
In den ehemaligen Soldatenstuben, die für vier Personen ausgerichtet seien, würden jetzt sechs bis acht Personen untergebracht und auch die großen Sozialräume seien inzwischen mit Feldbetten ausgestattet worden, berichtet Frank Maier. Wenn so viele Menschen auf so engem Raum zusammen leben müssten, dann komme es zwangsläufig auch zu Reibereien. Der Leiter der Erstaufnahmestelle in Meßstetten erklärte, dass darum auch in den Innenräumen der Unterkunft der Sicherheitsdienst eingesetzt werde.
Das Interview in voller Länge:
Thielko Grieß: Das Bundesland Baden-Württemberg hat für Flüchtlinge verschiedene Erstaufnahmestellen eingerichtet. Eine ist in Meßstetten eingerichtet worden. Das liegt auf der schwäbischen Alb, ungefähr zwischen Villingen-Schwenningen und Tübingen. Eine Landes-Erstaufnahmestelle auf einem nicht mehr genutzten Gelände der Luftwaffe. Meßstetten selbst ist ein eher kleiner Ort, hat ungefähr 1.000 Einwohner. Eine Erstaufnahmestelle hat vor allem diese Aufgabe: Dorthin kommen Flüchtlinge, sobald sie einen Asylantrag gestellt haben. Die Bundesländer betreiben alle welche, betreiben in der Regel auch mehrere. In Baden-Württemberg wie gesagt ist Meßstetten eine von mehreren. Und deren Leiter heißt Frank Maier und der ist am Telefon. Guten Morgen.
Frank Maier: Guten Morgen, Herr Grieß.
Grieß: Herr Maier, wie viele Flüchtlinge sind gestern zu Ihnen gekommen?
Maier: Gestern sind circa 86 neue Flüchtlinge bei uns angekommen.
Grieß: Und mit wie vielen rechnen Sie heute?
Maier: Ja in der gleichen Größenordnung. Im Moment hat sich die Zahl, die direkt bei uns an der Pforte ankommen, etwas verringert. Wir hatten schon Direktzugänge von circa 170 Personen. Derzeit ist es etwas rückläufig. Ich gehe aber davon aus, dass die Zahl ab der nächsten Woche dann wieder ansteigen wird.
"Es gibt Wünsche, auf die wir nicht eingehen können"
Grieß: Ich habe gelesen, Sie haben insgesamt bei Ihnen inzwischen etwa 3.300 Flüchtlinge. Ausgelegt war die Anlage ursprünglich mal für tausend. Wo haben Sie denn Platz gefunden für die übrigen?
Maier: Wir haben unsere Einrichtung ja in einer ehemaligen Bundeswehrkaserne. Das heißt, die Soldatenstuben wurden anstatt mit vier Personen dann mit sechs beziehungsweise acht Personen belegt. Wir haben die ehemaligen Lehrräume, wo früher Unterricht für die Soldaten stattfand, mit Feldbetten und mit Massenquartieren ausgestattet und auch sonst schon größere Sozialräume mittlerweile mit Feldbetten ausgestattet.
Grieß: Diese Landes-Erstaufnahmestelle, der Sie vorstehen in Meßstetten, die gibt es seit einem guten Jahr. Was ist bei Ihnen inzwischen zur Routine geworden?
Maier: Wir sind, was unsere Abläufe anbelangt, relativ gut aufgestellt. Wir sind, was das Registrieren der Asylbewerber angeht, die bei uns direkt ankommen, mittlerweile so weit, dass wir direkt am nächsten Tag die Registrierung vornehmen können. Auch die Gesundheitsuntersuchung und das Röntgen der Asylbewerber ist mittlerweile gut etabliert. Wir haben unsere Abläufe auch mit den beteiligten, hier tätigen Unternehmen, European Home Care als Betreiberfirma und auch unserem Sicherheitsdienst, mittlerweile so abgestimmt, dass wir hier auch eine gute und vernünftige Betreuung hinbekommen.
Grieß: Sie haben Flüchtlinge bei sich, die aus sehr unterschiedlichem kulturellem Hintergrund kommen: einerseits unterschiedlich untereinander und natürlich auch mit deutlichen Unterschieden zu dem, was in Deutschland gelegentlich üblich ist. Das fängt bei Essgewohnheiten an, vielleicht auch beim Freizeitverhalten und so weiter. Gibt es Wünsche, auf die Sie nicht eingehen können?
Maier: Ja, es gibt natürlich schon Wünsche, auf die wir nicht eingehen können, insbesondere was das Essen anbelangt. Wir bieten hier in unserer Kantine für über 3.000 Personen deutsches Essen an. Wir haben nicht die Möglichkeiten, hier auf die jeweiligen kulturellen Besonderheiten oder Wünsche konkret einzugehen und auch da alles umzusetzen. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir hier in Deutschland auch deutsches Essen anbieten, und ein Stück weit muss man sich dann auch erst mal an die einheimische Kost gewöhnen.
Grieß: Und wenn es da Widerstand gibt, wie erklären Sie das einem Syrer, dass man von Käsespätzle auch gut leben kann?
Maier: Na ja, es bedarf ein bisschen Überzeugungskraft. Aber man gewöhnt sich ja dann auch an vieles. Es gibt natürlich auch noch andere Möglichkeiten, wie eine Essensversorgung dann von den Bewohnern wahrgenommen wird. Man geht in die Stadt und kauft sich dann möglicherweise an einem Hähnchenstand oder Ähnlichem, was einem vielleicht besser schmeckt.
"Wir machen uns Sorgen wegen dem Winter"
Grieß: Gelegentlich wird hier und da berichtet, es gäbe Probleme zum Beispiel bei der Essensausgabe, weil Männer nichts in die Hand nehmen wollen, was vorher Frauen in der Hand gehabt haben. Kommt das bei Ihnen auch vor?
Maier: Habe ich noch nie gehört. Das ist mir jetzt wirklich ganz neu. Wir arbeiten mit entsprechenden Ausgabestellen, wo das Essen direkt auf Tabletts gebracht wird. Es hat noch nie hier bei uns jetzt diesbezüglich Beschwerden gegeben.
Grieß: Das hat zum Beispiel der saarländische Innenminister so berichtet von seinen Erfahrungen aus dem Saarland. - Gibt es ein Gewaltproblem bei Ihnen in der Einrichtung?
Maier: Wir haben natürlich eine sehr beengte Belegung. Das muss man einfach sehen. Es waren früher maximal 2.000 Soldaten hier untergebracht und wir sind jetzt teilweise schon bei 3.500 Personen gewesen. Das heißt, die Hörsäle, da stehen die Betten dicht an dicht, und da ist natürlich eine gewisse Unruhe da. Wir machen uns einfach auch etwas Sorge jetzt wegen dem Winter. Meßstetten liegt auf über 900 Meter. Das heißt, wir werden über den Winter teilweise bis zu einem Meter Schnee hier haben. Das heißt, viele Personen werden dann auch die Unterkunftsgebäude nicht mehr verlassen, und da wird sich dann in den Gebäuden, wo teilweise bis zu 500 Personen untergebracht sind, ein gewisses Aggressionspotenzial ergeben. Davon gehen wir jedenfalls aus. Wir haben unseren Sicherheitsdienst jetzt noch mal in die Gebäude hineinverlegt, dass wir da auch kleinere Streitigkeiten, die sich immer wieder ergeben werden, im Keim ersticken können, dass es nicht zu größeren Auseinandersetzungen kommt.
Hoffnung auf Reduzierung und Entspannung
Grieß: Verstehe ich Sie so, dass Aggression eigentlich permanent ein wenig in der Luft liegt und es eigentlich immer nur einen kleinen Funken braucht, damit das explodiert?
Maier: Ich würde jetzt nicht sagen explodiert. Es ist so, dass es natürlich bei so vielen Menschen, die auf so engem Raum zusammenleben, immer wieder mal zu kleineren Reibereien kommen kann. Und natürlich ist es so, wenn unterschiedliche Nationalitäten aufeinander treffen und es dann vielleicht zwischen zwei Personen aufgrund von Kleinigkeiten zu einer Auseinandersetzung kommt, sich dann doch immer auch die jeweiligen Nationalitäten zusammentun, und dann können schwierige Situationen entstehen.
Grieß: Ganz kurz noch, Herr Maier. So wie Sie jetzt arbeiten, könnten Sie ewig weitermachen?
Maier: Ich habe immer noch die Hoffnung, dass wir auch hier in Meßstetten es schaffen, unsere Belegung zu reduzieren, um hier einfach auch etwas mehr Entspannung unter den Bewohnern zu haben, weil es ist tatsächlich ja wohl auch so, dass dann, wenn wir hier erschwerte Verhältnisse haben, sich Dinge dann auch nach außen tragen und möglicherweise dann auch Schwierigkeiten im Ort entstehen könnten, und davor mache ich mir gewisse Sorgen und ich hoffe, dass da wirklich auch dann alles ruhig bleibt.
Grieß: Meßstetten hat eine von mehreren Landes-Erstaufnahmestellen in Baden-Württemberg. Ich habe gesprochen mit Frank Maier, dem Leiter dieser Einrichtung mit mehr als 3.000 Flüchtlingen. Herr Maier, danke schön für Ihre Eindrücke heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk.
Maier: Gerne, Herr Grieß.
Grieß: Einen guten Tag.
Maier: Wünsche ich Ihnen auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.