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Flüchtlinge in Kamerun
Rückkehr in Zentralafrikanische Republik kaum möglich

Aus der Zentralafrikanischen Republik, in der seit 2013 Bürgerkrieg herrscht, sind rund 270.000 Menschen ins benachbarte Kamerun geflohen. Ende Juni haben die beiden Regierungen und das UN-Flüchtlingswerk ein Rückkehrabkommen geschlossen – aber bisher denkt kaum jemand daran, in das weiterhin von Gewalt erschütterte Land zurückzukehren.

Von Anne Françoise Weber | 24.08.2019
Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik in einem Dorf im Osten Kameruns, 2014
Europa habe Afrika zu lange auf die Flüchtlingsproblematik reduziert, sagen Kritiker. (AFP / Reinnier Kazé)
Amadou Sardaouna ist 2014 aus der Zentralafrikanischen Republik nach Kamerun geflohen. Er hat sich als Schuster in Mandjou, einer Kleinstadt im Osten Kameruns niedergelassen - und fühlt sich hier wohl: "Die Menschen, die uns aufgenommen haben, haben kein Problem mit Flüchtlingen. Sie verheimlichen uns nichts, sondern zeigen uns viele Wege, wie wir unseren Unterhalt verdienen können." Umgekehrt habe er schon vier jungen Kamerunern und auch fünf Landsleuten sein Handwerk beigebracht, erklärt Amadou Sardaouna stolz. Er ist Sprecher der Flüchtlinge von Mandjou. Trotzdem hat er wenig von Konflikten zwischen Lokalbevölkerung und Neuangesiedelten gehört - die Beziehungen seien gut, betont er, und niemand fordere die Geflüchteten zur Rückkehr in ihr Land auf.
Großteil gut integriert
Wie Amadou Sardaouna leben 70 Prozent der zentralafrikanischen Flüchtlinge meist gut integriert in Dörfern und Städten Kameruns, erklärt Baseme Kulimushi, Chef des UNHCR-Büros in der nahegelegenen Stadt Bertoua. Schon 2003, als ein erster Bürgerkrieg die Zentralafrikanische Republik erschütterte, begannen die Menschen, von dort ins Nachbarland zu fliehen:
"Manche hatten bereits Verbindungen zur Lokalbevölkerung, manche waren mit dem Land vertraut. Denn viele dieser Flüchtlinge sind Viehzüchter. Sie kannten die Gegend schon, weil sie von Weidegrund zu Weidegrund ziehen. Aufgrund dieser sozialen, historischen und wirtschaftlichen Beziehungen kamen viele Menschen hierher. Und Kamerun hat diese Politik der offenen Türen, so dass die Leute sich niederlassen konnten, wo sie wollten."
Baseme Kulimushi vom UNHCR will die Flüchtlinge nicht zur Rückkehr drängen, Kamerun 
Baseme Kulimushi vom UNHCR will die Flüchtlinge nicht zur Rückkehr drängen (Deutschlandradio / Roméo Ghislain Zafack)
Erst als 2014 nach besonders schweren Gewalttaten in der Zentralafrikanischen Republik die Flüchtlingszahlen weiter stiegen, wurden auch sieben große Aufnahmelager eingerichtet. Hier ist das UN-Flüchtlingshilfswerk besonders gefragt - aber es kümmert sich auch um die Flüchtlinge, die in den Gemeinden leben. Baseme Kulimushi und seine Mitarbeiter richten neue Schulklassen ein, beschäftigen zusätzliche Lehrer oder Krankenpflegerinnen und arbeiten auch mit Mediatoren zusammen, die bei sozialen Konflikten helfen.
Schwindende Ressourcen
Das alles bei schwindenden Ressourcen, klagt Baseme Kulimushi:
"Kein einziger Bereich, in dem wir tätig werden, ist ausreichend gedeckt. Sei es die Arbeit für friedliches Zusammenleben, sei es Bildung oder Gesundheit - alles ist unterfinanziert. Die Geldgeber kommen unseren Bitten nicht nach. Es gibt Krisen anderswo, und vielleicht haben viele Geldgeber kein Interesse an den zentralafrikanischen Flüchtlingen."
Der Schuster Amadou Sardaouna kann gar nicht mehr auf die Hilfe des UNHCR zählen - schließlich hat er einen Beruf und eine kleine Werkstatt, in der er Schuhe herstellt. Allerdings muss er von dem mageren Verdienst nicht nur seine eigene achtköpfige Familie, sondern auch noch die Kinder seiner verstorbenen Geschwister versorgen - 23 Personen insgesamt. Manchmal liege er nächtelang wach und grübele, erzählt der hagere Mann:
"Das Exil ist schwer. Ich gebe Ihnen einen Rat: Selbst wenn es in Ihrem Land Krieg gibt mit Kugel- und Bombenhagel - bleiben Sie, um zuhause zu sterben, gehen Sie nicht ins Exil. Da verliert man seine Würde. Man erfährt keine Wertschätzung - das vergisst man nie."
Amadou Sardaouna wünscht sich sehr, nach Hause zurückzukehren. Das UNHCR will Anfang Oktober einen ersten Konvoi in die Zentralafrikanische Republik schicken; insgesamt ist die freiwillige Rückkehr von 4.000 Menschen bis zum Jahresende geplant. Doch Amadou Sardaouna zählt nicht zu ihnen. Durch regelmäßige Telefonate mit früheren Nachbarn weiß er, dass es in seiner Region der Zentralafrikanischen Republik immer noch bewaffnete Milizen gibt - auch Gesundheitsversorgung und Schulen funktionieren nicht. Das ist auch die Einschätzung von Ousmanou Alihou, Koordinator der Plattform Kawtal, die sich um zentralafrikanische Flüchtlinge in der ganzen Region kümmert. Er beklagt, dass das im Februar geschlossene Abkommen von Khartoum, mit dem endlich Frieden in die Zentralafrikanische Republik einkehren sollte, viel zu langsam umgesetzt werde.
Abkommen kommt zu früh
Das neue Abkommen zwischen der kamerunischen und der zentralafrikanischen Regierung über die Rückkehr der Flüchtlinge scheint ihm verfrüht. Ousmanou Alihou:
"Ich halte es für ein politische Abkommen, das aufgrund politischer Interessen überstürzt geschlossen wurde. Die internationale Gemeinschaft soll so bewegt werden, 2020 die Wahlen in der Zentralafrikanischen Republik zu finanzieren. Die Regierung will sagen können: Hier herrscht Frieden. Vertriebene und Flüchtlinge sind hier und dort schon zurückgekehrt. Aber tatsächlich sind die Bedingungen für die Rückkehr der Menschen noch nicht gegeben."
Selbst Baseme Kulimushi vom UNHCR, dessen Organisation an der Aushandlung des Abkommens beteiligt war, betont, dass er keine Werbung für die Rückkehr mache. Man wolle nur bereits Rückkehrwillige unterstützen - bislang kommen ohnehin nur zwei Regionen der Zentralafrikanischen Republik dafür in Frage. Und Baseme Kulimushi weiß, dass viele Flüchtlinge ein anderes Ziel vor Augen haben: Europa.