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Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer
EU will Seenotrettung ausweiten

Die EU will angesichts der zahlreichen ertrunkenen Flüchtlinge deutlich mehr für die Seenotrettung tun. Bundesinnenminister Thomas de Maizière versprach Italien schon jetzt mehr europäische Unterstützung bei der Erstaufnahme.

Von Annette Riedel | 21.04.2015
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Bundesinnenminister Thomas de Maizière beim Treffen der EU-Außen- und Innenminister in Luxemburg am 20. April 2015.
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Bundesinnenminister Thomas de Maizière diskutieren in Luxemburg über Maßnahmen zur Flüchtlingsrettung. (imago / ZUMA Press)
    Unter dem Eindruck der Flüchtlingsdramen hat die EU-Kommission in Luxemburg den Außen- und Innenministern einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, mit dessen Hilfe Europa der Not der Flüchtenden kurz, mittel- und längerfristig begegnen will. Der Plan fand die Zustimmung der gemeinsamen Runde der Minister des Inneren und Äußeren, die auf Initiative der EU-Außenbeauftragten Mogherini erstmals in dieser Formation zusammengekommen war.
    Ein Sondergipfel am kommenden Donnerstag in Brüssel soll nun die entsprechenden Vorschläge beschließen. Der wohl greifbarste Punkt: Die EU will deutlich mehr für die Seenotrettung tun. Die Triton-Mission der europäischen Agentur zur Koordination der EU-Außengrenzen-Kontrolle Frontex im Mittelmeer verfügt aktuell nur über ein begrenztes Mandat, begrenzte Reichweite und vor allem über begrenzte Mittel. Die jetzt verdoppelt werden sollen, bestätigte Bundesinnenminister de Maiziere. "In dem 10-Punkte-Plan heißt Verdopplung doppelte Anzahl von Finanzmitteln und doppelte Anzahl der Schiffe."
    Koordinierte Aktion gegen Schlepper
    Italien hatte im Rahmen seiner Seenotrettungs-Aktion 'Mare Nostrum', nach der Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa Oktober 2013, im letzten Jahr über 100.000 Schiffbrüchige aus dem Mittelmeer gerettet. Die Weiterführung von 'Mare Nostrum' scheiterte im vergangenen Herbst an der mehrheitlichen Weigerung der übrigen EU-Länder, sich daran finanziell zu beteiligen.
    Bundesinnenminister de Maiziere hat seine kritische Haltung zu einer groß angelegten Seenotrettung der EU im Mittelmeer jetzt aufgegeben. Allerdings gab de Maiziere zu bedenken: "Wenn man nur Seenotrettung organisiert, dann werden die Kriminellen noch mehr Menschen auf solche gefährlichen Boote schicken. Deshalb muss es Hand in Hand gehen mit einer koordinierten Aktion gegen diese Schlepper."
    Lernen aus Anti-Piraten-Mission: Schleuser-Boote zerstören
    Skrupellosen Schleppern, die aus der Verzweiflung der Menschen Kapital schlagen, das Handwerk zu legen, gehört zu den Problemen, für die es keine kurzfristigen Lösungen gibt. Aber entsprechende Ansätze finden sich ebenfalls im 10-Punkte-Plan. "Das ist eine Frage von Europol und Interpol und der Polizeizusammenarbeit. Die Kommission hat aber auch vorgeschlagen, ob nicht aus der Erfahrung der Atalanta-Mission im Kampf gegen die Piraten vor der Küste Somalias Schlussfolgerungen gezogen werden können, auch für diesen Kampf." Was auch bedeuten kann, dass Schleuser-Boote zerstört werden können, um ihre erneute Verwendung zu verhindern.
    Ferner will die EU sowohl ihre Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern wie mit den Transitländern ausbauen. In Libyen etwa, zerfallender Staat in einer Bürgerkriegs-Situation, können sich die Schlepperbanden zurzeit aufgrund der dortigen chaotischen Lage nahezu unbehelligt tummeln. Bundesaußenminister Steinmeier: "Deshalb kommt es darauf an, dass es uns gelingt, Libyen zu stabilisieren und die Bemühungen um die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit dort fortzusetzen."
    De Maizière verspricht mehr europäische Unterstützung
    Teil der von den EU-Außen- und Innenminister diskutierten Pläne für Veränderungen in der Migrationspolitik ist auch eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge. Und eine solidarischere Lastenteilung bei der Erst-Aufnahme und Betreuung. Namentlich Italien drängt schon länger darauf, mehr europäische Unterstützung zu bekommen. Der deutsche Innenminister sagte sie jetzt für Deutschland schon mal zu. "Wenn Erstaufnahme-Länder, also Italien und Griechenland, dafür Hilfe brauchen, habe ich sie heute für die Bundesrepublik Deutschland angeboten."
    Die Kritik an der EU, vor allem aus der Zivilgesellschaft, dass es anscheinend erst eines schrecklichen Dramas im Mittelmeer bedurfte, vom Reden über die europäische Dimension zum gemeinsamen Handeln in der Flüchtlingspolitik zu kommen, teilte Federica Mogherini selbstkritisch. Und verband damit eine Hoffnung: "Dramatische Schocks beschleunigen die Dinge manchmal - ich hoffe, irreversibel."