
Kommunikationswissenschaftler Neuberger: "Massenmedien fallen auf Provokationen herein"
In der von Sina Fröhndrich moderierten Runde bezeichnete der Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger den Populismus als größte Herausforderung für den Journalismus der Gegenwart. Er kritisierte, dass Massenmedien nach wie vor auf die Provokationen populistischer Parteien hereinfielen. Als Beispiel nannte der Professor an der FU Berlin das Gespräch zwischen der AfD-Vorsitzenden Weidel und dem Milliardär Musk auf dem Online-Dienst X im Januar. Viele deutsche Medien hätten ausführlich darüber berichtet, dabei Falschaussagen von Weidel und Musk verbreitet und zugleich bei vielen Menschen erst das Interesse für das Gespräch geweckt, fand Neuberger.
Medienkritikerin Zaboura: "Nicht über jedes Stöckchen springen"
Die Medienkritikerin und Autorin Nadia Zaboura rief Journalistinnen und Journalisten dazu auf, "nicht über jedes Stöckchen" zu springen, das ihnen hingehalten werde. Redaktionen sollten sich nicht treiben lassen und gewissenhafter als bislang prüfen, ob eine Aussage oder ein Sachverhalt wirklich Nachrichtenwert hätten. Anstatt ihr Programm selbstbewusst nach eigenen Maßstäben zu füllen, trügen sie oft dazu bei, "antizivilisatorische Aussagen über den Äther zu bringen."
ZDF-Journalistin Maurer: "Können AfD nicht nicht einladen"
Die Journalistin Andrea Maurer, die für das ZDF über die Bundespolitik berichtet, sprach im Hinblick auf den Umgang mit der AfD von einem Dilemma. Einerseits könne der öffentlich-rechtliche Rundfunk die inzwischen größte Oppositionspartei nicht pauschal von politischen Sendungen ausschließen. Andererseits nutze die Partei konfrontative Interviews gezielt, um ihr Opfernarrativ zu bestätigen. Maurer warb dafür, sich inhaltlich mit der AfD auseinanderzusetzen, insbesondere auch bei Themen jenseits der Migrationspolitik. Sie betonte zugleich aber auch, dass viele Menschen das Gefühl hätten, in der Debatte mit ihrer Meinung nicht mehr vorzukommen. Ein Grund dafür sei auch, dass Journalisten zunehmend die Zeit fehle, im Land unterwegs zu sein.
Frank Plasberg fordert weniger Haltung von Journalisten
Der langjährige Talkshow-Moderator Frank Plasberg ("hart aber fair") kritisierte, dass der Journalismus in Deutschland zum Aufstieg der AfD und einer zunehmend medienkritischen Haltung in der Bevölkerung beigetragen habe. Viele Medienschaffende hätten sich von den Menschen und ihren Problemen entfremdet. "Sie wollen immer auf der richtigen, der guten Seite stehen." Haltung sei aber etwas für Orthopäden, nicht für Journalisten, sagte Plasberg. Sein Appell: "Sagen, was ist. Nicht, was sein sollte!"
Aus Sicht von Plasberg hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den vergangenen Jahren gesellschaftliche Minderheiten teils zu sehr in den Fokus der Berichterstattung gerückt. Dabei habe man immer kleineren Gruppen große Aufmerksamkeit geschenkt und ihnen ermöglicht, selbst zu definieren, was ein legitimer Umgang mit ihren Themen sei und was nicht.

Kontroverse um Polit-Talkshows in ARD und ZDF
Medienkritikerin Zaboura machte in der Diskussionsrunde Schwächen bei Polit-Talkshows im deutschen Fernsehen und bei deren Gästeauswahl geltend. Populisten seien nicht an einer faktenbasierten öffentlichen Debatte interessiert, ihr Ziel sei die Destruktion, betonte sie. Zugleich nutzten sie die Sendungen vor allem zur Verwertung für die eigenen parteipolitischen Kanäle in den Sozialen Medien. Zaboura forderte eine Überprüfung der öffentlich-rechtlichen Talkshow-Formate auf ihre "Demokratiefestigkeit" und eine Überarbeitung der Sendekonzepte. Der Kommunikationswissenschaftler Neuberger unterstrich, dass es vielen Talk-Formaten nicht gelinge, die "AfD in den Diskurs zu zwingen".
Frank Plasberg verwahrte sich gegen einen "Reflex, pauschal auf Talkshows drauf zu prügeln". Ob man Politiker in eine Sendung einlade, hänge für ihn vom Einzelfall ab. So habe er etwa den AfD-Politiker Gauland nach dessen verharmlosenden Aussagen über den Nationalsozialismus nicht mehr in die Sendung "hart aber fair" eingeladen.
Die ZDF-Journalistin Maurer warf ein, dass es bei aller berechtigter Kritik auch ein gutes Zeichen sei, wie viele Menschen in Deutschland sich politische Talkshows anschauten, um sich eine Meinung zu bilden.
Neuntes Forum für Journalismuskritik
Das neunte Kölner Forum für Journalismuskritik fand dieses Jahr erneut als Kooperation der Deutschlandfunk-Redaktionen Nachrichten sowie Meinung & Diskurs mit der Initiative Nachrichtenaufklärung statt. Es ist eine Veranstaltung der Deutschlandradio-Denkfabrik.
im Rahmen des Forums wurde auch der Günter-Wallraff-Preis für Pressefreiheit und Menschenrechte verleihen. Die Auszeichnung ging 2025 an die in Belarus inhaftierte Menschenrechtsaktivistin Maria Kalesnikawa und die belarussische Journalistenvereinigung.