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Flüchtlingsdebatte in Strassburg
Europäisches Parlament tief gespalten

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die Reaktion der EU-Regierungen auf die Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer als unzureichend kritisiert. Eine verbindliche Aufnahmequote für Flüchtlinge in ganz Europa sei notwendig. Doch gerade bei der Antwort auf die Frage nach legalen Einwanderungsmöglichkeiten ist das Parlament tief gespalten.

Von Jörg Münchenberg | 29.04.2015
    Aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge kommen an Bord eines italienischen Marineschiffes in Salerno an.
    Aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge kommen an Bord eines italienischen Marineschiffes in Salerno an. (picture alliance / dpa / Ciro Fusco)
    In einem Punkt wird das Europäische Parlament heute weitgehend geschlossen auftreten. Europa brauche ein neues Quotensystem zur Verteilung der Flüchtlinge, heißt es in einer gemeinsamen Resolution, die immerhin von sechs Fraktionen im Hause mitgetragen wird.
    Kehrtwende bei den Christdemokraten
    Bemerkenswert ist dabei die Neupositionierung der Europäischen Christdemokraten, die bislang einer Quotenregelung kritisch gegenüber gestanden ist. Doch angesichts der dramatischen Ereignisse im Mittelmeer - zuletzt mit 900 Toten - und den überdurchschnittlich vielen Flüchtlingen in den letzten Wochen folgt jetzt die Kehrtwende. Fraktionschef Manfred Weber:
    "Wir brauchen eine Ergänzung der heutigen Asylgesetzgebungen. Die Antwort, die wir geben müssen, ist die Gerechtigkeitsfrage in der Europäischen Union, sprich die Lastenverteilung. Es kann nicht richtig sein, dass fünf Staaten in der Europäischen Union 75 Prozent aller Flüchtlinge aufnehmen müssen und auch die Last, die Herausforderung, die damit verbunden ist tragen müssen."
    Damit stellt sich das Europäische Parlament aber auch hinter Forderungen der Bundesregierung, aber auch aus Österreich sowie den südeuropäischen Mitgliedsländern. Bislang gilt noch die sogenannte Dublin-Regelung - Schutzsuchende müssen demnach in dem Land einen Asylantrag stellen, indem sie zuerst europäischen Boden betreten haben.
    Gipfelergebnisse scharf kritisiert
    Doch mit ihrer Position konnte sich die Quotenbefürworter auf dem zurückliegenden Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs nicht durchsetzen - aber nicht nur deshalb werden die Gipfelergebnisse von vielen im Europäischen Parlament scharf kritisiert. Die Migrationsexpertin der Grünen, Ska Keller:
    "Es war schon mal ein gutes Zeichen, dass der Gipfel überhaupt stattgefunden hat. Aber, was die Staats- und Regierungschefs dann beschlossen haben, das war bei weitem nicht ausreichend. Sie haben beschlossen, dass die Frontex-Organisation Triton mehr Geld bekommen soll, aber Triton ist vor allem für den Grenzschutz da. Nun ist ja gut, je mehr Schiffe im Mittelmeerraum um so besser, aber das Einsatzgebiet von Triton wurde nicht ausgeweitet, das heißt, dass nach wie vor die Schiffe nur vor der italienischen Küste fahren und nicht bis zur lybischen Küste fahren, wo die Flüchtlinge aber gerade untergehen."
    Nicht nur bei Symptomen ansetzen
    Das Vorhaben, die Schleuserbanden verstärkt zu bekämpfen, wird zwar grundsätzlich als eine mögliche Maßnahme begrüßt. Doch letztlich, so die Flüchtlingsexpertin der SPD, Birgid Sippel, dürfe man nicht nur bei den Symptomen ansetzen.
    "Die Bekämpfung der Schmuggler ist natürlich so ein bisschen so die Frage, wer war zu erst, Huhn oder Ei? Gerade die kriminellen Strukturen unter den Schmugglern sind auch entstanden, weil die Zahl der Flüchtlinge steigt, aber auch weil unsere Abwehr immer größer wird. Der Weg wird immer gefährlicher, sodass der Fluchthelfer, der gute Absichten hegt, immer weniger an diesem Geschäft beteiligt ist, sondern eher kriminelle Banden."
    Gerade bei der Antwort auf die Frage nach legalen Einwanderungsmöglichkeiten ist auch das Parlament tief gespalten. Die Christdemokraten lehnen eine weitere Liberalisierung klar ab, während wiederum die Grüne Keller akuten Handlungsbedarf sieht:
    "Wir brauchen legale und sichere Zugangsmöglichkeiten zum Beispiel über ein stärkeres Resettlement. Indem wir also zum Beispiel syrische Flüchtlinge auslagern in den Libanon oder in die Türkei ausfliegen. Durch humanitäre Visa, die vergeben werden damit Flüchtlinge Asyl hier in der Europäischen Union beantragen können. Oder humanitäre Flüchtlingskorridore, oder, dass man dadurch, dass man für syrische Flüchtlinge, die Visa Pflicht ganz fallen lässt."
    Dennoch tut sich was in der europäischen Flüchtlingspolitik - die Unterstützung des Parlaments für einen neuen Verteilungsschlüssel bei der Aufnahme von Flüchtlingen dürfte auch in den Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission aufmerksam registriert werden.