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Flügelkämpfe bei der AfD
"Das Projekt ist in Gefahr"

Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Thüringer Landtag, Björn Höcke, hat seine Parteifreunde vor einem Kurs hin zum politischen Establishment gewarnt. Der Aufbruchgeist der AfD müsse erhalten bleiben, sagte er im DLF. Von einer Spaltung seiner Partei in zwei Flügel will er nichts wissen.

Björn Höcke im Gespräch mit Thielko Grieß | 24.03.2015
    Björn Höcke im Landtag von Thüringen.
    Björn Höcke ist Chef der Thüringer AfD. (imago/Jacob Schröter)
    Höcke zählt zum nationalkonservativen Flügel der Partei und ist einer der Initiatoren der "Erfurter Resolution", in der eine Anpassung der Alternative für Deutschland (AfD) an den "etablierten Politikbetrieb" beklagt wird. Der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke warnte unlängst davor, dass der Streit zwischen dem national-konservativen und dem eher wirtschaftsliberalen Flügel die Einheit der Partei gefährden könnte.
    Höcke sagte dagegen im Deutschlandfunk: "Ich sehe die Spaltung gar nicht." Die "Erfurter Resolution" möchte nicht spalten, sondern vereinen. Das Projekt sei in Gefahr. Die AfD sei auf einem Weg, der relativ schnell in den etablierten Bahnen der Parteien zu enden scheine. "Es geht um den Geist einer Erneuerung, der erhalten bleiben muss." Auf die großen Herausforderungen hätten die etablierten Parteien keine Antworten. Die AfD sei eine bürgerliche Protestbewegung.

    Das Interview in voller Länge:
    Thielko Grieß: Die CSU ist stolz auf ihre Hans-Seidel-Stiftung, die Sozialdemokraten analog auf ihre Friedrich-Ebert-Stiftung. Parteinahe Forschung und Förderung ist deren Programm. Die Alternative für Deutschland zieht nun nach und tut es den sonst von ihr kritisierten etablierten Parteien gleich, greift aber für ihre Stiftung zu einem deutlich älteren Namensgeber. Die AfD hat vor kurzem die Erasmus-Stiftung gegründet. Erasmus von Rotterdam ist Namensgeber. Der Philosoph und Theologe, der 1536 starb, ist nun posthum eine Art Parteimitglied geworden. Während dessen ringt die Partei im aktuellen Jahr 2015 um ihre politische Philosophie: der wirtschaftsliberale Flügel gegen den nationalkonservativen. Beide Seiten haben Resolutionen veröffentlicht, in denen sie sich gegenseitig angreifen.
    Jetzt begrüße ich am Telefon Björn Höcke, den Landeschef der Alternative für Deutschland in Thüringen, außerdem dort im Erfurter Landtag Fraktionsvorsitzender der AfD. Herr Höcke, guten Morgen!
    Björn Höcke: Schönen guten Morgen, Herr Grieß!
    Grieß: Was haben Sie eigentlich von einer Spaltung der AfD in diese zwei großen Flügel?
    Höcke: Ich sehe die Spaltung ja gar nicht, und jetzt haben sie natürlich einige Informationen geliefert, mit denen ich so nicht einverstanden sein kann.
    Grieß: Das habe ich schon fast geahnt.
    Höcke: Schon das Stigma des Rechtspopulisten passt mir natürlich überhaupt nicht. Aber um vielleicht noch mal vorne anzufangen: Die sogenannte Erfurter Resolution möchte tatsächlich nicht spalten. Sie möchte nicht spalten in einen liberalen und in einen konservativen oder nationalkonservativen Flügel, sondern sie möchte vereinen. Sie möchte zumindest unterscheiden zwischen den Menschen oder den Parteifreunden, die relativ schnell arrivieren wollen, sich schnell etablieren wollen, und denen, die die Alternative für Deutschland als grundsätzlich ausgerichtetes Parteiprojekt auf einem alternativen Weg halten wollen, und da ist es relativ egal, ob das Liberale oder Konservative sind. Darum geht es eigentlich gar nicht.
    "Wir wollen diesen Aufbruchsgeist erhalten"
    Grieß: Sie schreiben, Herr Höcke, das Projekt der AfD sei in Gefahr. Wer bringt die AfD in Gefahr?
    Höcke: Ja! Das Projekt ist deswegen in Gefahr, weil viele Menschen, die die AfD groß gemacht haben, die wirklich Tage, Wochen Arbeit investiert haben, um Wahlkampf zu machen in den verschiedenen Bundesländern, die sich wochenlang Urlaub genommen haben, die Tausende von Flyern verteilt haben, die deswegen in die Politik gegangen sind, nicht, weil sie irgendeine Karriere machen wollen, oder Funktionen oder Ämter anstreben, sondern weil sie Sorge haben um die Zukunft dieses Landes, diese Menschen drohen, enttäuscht zu werden, weil die AfD auf einem Weg ist, der doch relativ schnell in den Bahnen der etablierten Parteien zu enden scheint. Das wollen wir verhindern und wir wollen diesen Aufbruchsgeist, der wirklich davon ausgeht, dass wir grundlegende Reformen in diesem Land brauchen, erhalten. Das ist die Intention der Resolution, genau.
    "Geist des Technokratentums entfernen beziehungsweise fernhalten"
    Grieß: Ich habe in Ihrer Resolution, der Erfurter Resolution, übrigens nachzulesen unter www.derfluegel.de, ein neues Wort gelernt: Technokratentum. Wer ist denn der oberste Technokrat?
    Höcke: Nein, es gibt nicht den obersten Technokraten. Das ist auch so formuliert und von der Absicht her so formuliert, dass keine konkrete Person angegriffen wird. Es wird auch keine konkrete Institution angegriffen, sondern es geht wirklich darum, dass man den Geist des Technokratentums aus der Partei entfernt beziehungsweise fernhält.
    Politischer Aschermittwoch der Parteien - AfD - Parteigründer Bernd Lucke hält am 18.02.2015 beim Politischen Aschermittwoch in Osterhofen (Bayern) seine Rede.
    "Bernd Lucke soll sich nicht angesprochen fühlen", versichert Höcke. (picture alliance / dpa / David Ebener)
    Grieß: Bernd Lucke soll sich gar nicht angesprochen fühlen?
    Höcke: Nein, überhaupt nicht. Nein!
    Grieß: Ach so! Wer denn dann?
    Höcke: Wenn man das richtig liest, dann spürt man auch sofort, dass es hier nicht um Personen geht, sondern es geht, und ich möchte das noch mal betonen, um den Geist, um den Geist einer grundsätzlichen Erneuerung, der erhalten werden muss, der auch notwendig ist. Weil schauen wir doch mal auf die politische Lage, und die AfD ist sicherlich eine Partei, die mit den großen Themen entsprechend konfrontiert worden ist und die an den großen Themen auch gewachsen ist: Die volkswirtschaftliche Belastungsdynamik, die Banken-, Staatsschuld- und Währungskrise, die immer noch virulent ist und die mit voller Macht zurückschlagen wird, die steigende Einwanderungsdynamik - dieses Jahr werden 600.000 Asylsuchende nach Deutschland kommen -, die demographische Niedergangsdynamik, die unsere Sozialsysteme existenziell gefährdet. Auf diese großen Herausforderungen hat die etablierte Politik, haben die überkommenen Parteien augenscheinlich keine Antworten, und hier ist eine bürgerliche Kraft entstanden, die diese Themen auch wirklich entsprechend in die Diskussion, in die politische Diskussion einspeisen will.
    Grieß: Sie, Herr Höcke, sehen es schon kommen und es ist für Sie schon absehbar, dass all diese Themen im künftigen Parteiprogramm, das zur Zeit geschrieben wird, so nicht auftauchen?
    Höcke: Doch! Ich denke, dass das Parteiprogramm, das jetzt gerade begonnen worden ist, die ganze Bandbreite entsprechend abbilden muss der gesellschaftlichen Themen, der relevanten politischen Themen.
    "Die AfD ist eine bürgerliche Protestbewegung"
    Grieß: Muss!
    Höcke: Muss und wird es auch tun. Davon gehe ich aus. Es geht aber auch darum, diese Themen auch wirklich so zu markieren und so anzusprechen, wie sie angesprochen werden müssen aufgrund ihrer Dringlichkeit. Und die AfD ist insofern durchaus eine bürgerliche Protestbewegung, weil wir davon ausgehen, dass wir nur eine sachorientierte und auf die Zukunft gerichtete Politik machen können, wenn wirklich alle relevanten Probleme erörtert, offen erörtert und angesprochen werden können, jenseits von irgendwelchen politischen Tabus und Begriffsvorgaben.
    Grieß: Nun hat ja ein Teil Ihrer Fraktion der AfD in Thüringen diese Resolution unterschrieben und ein anderer Teil hat die Gegenresolution, die Deutschlandresolution unterschrieben. Und Sie sprechen davon, die Partei nicht spalten zu wollen?
    Höcke: Ja. Da muss man aber natürlich so ein bisschen die Interna in Thüringen kennen. Wie gesagt, es haben drei die Gegenresolution unterschrieben und acht haben die Erfurter Resolution unterschrieben. Und bei den drei Abgeordnetenkollegen, die die Gegenresolution unterschrieben haben, gibt es noch andere Befindlichkeiten im Hintergrund, die gar nichts mit der politischen Verortung, wie auch immer sie gesehen wird, zu tun haben, sondern die eher Geschichten aus der Vergangenheit zur Grundlage haben, die in so einer Partei, die immer noch im Aufbau ist und immer noch im Aufbruch ist, sicherlich auch normal sind.
    Grieß: Warum hat eigentlich Frauke Petry, die sächsische Landeschefin, Ihren Aufruf nicht unterschrieben? Denn ich vermute, Sie steht doch hinter Ihnen.
    Höcke: Ich gehe davon aus, dass der Geist der Resolution, der Erfurter Resolution auch ihr Geist ist, auch ihr politisches Wollen ist. Frauke Petry und ich sind im Gespräch darüber und ich werde sicherlich in Kürze Näheres darüber erfahren.
    Grieß: Weil Sie mal wieder mit ihr sprechen wollen?
    Höcke: Nein, warum es vielleicht jetzt noch nicht sofort zur Unterschrift von Frauke Petry unter die Resolution gekommen ist.
    Grieß: Ach so. Können Sie uns eine Ahnung geben, warum das so war?
    Höcke: Nein, das kann ich noch nicht.
    Grieß: Das ist schade. - Glauben Sie denn nicht, dass es reicht, dass Frauke Petry im Sommer dann antritt und gemeinsam mit Bernd Lucke die Partei führt und repräsentiert? Warum machen Sie so viel Wind?
    "Diskussion über die grundsätzliche Ausrichtung"
    Höcke: Ja! Die Dynamik, die letztlich durch diese Resolution und dann auch die folgende Deutschlandresolution, die ja nicht auf den großen Widerhall gestoßen ist wie unsere Erfurter Resolution, letztlich entstanden ist, gibt ja dann doch ein Zeichen dafür, dass die Partei die Diskussion braucht, dass die Parteibasis diese Diskussion über die grundsätzliche Ausrichtung führen will. Wir haben in den letzten zwei Jahren wirklich mit aller Kraft eine Partei aufgebaut, eine Organisation entwickelt, und alle Beteiligten haben sich über alle Maßen verausgabt. Hier und da ist dann vielleicht auch mal die Diskussion über Inhalte und über die Ausrichtung der Partei auf der Strecke geblieben, weil man zwischen den Wahlkämpfen eingeklemmt, zwischen den Notwendigkeiten des eben beschriebenen Parteiaufbaus immer wieder von Zwängen bedrängt diese Diskussion nicht führen konnte. Diese Diskussionen müssen geführt werden und sie müssen jetzt geführt werden auch im Rahmen der sich entwickelnden Parteiprogrammatik, und ich denke, jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, diese Diskussion zu führen, und daher auch die Erfurter Resolution.
    Grieß: Herr Höcke, Sie werden von der Gegenseite aufgefordert, für den Parteivorsitz zu kandidieren. Werden Sie das tun?
    Höcke: Nein. Was jetzt genau bei der Bundesvorstandswahl an Personal antreten wird, ist ja noch vollkommen unklar, und auch ich bin da noch in einem Stadium des Nachdenkens begriffen und bin da noch gar nicht zu einem Ergebnis gekommen, was passiert.
    Grieß: Auseinandersetzungen innerhalb der Alternative für Deutschland - das war Björn Höcke, AfD-Chef in Thüringen und Erstunterzeichner der sogenannten Erfurter Resolution. Herr Höcke, danke für Ihre Einschätzungen und Ihre Argumentation heute Morgen im Deutschlandfunk.
    Höcke: Herzlichen Dank, Herr Grieß. Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.