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Flüchtlinge
Laschet plädiert für klares Einwanderungsgesetz

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet hat mit Blick auf die große Zahl an unbearbeiteten Asylanträgen erneut ein Einwanderungsgesetz gefordert. Bisherige Regelungen sollten in einem klareren Gesetz zusammengefasst werden, sagte er im DLF. Laschet betonte, man müsse zwischen Asyl und Einwanderung trennen.

Armin Laschet im Gespräch mit Jasper Barenberg | 10.09.2015
    Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Armin Laschet, spricht am 25.08.2015 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) bei einer Pressekonferenz zur Landespolitik in NRW in der zweiten Jahreshälfte.
    Armin Laschet, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion (picture alliance / dpa / Henning Kaiser)
    Laschet äußerte die Hoffnung, dass mit einem neuen Einwanderungsgesetz die Zahl der Asylanträge zurückgehen könnte. "Wer aus wirtschaftlicher Not Asyl beantragt, wird nicht bleiben können", betonte der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen CDU. Es existiere zwar seit rund zehn Jahren ein solches Einwanderungsgesetz und auch eine Liste von Berufen, in denen ein Mangel an Fachpersonal besteht. All dies müsste aber in einem neuen Gesetz klarer und transparenter geregelt werden, sagte Laschet.
    Mit Blick auf den vorübergehend gestoppten Zugverkehr mit Dänemark wegen des Flüchtlingsandrangs betonte der CDU-Politiker: "Das ist ein völlig neues Phänomen, dass man Menschen aus Deutschland nicht mehr ausreisen lässt." Das zeige, dass es dringend eine europäische Lösung brauche. Derzeit glaube jeder Nationalstaat, dass er das Problem von sich aus lösen könne.

    Das komplette Interview:
    Jasper Barenberg: Vor nationalen Alleingängen hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gestern gewarnt. Ein paar Stunden später aber entschied die Regierung in Kopenhagen, den Zugverkehr zwischen Deutschland und Dänemark zu stoppen, weil immer mehr Flüchtlinge ankommen, die eigentlich auf dem Weg nach Schweden sind, dorthin wollen, daran aber von der Polizei in Dänemark gehindert wurden.
    Nach letzten Meldungen soll der grenzüberschreitende Zugverkehr mit Dänemark im Laufe des Tages wieder aufgenommen werden. Am Telefon ist der CDU-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen, Armin Laschet.
    Armin Laschet: Guten Morgen.
    Barenberg: Wir haben ja gerade über die Situation an der deutsch-dänischen Grenze erfahren. Hunderte Flüchtlinge sitzen dort jetzt im Grenzgebiet fest. Ist das für Sie in Ihren Augen auch ein Zeichen dafür, wie viel Überforderung noch in dieser ganzen Situation steckt?
    Laschet: Ja. Ich denke, das ist ja nun ein völlig neues Phänomen, was wir da an der dänischen Grenze sehen, dass man nämlich Menschen aus Deutschland nicht ausreisen lässt in ein anderes Land, obwohl sie eigentlich nur auf der Durchreise sind, und das zeigt, dass wir dringend eine europäische Lösung brauchen. Da hat Jean-Claude Juncker gestern völlig recht gehabt. Das ist nicht ein Versagen Europas, sondern jeder Nationalstaat glaubt, er könne das Problem für sich lösen, und hat deshalb die Kompetenz für eine europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik gar nicht erst nach Europa gegeben, und was das bedeutet, das merken wir jetzt. Wenn Ungarn, wenn Dänemark, wenn auch Italien und Frankreich, jeder seine eigene Politik erfindet in einem Europa offener Grenzen, dann muss es zu solchen Konflikten kommen, und deshalb brauchen wir recht bald europäische Lösungen, die auch einem europäischen Solidargedanken entsprechen.
    Barenberg: Danach sieht es ja gar nicht aus im Moment. Wir kennen alle die Bedenken, die Kritik, die Ablehnung beispielsweise einer verbindlichen Quote, einer gerechteren Verteilung im Osten Europas, aber auch in Ländern wie Großbritannien. Im Moment sieht es ja eher danach aus, als würde sich Deutschland darauf einstellen müssen, zunächst einmal und auf unabsehbare Zeit die Hauptlast zu tragen. Läuft es darauf hinaus, trotz der Appelle von Jean-Claude Juncker?
    Laschet: Ja, das sind in der Tat Appelle, und wenn nichts substanziell verändert wird, dann sind wir in einem Zeitalter vor den offenen Grenzen und jeder Nationalstaat versucht, für sich Lösungen zu finden, und da finde ich, angesichts der Dramatik dessen, wo die Menschen herkommen, die deutsche Haltung, auch die Haltung der deutschen Bundeskanzlerin die richtige zu sagen, wir geben denen, die schutzbedürftig sind, Asyl und werden auch diese große nationale Kraftanstrengung zusammen schaffen.
    Barenberg: Kommen wir zu den Herausforderungen hierzulande im Einzelnen. Innenminister Thomas de Maizière hat sich ja sicher gezeigt, dass die Länder gutheißen würden, was der Bund da so anbietet, um die Länder bei der Betreuung der vielen Flüchtlinge zu unterstützen. Wir haben gestern gehört von der geharnischten Kritik der Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, von Hannelore Kraft, die ja den Vorwurf erhebt, dass der Bund die Länder finanziell im Grunde im Regen stehen lässt. Hat sie da recht?
    Laschet: Als erstes war das ja nicht nur ein Beschluss von Thomas de Maizière, sondern der gesamten Großen Koalition, des SPD-Parteichefs Sigmar Gabriel, auch der CSU. Man hat sich geeinigt auf ein riesiges Milliarden-Paket und es wirkt schon etwas befremdlich, dass noch nicht einmal 24 Stunden vergehen und Frau Kraft dann gleich wieder ruft, ich brauche noch mehr Geld vom Bund. Der Gipfel findet ja Ende des Monats statt. Man kann über Geld immer sprechen. Aber ich finde, die Verantwortung der Länder besteht auch darin, nicht nur jeden Tag zu sagen, was man alles noch vom Bund will, sondern bei sich auch mal die Hausaufgaben machen, denn das Paket war ja ein größerer Rahmen. Das Paket sah ja auch vor, dass man beispielsweise die 40 Prozent der Menschen aus den Demokratien des Balkans in schnelleren Verfahren in Erstaufnahmeeinrichtungen prüft, schnelle Verfahren macht, genug Juristen und Verwaltungsrichter da hat und dann zurückführt. Das ist ja ein Teil der Lösung des Konflikts.
    "Es ist eine Gesamtaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen"
    Barenberg: Da kommen wir auch gleich drauf. Ich wollte noch kurz beim Geld bleiben, weil Hannelore Kraft ja eine ziemlich einfache Rechnung aufmacht. Sie sagt, von diesen imposant klingenden drei Milliarden Euro, die die Länder bekommen sollen, bekommt Nordrhein-Westfalen 600 Millionen. Das Land gibt aber derzeit schon 1,7 Milliarden aus zur Betreuung von Flüchtlingen. Und auch andere Ministerpräsidenten haben ja klipp und klar gesagt, dass die Zusagen des Bundes, der Großen Koalition gerade einmal ein Viertel der Kosten decken. Ist es nicht auch die Pflicht der Ministerpräsidentin, realistisch zu sein und klipp und klar zu sagen, welche Lasten da zukommen auf ein Land wie Nordrhein-Westfalen?
    Laschet: Erstens gibt sie nicht 1,7 Milliarden aus, sondern die Lage ist in jedem Bundesland unterschiedlich. Bayern erstattet für jeden Flüchtling, den die Kommunen betreuen, 100 Prozent der Kosten. Das gleiche macht Mecklenburg-Vorpommern, das gleiche macht das Saarland. Frau Kraft gibt ihren Kommunen nur 30 Prozent der Kosten. Das heißt, auf den Kosten sitzen zunächst zu 70 Prozent die ohnehin schon sehr belasteten Kommunen in Nordrhein-Westfalen, während überall in anderen Orten Deutschlands eine viel höhere Erstattung da ist. Da muss man sagen, angesichts sprudelnder Steuereinnahmen muss natürlich auch das Land mehr tun. Aber es ist eine Gesamtaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. Und jetzt hat der Bund einen großen Schritt gemacht. Man wird noch über die Größenordnung beim Gipfel am 24. September sprechen können. Was mich nur ärgert ist, dass in der föderalen Zuständigkeit immer dann, wenn Aufgaben auch auf die Länder zukommen, bei jedem Thema immer nur gesagt wird, der Bund muss das bezahlen. Wenn man so weiter argumentiert, können wir bald die Länder auflösen, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, Kernaufgaben zu übernehmen.
    Barenberg: Nun ist das, was die Koalition anbietet, ja zunächst mal vorgesehen für das kommende Jahr, für 2016. Nun sagt schon Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, Mitglied der CDU, es brauche so etwas wie eine dauerhafte Unterstützung, und andere ergänzen, sie muss sich auch an den konkreten Zahlen orientieren. Es muss eine Art festen Schlüssel geben, dass man jeweils guckt, wie viele Flüchtlinge sind da und wie viel Geld bekommt das Land zur Betreuung und zur Integration. Sind Sie für diesen Vorschlag?
    Laschet: Ja. Ich finde vor allem, dass man nicht nur übers Geld sprechen muss, denn man muss auch selbst dann einen Beitrag dazu leisten, wie denn die Zahlen in geordneteren Verfahren zwischen Asyl und Einwanderung in Zukunft geregelt werden. Aber der Vorschlag von Volker Bouffier hat zumindest eine eigene Logik in sich, dass er sagt, wir müssen das fortschreiben und wir brauchen eine Systematik, wie wir auch steigenden Flüchtlingszahlen gerecht werden. Das ist etwas anders als nur zu sagen, der Bund muss mehr Geld geben. Aber das ist ja exakt das Thema des Gipfels am 24. September, auch über solche Fragen zu sprechen.
    "Asyl und Einwanderung sauber trennen"
    Barenberg: Dann lassen Sie uns über noch anderes sprechen als über Geld, beispielsweise über den hohen Stapel an Asylanträgen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Da sagt ja auch Hannelore Kraft, im Grunde ist das Bundesamt offenbar überfordert mit der schnellen Bearbeitung dieser Anträge. Hat sie da recht?
    Laschet: Das Bundesamt braucht mehr Mitarbeiter. Das ist aber eine Erkenntnis, die wir schon alle lange haben. Das ist nun keine neue Erkenntnis. Aber die Frage ist, wie organisiert man in den Ländern die Verfahren, und ich plädiere seit Langem dafür, Asyl und Einwanderung sauber zu trennen. Wir haben Menschen, die aus den Demokratien des Balkans kommen, aus Albanien und aus Serbien, wo es Rechtsstaatlichkeit gibt, wo es keine politische Verfolgung gibt. Das sind 40 Prozent aller, die im Moment Asyl beantragen. Und da ist es klug zu sagen, wir haben Erstaufnahmeeinrichtungen, da finden schnelle Verfahren statt, und dann findet gar nicht erst bei Ablehnung eine Überweisung in die Kommunen statt, sondern eine Rückführung in das Heimatland. Das hat Nordrhein-Westfalen bisher verweigert, Bayern hat damit begonnen. Gestern hat nun der WDR herausbekommen, auch Nordrhein-Westfalen wird so etwas machen. Ich finde, dass diese Systematik in der Form, wie man es macht, die Zahl auch derer, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bearbeitet werden, deutlich reduzieren würde. Und dann brauchen wir daneben ein Einwanderungsgesetz, was klar regelt, wer bestimmte Qualifikationen hat. Der kann auch zur Arbeitsmigration nach Deutschland kommen. Der muss nicht durch die Asylverfahren gehen. Auch das würde die Zahl herunterbringen.
    Barenberg: Wir kennen Sie als Befürworter eines Einwanderungsgesetzes, als jemand, der dafür in der CDU, in der Union wirbt, wo es viele Widerstände noch dagegen gibt. Aber passt das denn zusammen mit der Aussage der Bundeskanzlerin gestern, von Angela Merkel, als sie sagte, wer aus wirtschaftlicher Not kommt, der wird hier nicht bleiben können?
    Laschet: Ja. Wer aus wirtschaftlicher Not Asyl beantragt, wird hier nicht bleiben können.
    "Wir haben ein Einwanderungsgesetz"
    Barenberg: Sie sagte "kommt", weil Sie ja nun dafür plädieren, dass man diesen Menschen einen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt schafft, auch mit dem Argument, dass wir Fachkräfte brauchen.
    Laschet: Ja, aber nicht mit dem Asylverfahren. Das weiß auch die Bundeskanzlerin. Das ist ja übrigens geltendes Recht. Manche, die diskutieren, wenn ich das höre, Herr Oppermann oder andere, die sagen, wir bräuchten mal ein Einwanderungsgesetz; wir haben ein Einwanderungsgesetz, das heißt Gesetz zur Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung aus 2005. Wir haben bei Frau Nahles im Arbeitsministerium 72 Mängelberufe, die benannt sind, zu denen man einwandern kann. Wir haben ein Aufenthaltsgesetz. Ich plädiere nur dafür, dass man das in einem klareren, transparenteren Gesetz neu fasst. So ist heute schon Einwanderung möglich und die Große Koalition hat am letzten Sonntag sogar beschlossen, dass man für die Menschen vom Balkan in besonderen Fällen ebenfalls, wenn sie einen Arbeitsplatz haben, die Einwanderung ermöglicht. Also auch da ist Bewegung drin und insofern hat sich die Aussage der Bundeskanzlerin bezogen auf die Asylverfahren. Wer Asyl beantragt nur aus dem Grund der Aufnahme von Arbeit in Deutschland oder der Armutseinwanderung aus einer Demokratie, der wird auf Dauer nicht bleiben können.
    Barenberg: ... sagt Armin Laschet, der CDU-Vize und NRW-Landesvorsitzende. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Laschet: Bitte schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.