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Flüchtlinge in Polen
"Gebt ihnen eine Chance"

Beratung von Asylsuchenden, Besuche in Flüchtlingsheimen, Beobachtung von Grenzbeamten und das Protokollieren von Verstößen: Das "Zentrum für juristische Unterstützung" in Krakau bietet den jährlich rund 10.000 Asylsuchenden in Polen das, was von politischer Seite fehlt.

Von Anja Schrum |
    Die rechtsextreme polnische "Nationale Bewegung" demonstriert gegen die Aufnahme von Flüchtlingen.
    In Polen gibt es trotz niedriger Flüchtlingszahlen einen starken Widerstand gegen Migranten - aber es gibt auch Menschen, die sich ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren. (picture alliance)
    Krakau, ein unscheinbares Haus in der Krowoderskastraße. Wer als Flüchtling in Polen Rat und Hilfe sucht, kennt meist die Adresse. Die Flyer des "Centrums Pomocy Prawnej" hängen in fast jeder Flüchtlingsunterkunft. Die Menschenrechtsanwälte dieses "Zentrums für juristische Unterstützung" beraten Asylsuchende, besuchen Flüchtlingsheime, beobachten die Arbeit der Grenzbeamten, protokollieren Verstöße, erstellen Studien.
    "Die Leute kennen uns auch über Mund-zu-Mund-Propaganda. Wir haben zum Beispiel viele Anrufe von Flüchtlingen, die noch in Weißrussland sind. Das ist nicht ungewöhnlich. Manche kontaktieren uns auch über Facebook und bitten um rechtliche Beratung. Es gibt viele Wege, mit uns in Verbindung zu treten."
    Lange Zeit von der Politik ignoriert
    Katarzyna Przeybyslawska ist von Anfang an dabei. 2002 hatte ihre Jura-Professorin, Halina Niec, das Zentrum gegründet, überzeugte ihre Studenten vom ehrenamtlichen Einsatz für Flüchtlinge, die in Polen bis dahin kaum Unterstützung fanden.
    "Das Thema Flüchtlinge spielte für die Parteien lange Zeit keine Rolle. Es gab keine Programme, es gab auch keine Diskussionen, es war nie Teil der politischen Debatte. Und als 2015 die Flüchtlingskrise begann, da vermieden die liberalen Parteien lieber das Thema. Und die Konservativen machten Stimmung. Weil sie wussten, dass die Menschen Angst hatten."
    Die Flüchtlingszahlen in Polen sind seit Jahren stabil, sagt die 35-Jährige, "auf niedrigem Niveau". Zwischen 10.000 und 15.000 Menschen beantragen pro Jahr Asyl. Doch die Anerkennungsquote ist gering. Betrug sie 2015 15 Prozent, lag sie im vergangenen Jahr nur noch bei zehn Prozent:
    "Es ist jedes Mal ein großes Fest in unserem Büro, wenn jemand einen positiven Bescheid bekommt. Das ist eine tolle Sache. Denn es ist sehr, sehr schwierig."
    Niedrige Zahlen, große Diskussionen
    Ungefähr 200 Menschen werden pro Jahr in Polen als Flüchtling anerkannt. Im Herbst 2015 willigte die damalige liberale PO-Regierung ein, im Rahmen einer EU-weiten Umverteilung 7.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland zu übernehmen. Eine Entscheidung, die mitten in den polnischen Wahlkampf fiel.
    "Das war die größte öffentliche Debatte, die wir über Flüchtlinge hatten. Leider ging es dabei nicht um Argumente, sondern es gab eine Menge Furcht, Fremden- und Islamfeindlichkeit. Die ganze Diskussion führte zu keiner konstruktiven Lösung."
    Nach ihrem Wahlsieg kündigte die nationalkonservative PIS-Partei eine Verschärfung der Flüchtlingspolitik an. Muslimische Flüchtlinge aus dem Nahen Osten sollten nun überhaupt nicht mehr aufgenommen werden. Aus Sicherheitsgründen. Auch nicht die 7.000, deren Aufnahme mit der EU vereinbart worden war. Gleichzeitig strich die neue Regierung vielen Nichtregierungsorganisationen die finanzielle Unterstützung. Katarzyna Przeybyslawska schüttelt den Kopf. Flüchtlinge werden im Land immer mehr als Bedrohung, immer weniger als Opfer gesehen.
    "Wir haben einen Hashtag gestartet: "Gebt ihnen eine Chance". Wir sagen: versucht ihnen wenigstens eine Chance zu geben. Wir sagen nicht: Liebt sie, akzeptiert jeden Einzelnen, versteht die unterschiedlichen Probleme. Wir sagen nur: Gebt ihnen eine Chance, das ist alles, was wir jetzt brauchen."
    Gerade hat die Organisation ein Projekt zum Thema "Staatenlose" an einer Krakauer Schule durchgeführt. Es gab lebhafte Diskussionen, erinnert sich Katarzyna Przeybyslawaska. Ob es weitere solche Veranstaltungen geben wird, ist allerdings ungewiss - mangels Finanzierung. Aber sie sei von Natur aus Optimistin, sagt die 35-Jährige.
    "Seit die Gesellschaft verrücktspielt, seit immer mehr Leute gegen Migranten sind, gegen alles Mögliche, seitdem erleben wir hier einen wahren Ansturm von Freiwilligen. Ich glaube, so viel Interesse gab es noch nie. Die Leute kommen einfach vorbei und fragen: Kann ich irgendwie helfen?"