Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Forschungsprojekt in Berlin
Wie der Rahmen das Bild verändert

Wie ein Gemälde wirkt, liegt oft an seinem Rahmen. Zwischen schlicht und protzig ist vieles möglich, denn nur selten haben die Malerinnen und Maler selbst Vorschläge zur Präsentation ihrer Werke gemacht. Eine Forschungsausstellung untersucht nun die unterschiedlichen Wirkungen.

Von Carsten Probst | 26.08.2019
Bilderrahmen aus verschiedenen Epochen hängen im Rahmenmuseum in Düsseldorf .
Einfluss auf die Wahrnehmung von Kunst: Bilderrahmen aus verschiedenen Epochen. (picture-alliance / dpa / Horst Ossinger)
"Es gibt originale Otto-Müller-Rahmen, originale Schmidt-Rottluff-Rahmen mit diesem berühmten Rundstab; der Otto Müller hat dieses Giebel-Profil. Oder hier: Der absolute Prototyp eines Plattenrahmens, der hat selbst an sich gar keinen Falz: Es ist wirklich nur ganz ein flaches Brett, und um überhaupt das Bild aufnehmen zu können, werden hinten Leisten aufgesetzt, um überhaupt erst als Rahmen zu funktionieren. Und das war ganz früh in den Zehner-Jahren, da haben die Expressionisten diese Rahmen verwendet."
Etwa 2.500 historische Rahmenformen hat Werner Murrer in seiner Werkstatt gesammelt, ein wahres Archiv zur Geschichte des Bilderrahmens, entstanden in jahrzehntelanger Recherchearbeit und heute von unschätzbarem Wert für sein Geschäft. Suchen Museen oder Sammler einen historisch passenden Rahmen zur Malerei eines bestimmten Künstlers, dann werden sie hier – möglicherweise – am ehesten fündig. Rein optisch eher bescheiden, historisch aber umso wertvoller, sind dabei die originalen Künstlerrahmen von Malern des Expressionismus, auf die Murrer vor etwa dreißig Jahren rein zufällig über einen privaten Kunden stieß.
Künstlerrahmen der Moderne kaum erforscht
"Mir sind schon ganz früh die Expressionistenrahmen hauptsächlich an Kirchner aufgefallen: Wie intensiv die zugehörig zu den Bildern sind, was für eine wichtige Einheit das darstellt. Also Anfang des 20. Jahrhunderts sind das einfach ganz andere Rahmen, als wenn nach dem Krieg die Bilder neu gerahmt wurden oder früher. Und man hat bei Kirchner sehr früh gesehen, dass die Farbigkeit zum Bild ganz klar harmoniert. Oder auch, das sind aber absolute Glücksfälle, wenn man sogar wirklich die Malspuren aus dem Bild am Rahmen wieder sieht."
Die Geschichte der Künstlerrahmen in der Moderne ist, im Gegensatz zu früheren Epochen, bislang kaum tiefer erforscht. Dabei haben die originalen Rahmen durchaus Bedeutsames über die Kunst zu erzählen: Sie könnten sogar zu einem echten Perspektivwechsel beitragen, meint die Saarbrücker Kunsthistorikerin Eva Mendgen, die sich schon in ihrer Doktorarbeit mit dem Thema befasst hat und heute als eine der führenden Rahmen-Expertinnen für die Moderne gelten kann:
"Das geht ins 19. Jahrhundert zurück: Romantik, da geht es los, dass man sich mit dem Kontext beschäftigt und die Grenzen überschreitet und neu definiert. Das setzt sich eigentlich bis heute fort, dass Grenzen immer neu verhandelt werden in der Kunst, und eben ganz konkret auch über den Rahmen; das hat man nur heute ein bisschen aus den Augen verloren. Das heißt: Die Brücke-Leute, es gibt den Blauen Reiter, Kandinsky, Klee, die hatten ihre ganz eigenen Konzepte und Vorstellungen dazu. Die Fauves in Frankreich natürlich auch, Picasso ebenfalls, die Surrealisten, Dalí, alle, alle, alle haben sich mit der Rahmenfrage auseinandergesetzt, und das ist unglaublich interessant."
Großes Ausstellungsprojekt im Herbst
In der heraufziehenden Moderne seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind Bilderrahmen nicht mehr bloß schmückendes Beiwerk einer Malerei, sondern dienen Künstlern vermehrt dazu, den umgebenden Raum in die Konzeption eines Bildes einzubeziehen. Diese Tendenz verstärkt sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in der Emanzipation der Malerei von der Wand. So entwickelt sich gleichsam ein eigenes Genre an der Schnittstelle von Kunst und Gestaltung, das die angestammten Kunstbegriffe herausfordert. Die Recherche zu den bislang kaum beachteten Originalrahmen wird deshalb zu einer Art Grundlagenforschung über die Kunst der Moderne.
Das soll ab kommenden Herbst auch in einem großen Ausstellungsprojekt seinen Niederschlag finden, bei dem das Berliner Brücke-Museum und das Buchheim-Museum in Bernried zahlreiche originale Künstlerrahmen erstmals wieder mit jenen Malereien vereinen, für die sie ursprünglich geschaffen wurden. Für Brücke-Museums-Direktorin Lisa Marei Schmidt nicht weniger als der Beginn eines neuen Kapitels in der Kunstgeschichte der Moderne:
"Der Expressionismus ist ja auf eine Art wirklich so einzementiert in die deutsche Kunstgeschichte, man hat des Gefühl, es gibt Kilometer Literatur über den Expressionismus und die Brücke. Aber solche Sachen wie der Rahmen, der sozusagen das Naheliegendste am Gemälde ist, der von den Künstlern mit konzipiert wurde, wurde immer übersehen. Und das finde ich höchst spannend, also sozusagen eine neue Perspektive auf diese Kunst zu werfen."