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FPÖ vor Wahl in Österreich
Zurück in die schwarz-blaue Vergangenheit

Die Ibiza-Affäre um Heinz-Christian Strache ist bei Österreichs FPÖ längst abgehakt. Für die Basis ist Kanzler Sebastian Kurz der Hauptschuldige für die gescheiterte Koalition, dennoch drängen die Freiheitlichen bei der anstehenden Nationalratswahl auf eine Neuauflage des schwarz-blauen Bündnisses.

Von Clemens Verenkotte | 24.09.2019
FPÖ-Spitzenkandidat Norbert Hofer (rechts im Bild) und FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl anlässlich des Wahlkampfauftakts der FPÖ in Pasching.
Das neue FPÖ-Führungsduo, Norbert Hofer (r.) Herbert Kickl, strebt eine Neuauflage der Koalition mit der ÖVP an (APA / FOTOKERSCHI.AT/ Werner Kerschbaummayr)
Auf dem Kirchplatz in Feldbach stimmen die "Untersteierer", eine populäre Volksmusikgruppe aus dem benachbarten Slowenien, die FPÖ-Parteianhänger auf die Kundgebung ein. Das Wetter spielt an diesem Vormittag buchstäblich blendend mit: Ein strahlend blauer Himmel erstreckt sich über die südöstliche Steiermark. Lokale FPÖ-Wahlkampfhelfer haben Tische und Bänke aufgestellt, am Getränkestand wird bereits Freibier ausgeschenkt, der Duft von Grillhähnchen, die sich auf dem Rost drehen, liegt in der Luft. Der Bandleader gibt vor den schätzungsweise 100 bis 150 Zuschauern die Parteilosung aus:
"Eins ist sicher: Am 29. September, ganz wichtig: FPÖ und noch einmal FPÖ. Auch für uns Musiker ist es so: Wir haben FPÖ im Herz."
Ibiza-Affäre abgehakt
Die FPÖ war von der politischen Haltbarkeit ihrer Koalition mit Sebastian Kurz und seiner Volkspartei überzeugt, zumindest für eine längere Zeit als die 17 gemeinsamen Regierungsmonate. Doch Ibiza änderte alles, für allem für die FPÖ: Ihr langjähriger Parteivorsitzender Heinz-Christian Strache musste nach der Veröffentlichung des Videos Mitte Mai seinen Posten als Vize-Kanzler und FPÖ-Chef umgehend räumen, FPÖ-Innenminister Herbert Kickl wurde auf Wunsch des damaligen Kanzlers Kurz vom Bundespräsidenten entlassen - der Kollaps des türkis-blauen Regierungsprojekts folgte.
Bei den Anhängern der Rechtspopulisten tragen viele dem ehemaligen Bundeskanzler den Rauswurf Kickls und der FPÖ nach. Friedrich Geiger aus Feldbach lässt für einen Augenblick sein Brathendl ruhen und macht aus seinem Herzen keine Mördergrube:
"Warum wir in Österreich wieder wählen? Das ist ein Kurzschluss von Kurz und vom Herrn Bundespräsident. Der Herr Strache hat einen Fehler gemacht. Der Strache wurde dann abgesetzt, hat sich entschuldigt bei den Österreichern. Und dann hat der Hofer die provisorische Parteiführung übernommen. Dann hat die ÖVP gesagt: Wir können die Koalition weiterführen, wenn Kickl nicht mehr sein Amt zurückkriegt. Dann hat die Freiheitliche Partei gesagt: Nein, dieses Amt legt ihr entweder gemeinsam - oder dann lassen wir das alles fallen, ne?!"
Hofer als gemäßigter Parteichef, Kickl als Hardliner
Bis Ende Mai war Mario Kunasek, der 43-jährige FPÖ-Parteichef in der Steiermark, österreichischer Verteidigungsminister. Doch Straches Ibiza-Video beendete seine Amtszeit und die seiner engsten Parteifreunde Herbert Kickl und Norbert Hofer buchstäblich über Nacht. Das parteiinterne Vakuum sucht nunmehr das neue Duo Herbert Kickl und Norbert Hofer zu füllen, wobei die Rollenverteilung eindeutig vergeben ist. Hofer als das verbindlich, vermeintlich moderate Gesicht der Freiheitlichen, der zwei Wochen vor den Parlamentswahlen mit über 98 Prozent der Stimmen auf dem FPÖ-Parteitag zum neuen Vorsitzenden gewählt worden ist. Und Ex-Innenminister Kickl, bis Herbst 2017 Generalsekretär der FPÖ, als angeblich zu Unrecht geschasster Hardliner, der für die Abteilung Attacke zuständig ist. Wie hier beim Wahlauftakt der FPÖ in Linz:
"Es gibt welche, die für die Heimat eintreten, das sind wir! Und dann andere, die auf die Heimat eintreten. Das sind die linken Vögel, die mich als Innenminister entfernt haben."
FPÖ in Umfragen konstant bei 20 Prozent
Bei Kickl ist klar: Sein Hauptfeind heißt Sebastian Kurz, und niemand im beißfesten FPÖ-Lager attackiert den ehemaligen Koalitionspartner so sehr wie der Ex-Innenminister. Bei Umfragewerten von konstant 20 Prozent für die Rechtspopulisten und einer unverändert starken politisch-programmatischen Übereinstimmung zwischen den vorerst geschiedenen Partei-Partnern strebt die FPÖ eine Neuauflage der alten schwarz-blauen Regierung an. Walter Rauch, seit 2013 FPÖ-Abgeordneter im Nationalrat und in Feldbach geboren, benennt als Ziel seiner Partei:
"Diesen erfolgreichen Weg, den wir in den letzten Jahren mit dieser Bundes-, mit der ehemaligen Bundesregierung gegangen sind, mit Hofer, mit Kickl, auch dementsprechend fortzusetzen. Das ist unser Weg. Die Rollenteilung jetzt aktuell, auf der einen Seite die Fairness und das Soziale mit dem Norbert Hofer und auf der anderen Seite mit dem Herbert Kickl, der auf die Sicherheitsthemen setzt. Und ich glaube, da sind wir sehr, sehr gut aufgestellt. Jeder steht für sich - also, insgesamt als Team, aber jeder positioniert seine Themen separat."
Fahnenschwenkend stehen alle auf: Die überwiegend trachtengekleidete FPÖ-Führung der Steiermark, die lokalen Wahlkampfhelfer, die überwiegend älteren, dem mitunter dem Freibier durchaus zusprechenden Parteianhänger - alle schwenken die zuvor auf den Tischen verteilten Fahnen und Fähnchen.
Kanzler Kurz als Hauptfeind
An der FPÖ-Basis sitzt die Abneigung gegenüber Ex-Kanzler Kurz tief - und den Rausschmiss "ihres" Innenministers aus dem Kabinett, was den Sturz der schwarz-blauen Regierung einleitete:
"Kickl ist ein anständiger Mann, hat sich nie irgendwas zuschulden kommen lassen. Er ist wohl sehr streng bei der Einwanderung, aber sonst kann man ihm nichts mehr vorwerfen. Und das war der Grund."
Doch bei aller Verärgerung über die Entlassung Kickls - ebenso fest verwurzelt ist bei der FPÖ der kollektive Wunsch, das schwarz-blaue Regierungsprogramm nach der Wahl wieder fortsetzen zu können. Sebastian Kurz könne nur mit der FPÖ eine neue Koalition bilden, meint Johann Schadler, der aus seinem heimatlichen Graz nach Feldbach zur Kundgebung gekommen ist:
"Kurz ist Machtgier. Der Kurz ist nur Machtgier. Aber das wird ihm nicht gelingen. Der Kurz kann mit SPÖ nicht, mit der will er nicht. Mit Grün und NEOS geht es nicht aus. Er kann nur mit den Freiheitlichen. Und sonst geht nichts. Aber mit den Freiheitlichen geht etwas weiter."