Donnerstag, 25. April 2024

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Fördergelder für Exzellenzuniversitäten
"Die üblichen Verdächtigen, die immer gewinnen"

Der Elitenforscher Michael Hartmann sieht die Förderung der Exzellenzuniversitäten kritisch. Er befürchte eine Spaltung der Hochschullandschaft, sagte Hartmann im Dlf. Einen Wettbewerb gebe es im Grunde nicht. Es gebe einige Gründe, warum die es bei der Exzellenzstrategie mehr Verlierer als Gewinner gebe.

Michael Hartmann im Gespräch mit Stephanie Gebert | 28.09.2018
    Michael Hartmann, Soziologe, aufgenommen am 07.09.2011 während der ARD-Talksendung "Anne Will" zum Thema: "Euer Geld möchte ich haben!" in den Studios Berlin-Adlershof.
    Der Soziologe und Elitenforscher Michael Hartmann sagte im Dlf, den Verlierern der Exzellenzstrategie werde nichts übrig bleiben, als Lehre für die Masse zu machen (dpa-Zentralbild)
    Stephanie Gebert: Auf das Prozedere der Exzellenzstrategie hatten sich Bund und Länder vor zwei Jahren nach langem Gezerre geeinigt. Einer, der die Vergabe von Fördergeldern von Anfang an kritisch begleitet hat, ist der Soziologe und Elitenforscher Michael Hartmann. Ich grüße Sie!
    Michael Hartmann: Guten Tag!
    Gebert: Zweite Runde unter neuen Vorzeichen, gab es für Sie Überraschungen, zum Beispiel mit Blick nach Bremen, wo es wohl eher lange Gesichter hab, als auch zum Beispiel nach Bonn?
    Michael Hartmann: Wirkliche Überraschungen gab es eigentlich nicht. Also, Bremen, das wusste man vorher, und Bonn, das konnte man auch vermuten, weil Bonn in den bisherigen Runden, verglichen mit den Erwartungen, eher schlecht abgeschnitten hat. Man kann sagen, es gab wieder mal zwei Überraschungen, das eine war Bayreuth, das andere war Jena, wo man nicht zwingend mit gerechnet hat. Aber dafür sind die zwei Überraschungen der letzten Runde, das war damals Chemnitz, das ist neben Dresden immer eine im Osten, und das war Saarbrücken, die sind beide wieder raus.
    Das heißt, eigentlich kann man sagen, es sind die üblichen Verdächtigen, die immer gewinnen, und dann gibt es immer zwei, drei Überraschungen für eine Runde, die bei der nächsten Runde aber auch wieder weg sind.
    Gebert: Einer Ihrer Hauptkritikpunkte ist, dass die Förderung die Hochschullandschaft spaltet. Hat sich diese Analyse von Ihnen mit der Entscheidung fortgesetzt?
    Hartmann: Ja. Also, wenn man sich anguckt, welche Hochschulen gewinnen, das meinte ich mit den üblichen Verdächtigen, das sind eigentlich immer dieselben. Und das gilt ja nicht nur für Universitäten, das gilt ja auch für die Fächer. Also, wenn Sie sich angucken, Geistes- und Sozialwissenschaften, die haben jetzt, glaube ich, zehn von 57 Clustern, das ist auch immer dasselbe. Das ist ungefähr ein Sechstel, was auf diese Fächer entfällt, sodass man sagen kann: Generell ist es, sowohl, was die Unis, als auch, was die Fächer angeht, die Hierarchie, die durch die Exzellenzinitiative verstärkt worden ist, das ist von Runde zu Runde bestätigt worden.
    "Im Grunde gibt es keinen Wettbewerb"
    Gebert: Das heißt, der Wettbewerb, der da ja eigentlich herrschen soll, existiert im Grunde gar nicht?
    Hartmann: Nein, im Grunde gibt es keinen Wettbewerb, weil diejenigen, die schon bevor die Exzellenzinitiative gestartet worden ist, deutliche Wettbewerbsvorteile hatten, vor allem durch enge Verbindungen zu Max-Planck-Instituten, durch das Renommee der jeweiligen Uni, die Tradition – also München, Berlin, Heidelberg, Aachen und so –, die haben durch die Exzellenzinitiative finanziell, indem sie halt mehr Drittmittel bekommen haben, wie auch symbolisch, das ist ja auch ein symbolischer Wert, wenn man sich als Elite- oder Exzellenzuni bezeichnen kann, die haben alle dazugewonnen und die Exzellenzstrategie wird das ja noch mal verstärken.
    Steigerung der wissenschaftlichen Qualität ist nicht bewiesen
    Gebert: Die Idee ist ja, dass deutsche Spitzenforschung international wettbewerbsfähig wird. Wird das denn dadurch gegeben, mit den Forschungsgeldern, die jetzt an bestimmte, große Universitäten gehen.
    Hartmann: Ich nehme nicht meine Meinung, sondern ich nehme den Imboden-Bericht, das ist ja die einzige Evaluation, die es von offizieller Stelle gegeben hat, der Bericht hat eine Vielzahl von kritischen Punkten aufgelistet, also zum Beispiel, was die Lehre angeht, dass sich die guten Forscher zunehmend aus der Lehre zurückziehen können, weil das durch die Exzellenzinitiative möglich ist. Was die Qualität der Forschung angeht sind die sehr vorsichtig. Sie haben festgestellt, dass auf der Ebene der Unis sich nur sehr wenig geändert hat, auf der Ebene der Cluster hat sich einiges geändert, das heißt, die Cluster haben deutlich mehr Veröffentlichungen produziert, auch mehr Veröffentlichungen, die häufiger zitiert werden.
    Aber in dem Bericht steht sehr deutlich drin, was man nicht sagen könnte, ob das wirklich eine Steigerung der wissenschaftlichen Qualität ist oder schlicht und einfach eine Konzentration besonders publikationsstarker Wissenschaftler an einzelnen Standorten, weil die da eben deutlich bessere Bedingungen kriegen. Wenn Sie im Exzellenzcluster sind, können Sie in der Regel Ihre Lehrverpflichtungen halbieren. Und das hätte ja, wenn die Logik stimmt, dazu führen müssen, dass insgesamt ein Plus dabei rauskommt und nicht nur eine Umverteilung, dass das, was an der einen Uni verloren geht, eben an der anderen dazukommt.
    "Es gibt so eine Art Zweiteilung in Forschungs- und Lehruniversitäten"
    Gebert: Gucken wir mal auf die, denen etwas verloren geht. Was heißt das denn insgesamt für Forschung und Lehre in Deutschland, wenn ganz bestimmte Universitäten mit viel Geld gefördert werden, was bleibt für die anderen übrig?
    Hartmann: Es gibt so eine Art Zweiteilung in Forschungs- und Lehruniversitäten. Das heißt, diejenigen, die in diesen ganzen Runden gewonnen haben, können sich stärker als früher auf Forschung konzentrieren. Und die, die nichts gewonnen haben, und da sind ja auch Große dabei wie Duisburg-Essen zum Beispiel, aber es sind die ganzen Neuen in der Regel, die alle dabei nichts gewonnen haben, die werden mehr und mehr in eine Position geraten, wo sie letztendlich Lehre für die Masse machen und für die Forschung relativ wenig Geld und Zeit haben. Und die Situation derjenigen, die von diesen Forschungsgeldern sehr wenig oder gar nichts kriegen, wird natürlich zunehmend prekär.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.