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Flüchtlingstragödie in Österreich
Genaue Zahl der Toten weiter unklar

Eine Flüchtlingstragödie mitten in Europa: In einem Kühl-Lkw sind in Österreich mindestens 20 tote Menschen entdeckt worden. Das Fahrzeug stand in einer Pannenbucht an der Autobahn nahe der Grenze zu Ungarn. Neue Erkenntnisse werden für Freitag erwartet, bis dahin sollen die Toten geborgen werden. Die Täter sind auf der Flucht.

    Die Schlepper nutzen für den Transit häufig Lkws
    Die Leichen wurden in einem Lkw an der A4 bei Neusiedl am See gefunden. (picture alliance / EPA / Herbert P. Oczeret)
    Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil sagte, die Polizei im Burgenland sei am Donnerstagvormittag von der Autobahninspektion auf den Lkw aufmerksam gemacht worden. Das Fahrzeug habe seit Mittwoch in einer Pannenbucht im Autobahnabschnitt bei Parndorf (Bezirk Neusiedl am See) gestanden. Als die Beamten die Tür zur Ladefläche öffneten, sei Verwesungsflüssigkeit ausgetreten. Nach einem Blick in den Lkw hätten die Polizisten das Fahrzeug wieder verschlossen. Deshalb könne über die genaue Zahl der Toten noch keine Angaben gemacht werden. Es könnten zwischen 20 und 50 Leichen sein, sagte Doskozil. Man gehe davon aus, dass es sich um Flüchtlinge handele.
    Die Todesursache sei noch unklar. Nach einer ersten Einschätzung seien die Menschen seit etwa zwei Tagen tot. Er kündigte an, dass der Lkw am Abend in eine Veterinärdienststelle mit Kühlmöglichkeit geöffnet und dann mit der Bergung der Leichen begonnen werde. Der Landespolizeidirektor sagte, das solle bis Freitagvormittag abgeschlossen sein. Anschließend würden die Menschen zur Obduktion nach Wien überführt.
    Lkw südlich von Budapest losgefahren
    Für die weiteren Ermittlungen wurde ein Krisenstab eingerichtet. Die Täter sind den Angaben zufolge auf der Flucht. Es gebe erste Ansätze, dass dahinter möglicherweise eine slowakische Firmenkonstruktion stecke."Ich gehe davon aus, dass die Täter Österreich wieder verlassen haben", sagte Doskozil. Sicher sei bisher nur, dass sie am Mittwochmorgen mit dem Kühl-Lkw südlich von Budapest losgefahren seien und sich später dann unmittelbar vor dem ungarisch-österreichischen Grenzübergang befunden hätten. Das lasse sich aus Erkenntnissen des Maut-Systems und aus Angaben der ungarischen Behörden schließen. Dann sei das Fahrzeug dann in der Pannenbucht auf der A4 etwa 40 Kilometer südöstlich von Wien abgestellt worden.
    Der Kühl-Lkw an der A4 in Österreich, in dem die Leichen von mindestens 20 Flüchtlingen gefunden wurden.
    Der Kühl-Lkw an der A4 in Österreich, in dem die Leichen von mindestens 20 Flüchtlingen gefunden wurden. (AFP / Dieter Nagl)
    Der Lkw hat ein ungarisches Kennzeichen und ist mit dem Schriftzug eines slowakischen Geflügelzüchters gekennzeichnet. Landespolizeidirektor Doskozil sagte, dass derzeit die Eigentumsverhältnisse des Fahrzeugs untersucht würden. Er betonte, ein 7,5 Tonnen schwerer Kühl-Lkw sei kein typisches Schlepperfahrzeug. Die bevorzugten normalerweise Kleintransporter. Ungarns Regierungschef Viktor Orbán sagte die Unterstützung der Behörden seines Landes bei der Fahndung nach dem Schlepper zu.
    Innenministerin kündigt Vorgehen gegen Schlepper an
    Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach von einem schwarzen Tag. Sie kündigte ein entschiedenes Vorgehen gegen die Schlepperkriminalität an. "Diese Tragödie macht uns alle betroffen. Schlepper sind Kriminelle. Und wer jetzt noch immer meint, dass es sanftmütige Fluchthelfer sind, dem ist nicht zu helfen." Sie kündigte an, dass die Kontrollen an Zügen und im grenznahen Raum verstärkt würden. Sie betonte, die heutige Tragödie mache es um so dringlicher, bereits an den EU-Außengrenzen Aufnahmestellen für Flüchtlinge zu schaffen.
    In Wien fand zeitgleich die Westbalkan-Konferenz statt, bei der es auch um die Flüchtlingsrouten aus dem Balkan nach Westeuropa geht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Rande des Treffens: "Wir sind alle erschüttert von der entsetzlichen Nachricht." Die Tragödie sei eine Mahnung an Europa, die Migrationsprobleme schnell und im europäischen Geist der Solidarität anzugehen und Lösungen zu finden. Die EU sei verpflichtet, für Frieden in den Ländern einzutreten, wo Krieg herrsche, sagte Merkel.
    Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte, sie hoffe, dass der Vorfall die Mitgliedstaaten endlich dazu bewege, eine gemeinsame Antwort für den Umgang mit den wachsenden Flüchtlingszahlen zu beschließen. "Denn jeden Tag riskieren wir eine Tragödie, entweder auf See oder auf dem Land."
    (hba/dk)