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Fotografie-Revolution
Vor 90 Jahren wurde die Blitzlicht-Birne patentiert

Ein Blitzlicht ist heute in jedem Handy verbaut. Früher aber war das Blitzen eine höllische Angelegenheit, verbunden mit Feuer und Rauch. Das änderte sich erst, als der Physiker Johannes Ostermeier die Blitzlichtbirne erfand.

Von Frank Grotelüschen | 23.09.2020
    Fotograf mit Kamera in den 1930er-Jahren
    Fotograf mit seiner Kamera in den 1930er-Jahren (akg)
    Es war ein beliebter Gag der Stummfilmzeit: Mit seiner schuhschachtelgroßen Kamera nimmt der Fotograf seine Kundschaft ins Visier. Doch als er den Blitz auslöst, explodiert das Gerät. Und als der Rauch sich lichtet, stehen die Porträtierten mit rußgeschwärzten Wangen und angekokelten Haaren da.
    Der Slapstick war nicht ohne Realitätsbezug: In der Frühzeit der Fotografie dienten Pulver auf Magnesiumbasis als Blitzgeräte. Falsch dosiert oder unsachgemäß bedient, konnten sie die Umstehenden verletzen oder zumindest gehörig erschrecken. Denn der Lichtschein des Magnesiums war grell und dauerte Sekunden.
    "Das Resultat wird ein gequältes, unähnliches, verängstigtes Gesicht sein, mit geistlosem Ausdruck und krebsartig hervorquellenden Augen", notierte der Fototechnik-Pionier Adolf Miethe 1887. Wesentlich ändern sollte sich das erst 1925, als sich ein Erfinder namens Paul Vierkötter etwas Neues einfallen ließ – den Vorläufer der Blitzlichtbirne. Vierkötter hatte einen Glaskolben luftleer gepumpt, mit Magnesiumpulver und Sauerstoff gefüllt und das Gemisch elektrisch gezündet. Zur Marktreife aber schaffte es sein Patent nicht.
    Zusammengeknüllte Alufolien in einem Glaskolben
    Dazu bedurfte es einer entscheidenden Weiterentwicklung, und zwar durch den Physiker Johannes Ostermeier, Angestellter der Lampenfabrik Hauser in Augsburg.
    "Die Erfindung bezieht sich auf Blitzlampen, insbesondere auf solche, die für fotografische Zwecke bestimmt sind." - Mit diesen Worten beginnt die Patentschrift, die Ostermeier in den USA einreichte. Erteilt wurde das Patent am 23. September 1930.
    "Die Lampe hat die Form einer normalen elektrischen Glühlampe. Der Lampenkolben besitzt den üblichen Glashals mit einem eingeschmolzenen Röhrchen, das zum Absaugen der Luft oder zum Füllen des Kolbens mit dem Gas dient."
    Ostermeier gelangen zwei Innovationen: Statt auf Magnesium setzte er auf ein anderes Metall – auf Aluminium. Und: Statt eines Pulvers verwendete er zusammengeknüllte Alufolien, die er in den Glaskolben stopfte. Gezündet wurden sie mit elektrischem Strom.
    "Tests haben bewiesen, dass Folien mit extrem hoher Geschwindigkeit abbrennen, wenn der notwendige Sauerstoff bei ausreichendem Druck vorhanden ist."
    Zeitgenössisches Porträt von Joseph Nicephore Niepce, einem der Erfinder der Fotografie.
    Joseph Nicéphore Niépce - Der heimliche Erfinder der Fotografie
    Lange galt Louis Daguerre als Erfinder der Fotografie. Doch gelang Joseph Nicéphore Niépce 1826 das erste Lichtbild der Welt. Weil er jedoch bald starb, erntete sein Partner Daguerre den Ruhm.
    Ostermeiers Blitzlichtbirne leuchtete nur einen Wimpernschlag lang auf statt für Sekunden – was für die Menschen vor der Kamera viel angenehmer war - "und Die Kosten für die Herstellung der Lampe sind gering, da die Möglichkeit besteht, sehr billige Folienmatten zu verwenden. Die Spannung einer normalen Taschenlampenbatterie reicht aus, um eine Zündung zu bewirken."
    Der Vacu-Blitz schlägt ein
    Bald schon wurde das Patent vermarktet, in Deutschland unter dem Namen Vacu-Blitz. Der wohl größte Vorteil: Er war sicherer als der Magnesiumblitz. Der Glaskolben minimierte das Risiko einer Explosion.
    Brandstellen bei Vacu unmöglich.", versprach die Werbung des Herstellers. "Feuer breitet sich nicht aus, hast Du Vacu-Blitz im Haus. Der Vacu-Blitz hat die gleiche Helligkeit wie Blitzlicht-Pulver bester Qualität, brennt aber wesentlich schneller und mit angenehmerem Licht ab als dieses; erschreckte Gesichter gibt es daher nicht. Ihr Photohändler liefert Ihnen den Vacu-Blitz zum Preise von 1 Reichsmark 25."
    Die ersten Blitzlichtbirnen waren 15 Zentimeter groß. Wie eine Glühbirne besaßen sie ein Gewinde, mit dem sie sich auf eine Taschenlampe aufschrauben ließen.
    1935: der erste Fotoapparat mit eingebautem Blitz
    Zunächst mussten Fotoapparat und Blitz getrennt bedient werden: Erst betätigte der Fotograf den Kameraauslöser, um gleich darauf die Taschenlampe anzuknipsen und den Blitz zu aktivieren. 1935 aber kam der erste Fotoapparat mit eingebauter Blitz-Synchronisation auf den Markt. Damit ließen sich Blitz und Kamera mit einem einzigen Knopfdruck auslösen. Rasch etablierte sich auch ein pfiffiges Zubehör:
    "Für 60 Pfennige erhält man einen auf minimales Format zusammenklappbaren Schirm, der auseinandergefaltet einen Reflektor darstellt, der dem Vacu-Blitz vierfache Helligkeit verleiht! Bedarf es dann noch des Hinweises, welche schönen Weihnachts- und Christbaumbilder man sich mit dem Vacu-Blitz einfangen kann?"
    Blitzlichtbirne blieb Eintagsfliege
    Ein Manko aber blieb: Eine Blitzlichtbirne konnte nur ein einziges Mal benutzt werden, danach war sie buchstäblich ausgebrannt. Eine gewisse Abhilfe schaffte in den 60er-Jahren der Blitzwürfel. Aufgesteckt auf die Kamera enthielt er vier Birnen für vier Blitzlichtaufnahmen. Doch bald darauf sollte sich eine andere Entwicklung durchsetzen – der Elektronenblitz. Ähnlich wie eine Neonlampe basiert er auf der Gasentladungsröhre. Damit ließ sich quasi unbegrenzt blitzen – ein unschlagbarer Vorteil. Und wer heute mit dem Smartphone fotografiert, blitzt hocheffizient mit der eingebauten LED.