehrerin, wenn ihre Sprachschüler vor allem deshalb Unterstützung brauchen, weil das Kursniveau nicht passt. Die Fehler werden ihrer Beobachtung nach beim Einstiegstest, dem Profiling, gemacht:
    "Wir im 'Runden Tisch Holsterhausen' kennen Teilnehmer, die dann im Kurs nicht mitkommen. Und wir fragen uns, wie das passieren konnte, dass sie überfordert sind."
    Zuwanderer landen im falschen Kurs
    Doch wer einmal im falschen Sprachkurs ist, hat keine Chance zu wechseln, berichtet Mechthild Grosser aus dem Team der Ehrenamtlichen - auch sie engagiert sich für die Sprachlerner aus dem nahen Flüchtlingsheim.
    "Das ist nicht möglich, diesen Prozess dann zu unterbrechen. Der muss die 600 Stunden nehmen, um dann durchzufallen. Und dann kann man erst die 300 Wiederholerstunden bekommen."
    Derzeit verlassen sich Jobcenter bei der Wahl der richtigen Schule auf die Geflüchteten selbst. Selbst die größer werdende Gruppe derer, die noch kein Wort Deutsch können und außerdem im Lernen ungeübt sind, sollen in Essen die für sie passende Sprachschule selbst finden. Mechthild Grosser zeigt auf einen Vordruck des Jobcenters:
    "Vom Jobcenter sollen sie sich damit auf den Weg machen mit einer Liste von Sprachschulen, da steht nur der Name der Schule, keine Straße. Und dann liest man sich diese Eingliederungsvereinbarung durch und da steht drin, dass das die Aufgabe des Geflüchteten ist, sich um einen Alphabetisierungskurs zu kümmern. Wie soll er das allein schaffen ohne Begleitung?"
    Lehrer überfordert - oder fehl am Platz
    Am Ende sind dann so manche im falschen Kurs oder lernen in einer Gruppe, bei der die Niveaus nicht zusammenpassen. Da sitzen Lernanfänger neben solchen wie Emad und Ranja, die bereits ihre Masterstudiengänge als Ingenieurin und Maschinenbauer aufgenommen haben. Auch sehr gute Lehrer kommen da an Grenzen, wie Ranja berichtet:
    "Meine Lehrer: Manche waren gut, manche sehr gut und leider manche sehr schlecht. Eine von meinen Lehrern hat nur über ihr Leben geredet. Und mein Mann hat das auch erlebt."
    Emad sagt: "Ja! Ich habe leider einmal einen Lehrer kennengelernt. Er sagte: Wegen dieser Flüchtlingskrise habe ich jetzt viel Geld bekommen und deswegen habe ich jetzt ein neues Auto gekauft."
    "Ich krieg ja immer von Einzelnen mit, wie der Unterricht so läuft", schließt sich Gisela Bormann-Heimannsberg an. In manchen Kursen werde nur arabisch gesprochen, weil da Landsleute unter sich sind, der Lehrer eingeschlossen. In anderen ist Englisch die Unterrichtssprache. Auch so erkläre sich die hohe Durchfallquote in der Schlussprüfung:
    "Ich erinnere mich an einen Teilnehmer meines Dienstagsabendkurses im Flüchtlingswohnheim. Der kam mit etwa hundert Blättern zu mir und sagte: Das hab ich diese Woche gelernt. Der hatte tatsächlich über hundert Kopien bekommen, mit irgendwelchen Wortlisten, mit Übungen. Er hatte nichts ausgefüllt, natürlich. Und ich sehe das immer wieder, dass die einfachsten Regeln im Fremdsprachenunterricht überhaupt nicht bekannt sind. Dass man erstmal wiederholt, dann was Neues durchnimmt. So diese Dreiteilung. Das sind die elementarsten Dinge."
    So geht bei manchem Sprachschüler Motivation verloren, auf die es ankommt. Während zugleich viel Geld aufgebracht wird für ein im Prinzip gutes Angebot, das allerdings noch größere Problemzonen aufweist.