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Forderungen im Gepäck

Die USA wollen in der Euroschuldenkrise nicht nur ein Beobachter sein. Sie fürchten die Auswirkungen einer Verschärfung der Lage. US-Finanzminister Geithner hat bei seinem Europabesuch daher eine Menge Forderungen im Gepäck.

Von Michael Braun | 06.12.2011
    Der amerikanische Finanzminister vertritt eine Nation, die ein Viertel ihres Exports in die Europäische Union verkauft. Und wenn dieser Kunde, was wahrscheinlich ist, in diesem Winter auf eine Rezession zusteuert, dann werden dessen Schwierigkeiten auch zu eigenen Schwierigkeiten. Stefan Schneider, leitender Volkswirt bei der Deutschen Bank, sieht auch darin den Zweck des Besuchs Timothy Geithners in Europa:

    "Wir haben ja auch schon gesehen, dass nicht nur die europäische und die amerikanische Notenbank, sondern wir international eine Kooperation hatten, was die Dollar-Swap-Fazilitäten angeht. Von daher sind die Sorgen natürlich schon globale. Amerika hat ja zunehmend darauf hingewiesen, dass der Ausgang der europäischen Schuldenkrise in der amerikanischen und der Weltkonjunktur insgesamt eine Rolle spielt. Von daher ist das Interesse natürlich vital. Wobei ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass das auch eine schöne Ablenkungsstrategie ist von den eigenen Problemen."

    Schließlich werden beide Regionen nicht nur durch hohe Schulden gebremst. Auch der politische Prozess, der diese Bremsen lösen könnte, ist in beiden Regionen kompliziert: in Europa durch die Vielzahl der beteiligten Regierungen und Parlamente, in Amerika durch die gegenseitige Blockade von Demokraten und Republikanern. Kein Wunder, dass Geithner da seinen Besuch bei der Europäischen Zentralbank begonnen hat. Sie dürfte Geithner bedrängt haben, massiv Staatsanleihen wankender Eurostaaten aufzukaufen, also sozusagen aus vollen Rohren auf die Spekulanten zu schießen:

    "Warum kommt jetzt nicht die Bazooka? Speziell unsere angelsächsischen Kollegen haben da ein relativ einfaches Weltbild: Es ist ganz klar, die Notenbank muss jetzt endlich einsteigen und muss jetzt massiv kaufen. Ich glaube, hier vor Ort in Frankfurt hat man ein etwas differenzierteres Bild."

    Das wird Geithner erfahren haben. Nach einem eineinhalbstündigen Gespräch mit EZB-Präsident Draghi machte sich Geithner kommentarlos auf in die Bundesbank. Dessen Präsident Jens Weidmann hat bisher noch eindeutiger als Draghi die Rolle der EZB eher zu begrenzen versucht. Weidmann vor Kurzem:

    "Dass die Politik im Krisenmanagement bisher keinen Erfolg hatte, rechtfertigt nicht, das Mandat der EZB überzustrapazieren. Im Gegenteil: Nur ein klares Mandat und ein Bekenntnis zu diesem Mandat kann dem Euro eine Zukunft geben."
    Worüber also reden? Sicher über den Internationalen Währungsfonds. Die Idee ist, den mit mehr Geld auszustatten, um ihn dem europäischen Rettungsfonds an die Seite zu stellen, sollten mit Spanien oder erst recht Italien Länder der Währungsunion illiquide werden. Die deutsche Regierung scheint bereit, dem IWF mehr Geld zu geben, um ihn für diese Aufgabe zu stärken. Aber die Bundesbank will Staatsfinanzierung durch die Hintertür vermeiden und scheint sich dagegen ausgesprochen zu haben, frisches Geld für den IWF in einen Sonderfonds zur Eurorettung einzuzahlen. Und die Regierung Obama, der Geithner angehört, dürfte ahnen, dass ihr der Kongress neues Geld für den IWF nicht gewähren wird.