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Flüchtlingskrise
Debatte über neues Asylverfahren in der Schweiz

In der Schweiz werden bis Ende 2015 rund 30.000 Asylanträge erwartet. Nun wird eine Neustrukturierung des Asylverfahrens diskutiert, denn das Verfahren soll beschleunigt werden und jeder Asylbewerber Anrecht auf einen Gratis-Anwalt bekommen.

Von Hans-Jürgen Maurus | 10.09.2015
    Hierzulande erwartet man bis Ende des Jahres rund 30.000 Anträge. Rund 55 Prozent der Antragsteller kommen aus Eritrea, Somalia und Sri Lanka. Erst gestern wurde im Parlament eine Revision des Asylgesetzes diskutiert, mit der eine Beschleunigung des Verfahrens erreicht werden soll. Mit einem Fast-Check-Verfahren soll sichergestellt werden, dass in maximal 140 Tagen ein rechtskräftiger Bescheid über Aufnahme oder Ablehnung eines Flüchtlings vorliegt. Zu diesem Zweck sollen alle Asylbewerber einen Anwalt gratis erhalten. Wirtschaftsflüchtlinge sollen aber nicht aufgenommen werden, so FDP-Parteichef Philipp Müller:
    "Man kann sagen, die Situation ist angespannt und vor allem im Tessin sehr schwierig, aber immer noch unter Kontrolle. Wirtschaftsflüchtlinge oder Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben, gerade für diese Menschen sind rasche Verfahren die richtige Antwort. So wird rasch klar, dass sie nicht bei uns bleiben können und sehr rasch wieder zurückreisen müssen. Und falsche Hoffnungen werden damit zurückgebunden."
    Flüchtlinge vom Westbalkan sollen in einem Turboverfahren innerhalb von 48 Stunden Bescheid wissen, was mit ihnen geschieht. Dies wird aktuell in einem Zürcher Pilotprojekt getestet, und Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga sieht erste Resultate:
    "Das sogenannte 48-Stunden-Verfahren hat dazu geführt, dass die Asylgesuche aus diesen Staaten massiv zurückgegangen sind. Und wir haben auch die Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten verstärkt. Dazu gehören auch die bestehenden Migrationspartnerschaften, die wir haben mit Nigeria, Tunesien, Serbien, Kosovo und Bosnien-Herzegowina. Auch diese zeigen beträchtliche Wirkung. Die Asylgesuche aus diesen Staaten sind innerhalb von drei Jahren erheblich gesunken."
    Das Thema krisensichere Herkunftsländer wird in der Schweiz nicht ausgespart, ganz im Gegenteil:
    "Wir haben in den vergangenen Jahren aber nicht nur an dieser Gesetzesvorlage gearbeitet, sondern parallel dazu überall dort, wo es ohne Gesetzesänderung möglich war, die Asylverfahren beschleunigt. Das war für jene Asylverfahren möglich, die offensichtlich unbegründet sind und bei denen die Asylsuchenden aus Staaten kamen, die als sicher einzustufen sind wie zum Beispiel die Staaten des Westbalkans wie Kosovo sowie Georgien."
    Doch die Neustrukturierung des Asylverfahrens stößt auf heftigen Widerstand, vor allem bei der SVP. Nationalrat Hans Fehr fordert ein Moratorium, um die Attraktivität der Schweiz als Zufluchtsland zu reduzieren, von der neuen Asylgesetzesvorlage hält er gar nichts:
    "Diese Neustrukturierung des Asylbereichs löst kein einziges der aktuellen und künftigen Probleme. Die Botschaft, die mit dieser Neustrukturierung nach Außen gesandt wird, die lautet, zum Beispiel in Eritrea: Kommt alle in die Schweiz, wir schaffen 6.000 oder mehr neue Plätze, jeder von euch bekommt einen Gratisanwalt und wenn ihr kommt, könnt ihr lange oder praktisch für immer bleiben und es wird für euch gesorgt."
    Den Gratisanwalt fordern aber vor allem die Schweizer Sozialdemokraten wie die Abgeordnete Sylvia Schenker:
    "Nur so ist ein faires Verfahren gewährleistet. Deshalb knüpft unsere Fraktion ihr "ja" zu dieser Vorlage an die Umsetzung dieser eigentlich selbstverständlichen Maßnahme."
    Am Juncker-Plan und einer Verteilung der Flüchtlinge nimmt die Schweiz noch nicht teil, weil das Thema erst im Bundesrat besprochen werden muss. Doch Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga hat signalisiert, dass Bern bei der mittelfristigen Planung durchaus mit im Boot sein könnte.
    Eine Schwachstelle hat aber auch das Schweizer Modell. Bei der Rückführung von Wirtschaftsflüchtlingen hapert es gewaltig, bei weniger als zehn Prozent der Fälle, die von Gerichten abschlägig beschieden werden, wird der Vollzug auch tatsächlich umgesetzt. Dann helfen aber auch beschleunigte Verfahren nichts.