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Flüchtlinge in Deutschland
Leben in Containern

Im bayerischen Geretsried hat Flüchtlingshilfe Tradition und das Verständnis für die Lage der Menschen ist groß. Schließlich wurde die Gemeinde selbst nach dem Zweiten Weltkrieg von Flüchtlingen gegründet. Viele Ehrenamtliche helfen bei der Betreuung der Neuankömmlinge. Mit ihrer Arbeit stoßen sie aber auch an Grenzen.

Von Julia Smilga | 11.10.2014
    Eine sechsköpfige irakische Familie auf der Flucht vor der Gewalt in Mossul kommt mit einer Tragetasche an einem Checkpoint in Erbil im Nordirak an.
    Aus dem Irak und Syrien kommen derzeit wegen der Kriege in der Region besonders viele Flüchtlinge nach Deutschland. (dpa picture alliance / Kamal Akrayi)
    "Jetzt brauchen wir hier noch zwei Handtücher. – Aber die sind da! - Nee, sie wollte ja private haben (…)
    Ende Februar dieses Jahres: Dorothee und Tassilo von Heydebrandt beziehen Betten mit bunten Laken und legen gespendete Handtücher aus. In einer gerade erst aufgebauten Containerunterkunft in Geretsried südlich von München werden in zwei Tagen die ersten Flüchtlinge erwartet.
    Ein Stockbett, zwei kleine Schränke, zwei Stühle, ein Beistelltisch und ein Fernseher - so sieht ein kleines Zimmer von etwa 13 Quadratmetern für zwei Personen aus. Die beiden Helfer, ein Rentnerehepaar, versuchen, die kahlen Zimmer etwas wohnlicher zu gestalten: Tischlampen werden aufgestellt, Teppiche ausgebreitet und Spielzeug verteilt, alles Spenden von Geretsrieder Familien. Die von Heydebrandts gehören zu einem ehrenamtlichen Kreis von etwa 40 Personen. Alles Geretsrieder, die den Asylbewerbern helfen möchten, damit die sich wohlfühlen:
    "Wir wohnen hier ganz in der Nähe. Und dann dachten wir: Wenn es schon so nah bei uns ist, dann müssen wir unbedingt mithelfen, ist ja klar, damit es mit der Integration besser klappt."
    "Und wie wollen Sie genau helfen?"
    "Also ich könnte mir gut vorstellen, die Menschen erst mal zu begleiten, mit allem, was administrativ auf sie zukommt, ob das ein Arztbesuch ist - die wissen ja gar nicht, wo finde ich einen Arzt, wo müssen die sich anmelden, wo können sie einkaufen - diese Dinge könnte ich mir ganz gut vorstellen, die da erst mal zu begleiten."
    Insgesamt 75 Flüchtlinge sollen in die grauen Container einziehen. Bis Ende 2014 rechnet das Land Bayern mit 21.000 Asylbewerbern, das sind rund 15 Prozent aller in Deutschland ankommenden Flüchtlinge. Damit liegt Bayern an zweiter Stelle bundesweit: Mehr Flüchtlinge - etwa 21 Prozent - nimmt nur Nordrhein-Westfallen auf. Zuständig für die Unterbringung der Flüchtlinge sind die Landkreise. Im Fall Geretsried ist das der Kreis Bad Tölz/Wolfratshausen. Dort hatte man sich lange gegen Sammelunterkünfte gesträubt. Stattdessen wollten die zuständigen Behörden die Flüchtlinge auf verschiedene Wohnungen in der Gegend verteilen.
    Standortsuche für Sammelunterkünfte
    Doch schließlich lenkte die Verwaltung ein, um den Vorgaben der bayerischen Regierung nachzukommen: bis Ende 2014 soll der Landkreis 500 Asylbewerber aufnehmen. Ohne die Wohn-Container wäre für sie gar kein Platz. Und so beschließt das Landratsamt Ende September vergangenen Jahres den Bau der ersten Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in der Nähe der Franz-Marc-Förderschule und stößt damit eine heftige Diskussion in der Stadt an, erinnert sich der Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller:
    "Ich war ja anfangs auch skeptisch in Bezug auf die Frage - ist es nicht besser, wir bringen die Menschen in Wohnungen unter, die sind im allgemeinen Leben integriert, denn eine Gefahr besteht bei den Sammelunterkünften schon, sie schaffen natürlich einzelne Bereiche, Ecken, wo sich diese Menschen abgrenzen und doch nicht integrierbar sind in die Bevölkerung. Deswegen muss man auch solche Sammelunterkünfte, den Standort gut wählen, damit das auch gute Anknüpfungspunkte zum sozialen Leben in der Stadt sind. Das ist in Geretsried mit dem Standort gut gelungen. In der Nähe sind Sportplätze, Spielplätze, es gibt Busverbindungen. Wichtig ist, dass wir auch Schulen in der Nähe haben und dass wir auch Betreuungsmöglichkeiten haben."
    Flüchtlinge aus Syrien kommen im Grenzdurchgangslager Friedland an
    Flüchtlinge aus Syrien (picture alliance / dpa / Swen Pförtner)
    Der Umgang mit Flüchtlingen ist den Menschen in Geretsried eigentlich vertraut. Schließlich ist die größte Stadt südlich von München selbst von Flüchtlingen gegründet worden. Im Zweiten Weltkrieg befanden sich hier längs der Isar viele Rüstungswerke, nach Kriegsende kamen in den Werkhallen schließlich tausende Vertriebene aus Schlesien und den Sudeten unter. Sie gründeten 1950 die Gemeinde Geretsried. Viele der 24.000 Einwohner sind ehemalige Flüchtlinge oder deren Nachkommen. Sie hätten deshalb besonders viel Verständnis für Menschen in Notlagen, so die Koordinatorin der Ehrenamtlichen Helfer, Bärbel Gerlach:
    "Das habe ich oft genug gehört von den älteren Leuten, die gesagt haben - Mensch, wir sind hier auch mit offenen Armen empfangen worden, wir möchten das gerne zurückgeben, und diese Menschen sind um einiges schlimmer dran als wir, und wir möchten einfach, dass es ihnen gut geht hier."
    Ehrenamtliche begrüßen die Flüchtlinge
    Auf diese Hilfe sind die Flüchtlinge auch angewiesen. Die Landesregierung stellt zwar die Unterkunft, finanzielle Unterstützung in Form von Sozialhilfe, und sie übernimmt im Krankheitsfall die Behandlungskosten. Ansonsten sind die Neuankömmlinge sich selbst überlassen. Eine Beratungsstelle für Asylbewerber gibt es in Geretsried nicht.Suzan Jarrar arbeitet als Tagesmutter, ist jetzt jedoch als Übersetzerin unentbehrlich. Sie stammt aus einer niederbayerischen deutsch-palästinensischen Familie und spricht fließend arabisch:
    "Am liebsten würde ich denen in ihrem Land helfen, aber das kann ich nicht, man kann nicht dahin gehen und die Politik ändern, dass diese Kriege endlich aufhören. Was ich tun kann -die, die schon zu mir gekommen sind, in die Stadt wo ich lebe- dass ich da etwas tue und helfe."
    26. Februar 2014: Um 11.00 Uhr biegt ein blauer Reisebus in den Robert-Schumann-Weg in Geretsried ein und bleibt vor dem Containerbau stehen. Türen und Gepäckfach öffnen sich, 16 Fahrgäste - Afghanen, Syrer, ein Iraker und ein Mazedonier steigen aus und werden von Ehrenamtlichen und Mitarbeitern des Landratsamtes begrüßt:
    Rollkoffer rasseln über den Asphalt, Männer schleppen Tragetaschen, Frauen packen Tüten in Kinderwägen. Eine Mutter trägt ein kleines Baby in eine Decke eingewickelt auf dem Arm, eine andere ist hochschwanger und hält dazu noch an jeder Hand ein kleines Mädchen.
    "So welcome, mein Name ist Alfred Krämer mit meinem Kollegen Jeff Pflanzer leite ich die Unterkunft hier."
    Alfred Krämer von der Sozialabteilung des Landratsamtes ruft die Flüchtlinge einen nach dem anderen in sein neues Büro direkt gegenüber der Unterkunft: Er registriert die Namen, vergibt Schlüssel, zahlt Geld aus. Alfred Krämer und sein Kollege Jeff Pflanzer werden von nun an jeden Tag als Ansprechpartner des Landratsamtes vor Ort sein und sich zusammen mit den Ehrenamtlichen um die Asylbewerber kümmern. Sie werden auch eventuelle Konflikte schlichten - einen privaten Wachdienst soll es nicht geben.
    Im Flur laufen drei kleine Mädchen mit dem ergatterten Spielzeug umher. Ein Junge saust mit dem roten Auto durch den Flur. Er heißt Jamil und ist neun Jahre alt, seine Schwester Ruhev ist fünf. Das dritte Kind, Baby Miawa, schläft friedlich im Kinderwagen. Ihre Mutter Mizgin Osman steht in einem der Vier-Bett-Zimmer umringt von Taschen und Tüten. Mizgin ist klein und zierlich; sie sieht müde aus. Die Syrerin ist seit eineinhalb Jahren mit ihren Kindern auf der Flucht. Zunächst kamen sie in der Türkei unter, dann in Bulgarien. Doch die Bedingungen seien dort so katastrophal gewesen, dass sie weiter nach Deutschland floh, berichtet die junge Frau:
    "Ich war zuerst in einem Grenzgebiet zur Türkei - in Silvengrad. Es war ein geschlossenes Lager. Um 22.30 Uhr wurden die Türen in den Zimmern für die Nacht zugesperrt. Und in jedem Raum waren elf Familien. Danach kam ich mit den Kindern nach Sofia. Dort war das Lager zwar offen, aber wir haben gehungert. Ich bekam 32 Euro im Monat für alles: Essen, Medikamente, Kleidung. Diese Summe musste für alles ausreichen."
    Statt Lehrerin nun Flüchtling
    In Syrien lebte Mizgin zuletzt in Aleppo. Dort verdiente sie als Grundschullehrerin genug, um sich eine kleine Wohnung zu kaufen. Doch dann kam der Bürgerkrieg.
    "Zuerst wurde das Geld immer knapper, dann das Wasser. Pro Woche ging für Wasser ein ganzes Monatsgehalt drauf. Wir hatten zwei Monate lang kein Wasser und keine Elektrizität. Meine Tochter bekam eine Hautkrankheit. Mir war klar, dass der Krieg noch lange dauern würde, also musste ich fliehen, um die Kinder zu retten. Ich verkaufte meine Wohnung und bezahlte mit dem Geld unsere Flucht.
    Zuerst kamen wir in die Türkei, dann gingen wir zu Fuß über die Grenze nach Bulgarien. Ich wusste gar nicht, dass es dort so schlimm wird. Zudem war ich schwanger, und mir ging es nicht gut. Mein Mann wurde aber immer hässlicher zu mir. Er schlug meinen Sohn und sogar einmal mich. Ich habe mich von ihm in Bulgarien scheiden lassen. Nun stand ich mit drei Kindern allein da und war völlig fertig. Ich habe zwar in Bulgarien Asyl bekommen, aber die 32 Euro Unterstützung fielen dadurch auch weg. Außerdem haben die Bulgaren angefangen, Moslems in den Lagern zu schlagen, damit sie zurück nach Syrien gehen. So habe ich die Kinder gepackt und bin auf nach Deutschland."
    Ein Flüchtlingskind in Eisenhüttenstadt (2011)
    Ein Flüchtlingskind (dpa / picture-alliance / Patrick Pleul)
    Ende März dieses Jahres ist die Sammelunterkunft in Geretsried zur Hälfte belegt.
    In einem Klassenzimmer der benachbarten Franz-Marc-Schule pauken die Flüchtlinge jeden Montagnachmittag deutsche Vokabeln. Eigentlich haben Asylbewerber kein Recht auf einen kostenlosen Deutsch-Kurs, solange sie keine Aufenthaltsgenehmigung haben. Selber können sie den Kurs nicht finanzieren, denn sie bekommen monatlich nur 300 Euro Sozialhilfe. Da müssen die ehrenamtlichen Helfer einspringen.
    "Dann haben wir essen. Liest du bitte: Er isst, wir essen, ihr esst etc. Isst du Bananen? Ja, ich esse Bananen. Isst du Brot? Ja, ich esse Brot. Ich esse Brot, ich esse Bananen."
    Dem pensionierten Latein- und Französisch-Lehrer Rolf Reisinger macht es sichtlich Spaß, wieder an der Tafel zu stehen.
    "Es ist ein Apotheker, zwei Ärzte, ein Lehrer, ein Chirurg ist noch dabei. Also diese Leute sind extrem interessiert und meinen, dass Deutschlernen eine Chance für sie ist."
    Flucht vor den Islamisten
    Besonders engagiert ist Bassam. Er kommt aus Syrien und ist 32 Jahre alt. 2012 hat er ein Medizinstudium in der Ukraine absolviert. Neben Englisch spricht er auch gut Russisch. Nach seinem Abschluss musste Bassam die Ukraine verlassen. So ging er zurück in seine von Rebellen kontrollierte Heimatstadt Deir-es-Zor nahe der Grenze zum Irak. Dort wollte Bassam ein kleines Krankenhaus aufbauen. Doch statt der Kranken kamen islamistische Rebellen und wollten ihn als Truppenarzt rekrutieren:
    "Ich sagte: nein, das will ich nicht. Braucht jemand von euch ärztliche Hilfe, dann kann er gerne zu mir kommen. Aber ich ziehe nicht mit euch in den Bürgerkrieg. Die Gruppe hieß Daash. Das sind besonders militante Islamisten. Die sagten: Wenn du nicht für uns bist, dann bist du gegen uns. Meine Freunde rieten mir, so schnell wie möglich zu fliehen. Die Flucht hat mein Vater in Windeseile organisiert. Er fand jemanden in der Türkei. Es wurde abgemacht, dass ich für 7.000 Euro nach Schweden fliehen soll."
    Doch Schweden hat er nie gesehen. Am 31.12.2013 wurde Bassam in einem Zug von Wien nach München von einer deutschen Polizeipatrouille festgenommen. Sollte er in Deutschland Asyl bekommen, möchte Bassam möglichst bald arbeiten, um nicht mehr auf staatliche Unterstützung angewiesen zu sein:
    "In arabischen Ländern gibt es den Begriff Zadakah, das heißt Spende. Wenn ich dieses Geld, diese Spende vom Sozialamt bekomme, schäme ich mich immer. Ich, ein gesunder junger Mann, bekomme Geld, ohne dafür gearbeitet zu haben."
    Die dreifache Mutter Mizgin hat ganz andere Sorgen. Vor kurzem hat sie erfahren, dass sie nach Bulgarien abgeschoben werden kann, weil ihr dort bereits Asyl gewährt wurde. Um die Situation zu klären, besorgt ihr die arabischsprechende Suzan Jarrar einen Anwaltstermin in München und begleitet Mizgin dorthin.
    Doch der Rechtsanwalt Hubert Heinold kann ihr nichts Aufmunterndes sagen:
    "Tja, dieses Asylverfahren, das Sie gestellt haben, das kann nicht erfolgreich sein. Weil Sie ja in Bulgarien bereits einen Flüchtlingsstatus bekommen haben. Sie können ihn nicht zweimal bekommen."
    Ob Mizgin zurück muss, kann der Rechtsanwalt noch nicht sagen. Eine kleine Chance, hier zu bleiben, gäbe es noch:
    Ständig unter Abschiebegefahr
    "Es könnte sein, dass sie theoretisch zurück muss und praktisch sie niemand zurückschickt. Darauf könnte es hinauslaufen. Weil Bulgarien kein Land ist, in das man guten Gewissens Flüchtlinge schickt, weil die Situation da für die Flüchtlinge sehr, sehr schwierig ist, insbesondere für eine Mutter mit drei kleinen Kindern."
    Dass Mizgin wohl Jahre der Ungewissheit unter ständiger Abschiebegefahr bevorstehen, ist ihr noch nicht bewusst.
    Zwei Monate später, Ende Juni, ist die Sammelunterkunft fast voll - mehr als drei Viertel der 75 Plätze sind belegt. Überall auf dem Flur stehen Kinderwagen: Die junge Afghanin Roqia hat ihre dritte Tochter bekommen, und es gibt noch mehr Nachwuchs, erzählt Suzan Jarrar:
    Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern sitzen und liegen im Erstaufnahmelager der Bayernkaserne in München (Bayern) in den Betten ihrer Unterkunft, die in einer ehemaligen Bundeswehr-LKW-Garage eingerichtet wurde.
    Eine Flüchtlingsunterkunft in Bayern. (Picture Alliance / dpa / Peter Kneffel)
    "Hier ist das frisch geborene Baby, hier ist die Negar, hier ist auch ein ganz kleines Kind, hier ist die Roxanne, auch frisch geboren."
    Nebenbei macht Suzan Jarrar mit den Müttern Kinderarzttermine zu Vorsorgeuntersuchungen aus. Auch Mizgin muss ihre jüngste Tochter untersuchen lassen. Mizgin sieht entspannter aus, wirkt nicht mehr ängstlich. Auch Freiwilligen-Koordinatorin Bärbel Gerlach zieht bis jetzt ein positives Fazit:
    "Eigentlich ist es ein gutes Miteinander. Es gibt Probleme, aber die gibt es auch in anderen Häusern. Ansonsten ist es ein nettes Miteinander, und die kümmern sich gegenseitig um die Kinder. Es läuft gut."
    Nach der Anerkennung ins Jobcenter
    Nicht ganz so harmonisch gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter im 17 Kilometer entfernten Bad-Tölz, erzählt Frau Gerlach. Die ersten Syrer haben das Bleiberecht erhalten. Nun müssen sie sich beim Jobcenter arbeitslos melden und dort Anträge auf Arbeitslosengeld II stellen:
    Als Bassam im Juli das Bleiberecht erhält, dürfen wir ihn zur Anmeldung beim Jobcenter begleiten. Die Sachbearbeiterin ist gegen die Mitschnittverwendung. Bassam begrüßt sie auf Deutsch und fragt höflich, ob er weiter englisch oder russisch sprechen darf. Keine Chance - die Sachbearbeiterin akzeptiert nur Deutsch. Der nächste Sachbearbeiter lässt den Mitschnitt immerhin zu. Aber auch er spricht ausschließlich deutsch:
    "Hier haben wir einen Fragebogen, da müssen Sie kurz schreiben, warum der Antrag gestellt wird, hier im Jobcenter, in Ihrem Fall - Anerkennung als Flüchtling."
    Bassam: "Englisch, Arabisch?"
    "Deutsch bitte. Es ist so, dass die Amtssprache Deutsch ist. Wir haben leider keine Möglichkeit, dass wir irgendwelche Dolmetscher besorgen. Man muss tatsächlich deutsch können oder jemanden haben, der deutsch spricht, damit man hier die Leistungen beantragen kann."
    Inzwischen ist es Ende Juli, jede Woche kommen neue Flüchtlinge an, und die Helfer geraten langsam an ihre Grenzen. Bärbel Gerlach zieht sich aus gesundheitlichen Gründen zurück - Überarbeitung. Von den ursprünglich 40 Helfern sind nur noch 25 übrig. Bettina Vögele vom Münchener Verein "Mensch zu Mensch" ist über die Entwicklung besorgt. Seit April führt der Verein ein Büro für die sogenannte "Asylsozialberatung". Es befindet sich gleich neben der Gemeinschaftsunterkunft. Vögele kümmert sich zusammen mit den Ehrenamtlichen um die Belange der Asylbewerber im ganzen Kreis.
    "Hier - ohne Helfer würde es gar nicht gehen. Ohne Helfer hätten wir den sozialen Frieden gar nicht mehr. Die Schwierigkeit ist, dass jetzt die Arbeit umgestaltet werden muss. Weil immer mehr kommen – und die Helfer es alles nicht mehr auffangen können."
    So schnell wie möglich Deutsch lernen
    25. September 2014: Vor genau einem Jahr hat das Landratsamt den Bau der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in Geretsried beschlossen. Damals lebten im Landkreis 168 Asylbewerber. Heute sind es knappe 400, und die Sammelunterkunft ist voll - 72 Asylbewerber sind dort untergebracht. Drei weitere Sammelunterkünfte im Landkreis sollen eingerichtet werden. Für eine davon, in einem Gewerbegebiet in Bad Tölz gleich neben dem Landratsamt, stehen die Container schon bereit. Wegen einer Klage können sie jedoch nicht aufgebaut werden. Der Kläger, Besitzer eines Geschäftszentrums in der unmittelbaren Nachbarschaft, meint, die Unterkunft würde den Gewerbecharakter des Areals verfälschen. Auch die Gemeinde Lenggries hat gegen die Unterbringung von Asylbewerbern in einer früheren Soldatenunterkunft geklagt. Schließlich handle es sich bei Flüchtlingen nicht um Soldaten.
    Solche Schwierigkeiten und Proteste gab es in Geretsried nicht. Die meisten Asylbewerber finden sich in der Stadt gut zurecht - dank der Hilfe der Ehrenamtlichen. Mizgin Osman wartet immer noch auf die Entscheidung der Bundesregierung, ob sie zurück nach Bulgarien muss oder nicht. Immerhin - bis jetzt ist ihr Asylantrag noch nicht abgelehnt, und das lässt die dreifache Mutter hoffen.
    Bassam hat im August ein Praktikum als Chirurg in der Asklepios Klinik in Bad Tölz absolviert. Wenn er weiter Deutsch lernt und sein Diplom anerkannt wird, kann er im Krankenhaus anfangen, wurde ihm gesagt. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Inzwischen hat er eine Wohnung in Geretsried gefunden, und so wird Bassam der Erste sein, der die Unterkunft regulär und sozusagen selbstständig verlassen wird. Sein Ziel:
    "Ich will so schnell wie möglich Deutsch lernen, um in einem Krankenhaus als Arzt arbeiten zu können. Ein Chirurg, der zu Hause sitzt, verliert seine Qualifikation. Deswegen möchte keine Zeit verlieren."