Neben einer Unterstützung von sieben Milliarden Euro sagte der Bund für drei Jahre die komplette Übernahme der Kosten für die Unterkunft anerkannter Flüchtlinge zu. Diese 2,6 Milliarden entlasteten unmittelbar die Kommunen, betonte Landsberg im Interview mit dem Deutschlandfunk. Die schnelle Einigung zwischen Bund und Ländern bezeichnete er als "ein sehr positives Signal". Besonders wichtig sei, dass noch in diesem Jahr Geld fließe.
Bund und Länder hatten sich gestern nach monatelangem Ringen bei einem Spitzengespräch im Kanzleramt über die Aufteilung der Milliardenkosten für die Integration von Flüchtlingen geeinigt. Demnach erhalten die Länder drei Jahre lang bis 2018 jeweils zwei Milliarden Euro mehr. Zusätzlich werde es für den Wohnungsbau in den Jahren 2017 und 2018 jeweils 500 Millionen Euro geben.
Bereits zugesagt hatte der Bund die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung, die bislang teilweise noch von den Kommunen getragen werden. Bis Ende 2018 sind das insgesamt 2,6 Milliarden Euro.
Das Interview in voller Länge:
Doris Simon: Sieben Milliarden Euro mehr für drei Jahre, auf diese Summe haben sich Bund und Länder jetzt geeinigt. Damit beteiligt sich der Bund über bisherige Zusagen hinaus an den Kosten zur Integration von Flüchtlingen. Das heißt im Detail: Zwei Milliarden Euro Integrationspauschale erhalten die Länder dieses und die nächsten zwei Jahre obendrauf. 2017 und 2018 gibt es zusätzlich noch mal je 500 Millionen Euro für den Wohnungsbau.
Das alles liegt unter den Forderungen der Länder, aber die haben jetzt die Zusage, dass sich der Bund auch über 2018 hinaus an den Kosten der Integration der Flüchtlinge beteiligt.
Über das Ergebnis möchte ich jetzt mit Gerd Landsberg sprechen, dem Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Guten Morgen!
Gerd Landsberg: Guten Morgen, Frau Simon.
Simon: Herr Landsberg, Bayerns Ministerpräsident Seehofer hat gestern von einem sensationellen Ergebnis gesprochen. Bremens Bürgermeister hat eher Zuflucht gesucht bei der Tierwelt. Man habe den Spatz genommen, weil die Taube nicht verfügbar war. Spatz oder Taube, was meinen Sie?
Landsberg: Ich denke, das geht schon mehr in Richtung Taube. Für uns ist eigentlich entscheidend, dass es überhaupt diese Einigung gegeben hat, dass sie so schnell kommt, und sie sagt ja auch etwas über die politische Verantwortung, nämlich dass Bund und Länder sagen, jawohl, wir sind für die Finanzierung der Integration verantwortlich und wir versuchen, da einen gemeinsamen Weg zu gehen. Ich halte das schon für ein sehr positives Signal.
"Wir schaffen das nur gemeinsam und niemals gegeneinander"
Simon: Die zwei Milliarden Pauschale für die Integration für jedes Jahr kann ja von den Ländern frei verwendet werden. Städte und Gemeinden, Ihre Kunden sind ja sozusagen am Ende der Nahrungskette. Wird da genug auch bei Ihnen ankommen vom Geld?
Landsberg: Das hoffen wir natürlich. Das ist ja ein altes Problem. Immer wenn der Bund den Ländern Geld gibt, denn die Verfassung sagt, eine unmittelbare Finanzbeziehung zwischen Bund und Kommunen gibt es nicht, haben wir natürlich das Problem, dass wir in den Ländern dafür kämpfen müssen. Andererseits: Wir haben starke kommunale Spitzenverbände auch in den Ländern. Die werden da schon den Finger in die Wunde legen und verhindern, dass das Geld in den Landeshaushalten versickert.
Man muss auch fairerweise anerkennen, dass die Länder natürlich das Problem der Integration kennen. Jeder Ministerpräsident weiß, wenn die Integration scheitert, kostet das noch sehr, sehr viel mehr Geld. Insofern bin ich da eigentlich ganz optimistisch. Bund, Länder und Kommunen, wir reden alle drei, vier Monate mit der Kanzlerin. Wir wissen, wir schaffen das nur gemeinsam und niemals gegeneinander.
Simon: Viele Kosten, die kommen ja jetzt erst noch. Es kamen am Anfang Kosten, aber jetzt kommen ja doch noch viele, nämlich wenn das Gros der Flüchtlinge einen Aufenthaltsstatus hat. Reichen da diese zusätzlichen Mittel des Bundes, um diese Kosten auch wirklich aufzufangen?
Landsberg: Ich glaube, dass sie zunächst reichen. Der Bund finanziert das ja nicht alleine. Die Länder müssen auch finanzieren. Und der Bund hat ja neben diesen sieben Milliarden, die gestern vereinbart wurden, auch gesagt und zugesagt, bis 2018 übernehmen wir komplett die Unterkunftskosten für erwerbslose anerkannte Asylbewerber. Das sind immerhin auch 2,6 Milliarden. Das entlastet unmittelbar die Kommunen, denn diesen Teil müssten sonst die Kommunen schultern. Und ich glaube, dass das eine gute Grundlage ist, wobei man natürlich fair sein muss.
Niemand weiß ganz genau, was kommt denn an zusätzlichen Flüchtlingen noch in den nächsten drei Jahren, sind das viele - im Moment sind es ja sehr wenige -, bleibt das, öffnet sich die Balkanroute wieder, wie entwickelt sich die Route über das Mittelmeer, wie entwickelt sich der Krieg in Syrien. Und deswegen ist es für uns auch ein gutes Ergebnis, dass man gesagt hat, okay, wir treffen diese Vereinbarung bis 2018, aber dann reden wir über eine Anschlussfinanzierung, und wie die aussieht hängt natürlich von der Entwicklung ab.
Simon: Da gehen Sie von aus, dass da noch mal bald nachverhandelt werden muss?
Landsberg: Da bin ich ganz sicher, dass wir Mitte 2018 wieder am Tisch sitzen. Dann wissen wir auch, das ist ja auch im Moment noch offen, wie viele von den anerkannten Asylbewerbern schaffen es tatsächlich auf den ersten Arbeitsmarkt, oder finden überhaupt eine Beschäftigung.
Sie wissen, am Anfang war ja die Wirtschaft sehr euphorisch und hat gesagt, es gibt Bedarf an Facharbeitern. Im Moment sind sie etwas zurückhaltend. Wenn ich lese, dass alle DAX-Unternehmen in Deutschland zusammen bisher mal gerade 54 Flüchtlinge fest angestellt haben, liegt da noch ein weites Stück Arbeit vor uns.
"Extragelder des Bundes müssen bei den Kommunen ankommen"
Simon: Die Städte und Gemeinden in Deutschland, die werden ja nicht von den Bundesländern gleich behandelt. Das eine Land hat bisher Geld, was es vom Bund bekommen hat, stärker weitergegeben als die anderen. Ändert sich das nun?
Landsberg: Das wird sich, befürchte ich, nicht so ganz ändern. Das liegt natürlich auch an der Finanzlage der Länder. Da muss man mal Bayern loben. Bayern ist das Land, was seine Kommunen am allerbesten ausstattet, aber fairerweise auch am besten ausstatten kann, weil die Finanzsituation des Landes eine andere ist als in Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Trotzdem muss natürlich unser Ziel sein, dass jedenfalls diese Extragelder des Bundes dann auch bei den Kommunen ankommen, damit wir die Leistungen, die wir ja gerne erbringen wollen, auch dauerhaft finanzieren können.
Simon: Es heißt, es muss Ihr Ziel sein. Das heißt aber, Sie gehen nicht davon aus, dass Sie es schaffen?
Landsberg: Ich bin Optimist. Wir werden das schaffen. Das ist ja auch eine Aufgabe, das in den Medien deutlich zu machen. Wenn ein Land sagt, von der halben Milliarde, die das Land bekommt, geben wir aber nur, um ein Beispiel zu nennen, 400 Millionen an die Kommunen weiter, da muss man dann entsprechend auch politisch agieren, und da haben wir durchaus Erfahrung.
"Wichtig ist, dass dieses Jahr noch Geld fließt"
Simon: Bei welchen Ländern hätten Sie es denn gerne, dass die ein bisschen mehr weitergeben?
Landsberg: Das gilt sicherlich für Nordrhein-Westfalen, das gilt sicherlich für Rheinland-Pfalz, es gilt auch für die Länder im Osten. Sie können eigentlich immer sagen: Die Länder, denen es finanziell nicht so gut geht, die neigen natürlich dazu, es nicht voll weiterzugeben, es nicht sofort weiterzugeben.
Auch das ist übrigens ein wichtiger Punkt in der Vereinbarung. Wichtig ist, dass dieses Jahr noch Geld fließt. Das Bundesamt für Migration produziert ja jetzt Bescheide in einer Geschwindigkeit, die vorher nicht denkbar war. Allein im ersten Vierteljahr hat es 153.000 Bescheide gegeben. Das heißt, die Leute müssen jetzt untergebracht werden, es muss gebaut werden, sie brauchen Sprachkurse, wir brauchen Kita-Plätze. Insofern finde ich es gut, dass noch dieses Jahr auch die ersten zwei Milliarden aus dem Paket fließen.
Simon: Herr Landsberg, lassen Sie uns noch mal bei dem Punkt bleiben, was die Länder weitergeben an die Kommunen. Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte oder Zahlen darüber, was das für einen Unterschied ausmacht, wenn ein Land, was es sich leisten kann, wie Bayern wirklich viel Geld weitergibt für die Integration, wie viel besser da Integration gelingen kann, als in Ländern, die ihre Städte und Kommunen wegen Geldknappheit klamm halten?
Landsberg: Nein, da haben wir natürlich noch keine Zahlen, weil der Prozess ja erst läuft. Wir können nur reagieren auf das Echo, was wir von den Bürgermeistern bekommen, und da ist natürlich die Zufriedenheit in Bayern deutlich größer. Wenn eine Stadt in Bayern eine Flüchtlingsunterkunft baut oder auch den sozialen Wohnungsbau voranbringt, dann können sie das teilweise direkt in eine Position aus dem Land buchen. Das ist in den anderen Ländern anders. Aber das wird sich zeigen.
In den nächsten Jahren wird sich natürlich auch zeigen, wer hat es wie geschafft, erfolgreich Integration zu gestalten, und das hat dann wieder einen wirtschaftlichen Effekt. Bringen sie die Leute auch dann schnell in Arbeit, das ist ja unser Ziel, dann wird es dem Land auch wieder besser gehen als anderen, und das muss man auch den Ländern klar machen, die finanziell nicht so gut dastehen.
Simon: ... sagt Gerd Landsberg, der Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, nach der Einigung zwischen Bund und Ländern über die Aufteilung der Kosten für die Integration von Flüchtlingen. Herr Landsberg, vielen Dank für das Gespräch.
Landsberg: Bitte schön, Frau Simon. Auf Wiedersehen!
Simon: Auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.