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Flüchtlingsboote
Italien droht mit Hafen-Verbot

Immer noch kommen viele Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Italien. Rom fühlt sich von Europa in der Flüchtlingsfrage allein gelassen – und erwägt, Häfen für ausländische Seenotrettungsschiffe mit Migranten an Bord zu schließen. Die EU-Kommission hat finanzielle Hilfe zugesagt.

Von Karin Bensch | 30.06.2017
    Rettungsaktion von der Hilfsorganisation Sea-Watch, Location: 22 Meilen von Sabrata Donnerstag 06.04.2017, Mittelmeer Rescue operation from the Relief Organization Sea Watch Location 22 Miles from Sabrata Thursday 06 04 2017 Mediterranean
    Rettungsaktion der Hilfsorganisation Sea Watch auf dem Mittelmeer. (Imago | Rene Traut )
    Langsam, einer nach dem anderen, klettern sie vom schwankenden Schlauchboot auf das Seenotrettungsschiff. 74 Afrikaner mit orangefarbenen Rettungswesten. Gestartet sind wir in der Nacht von Libyen aus, acht Stunden waren wir unterwegs, erzählt ein erschöpfter junger Mann.
    Das Schiff der Hilfsorganisation "SOS Méditerrannée" hat die Menschen 20 Seemeilen vor der italienischen Küste eingesammelt. Die Flüchtlingsfrage wird in Europa nicht richtig wahrgenommen, sagte Seenotretter Klaus Vogel der ARD.
    "Dass wir hier sind, ist auch der Versuch, darauf aufmerksam zu machen, wie viele Menschen sich hier ständig in Gefahr begeben."
    Derzeit 12.500 Migranten auf dem Weg nach Italien
    Die italienische Regierung dagegen hat genug. Die ehrenamtlichen Retter bringen immer neue Flüchtlinge vor allem auf die Inseln Lampedusa und Sizilien. Derzeit sollen 22 Rettungsschiffe, mit rund 12.500 Migranten an Bord, auf dem Weg nach Italien sein. Dort bleiben die Menschen dann häufig erst einmal in völlig überfüllten Flüchtlingslagern, weil das europäische Umverteilungsprogramm nicht funktioniert. Weil zu wenige EU-Länder den Italienern Flüchtlinge abnehmen.
    "Es ist eine Bankrotterklärung für die EU-Mitgliedsstaaten, dass sich Italien zu der Drohung genötigt sieht, seine Häfen für Geflüchtete zu schließen", kritisiert der SPD-Europapolitiker Arne Lietz. Wir verstehen die Sorge der Italiener und unterstützen ihren Hilferuf, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission beschwichtigend.
    Fehlende Solidarität in Europa
    Aber jede Änderung müsse zunächst mit den anderen EU-Ländern besprochen werden. Und auch mit den Hilfsorganisationen, die diese Schiffe betreiben. Sollte Italien seine Drohung wahr machen, wo sollen die Rettungsschiffe der Hilfsorganisationen dann anlegen? Auf Malta oder Kreta? In Südfrankreich oder Spanien? Es ist eine skurrile Entwicklung, dass Italien nun über die Nichtregierungsorganisationen den Hebel ansetzt, um Druck auf andere EU-Länder zu machen, findet der SPD-Politiker Arne Lietz:
    "Von europäischer Solidarität sieht man in der Flüchtlingsfrage leider sehr wenig."
    Darf die italienische Regierung ausländischen Seenotrettungsschiffen mit Migranten an Bord überhaupt die Einfahrt in die Häfen verbieten? Für europäische Missionen mit einem offiziellen Mandat gelten besondere Anlandungsregeln. Alles darüber hinaus wird von internationalem Recht abgedeckt, genauer gesagt vom Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, sagt die Kommissionssprecherin.
    Über Geld entscheiden EU-Innenminister nächste Woche
    Die EU-Kommission sei bereit, der italienischen Regierung in der Flüchtlingskrise mehr Geld zu geben. Genaue Summen wurden noch nicht genannt. Darüber sollen die europäischen Innenminister nächste Woche bei ihrem Treffen in der estnischen Hauptstadt Tallinn entscheiden. Die Seenotrettung durch Hilfsorganisationen ist ein wichtiger Beitrag, Menschenleben zu retten, meint der SPD-Europaabgeordnete Arne Lietz und fordert:
    "Die EU und Italien sollten solche privaten Initiativen zur Seenotrettung unterstützen anstatt sie zu behindern."