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Fracking
Schweiz zieht nach, Bodenseeanwohner besorgt

Zwar soll die Erschließung von Gasvorkommen in unterirdischen Gesteinsschichten im Umfeld von Natur- und Wasserschutzgebieten in der Regel verboten werden. Letztendlich entscheidet aber eine Expertenkommission. Umweltschutzorganisationen am Bodensee sind alarmiert: Im benachbarten Schweizer Kanton Thurgau liegt ein Gesetzentwurf auf dem Tisch, der "Fracking" ausdrücklich als Option enthält.

Von Thomas Wagner | 21.11.2014
    Ein Plakat mit der «Stop Fracking» steht am 03.06.2014 in Brünen (Nordrhein-Westfalen) am Niederrhein in einem Feld.
    Nicht umsonst habe man mit geballter Kraft für ein Fracking-Verbot auf deutscher Seite der Bodensee-Region gekämpft. Umso unverständlicher sei es nun, wenn der Schweizer Nachbarkanton Thurgau Fracking im neuen Untergrund-Gesetz zulässt. (dpa / Martin Gerten)
    "Fracking am Bodensee - "Mission impossible", geht gar nicht mehr, ein Glück: In den vergangenen Wochen ging ein Aufatmen durch die Reihen der Umweltschutzverbände, Behörden, Bürgermeister, Landräte und besorgter Bürger am Bodensee. Denn: Der neue Gesetzentwurf zum Fracking aus dem Bundesumweltministerium schließt Fracking im Umfeld von Wasserschutzgebieten kategorisch aus; der Bodensee gilt aber als größter europäischer Trinkwasserspeicher.
    Prompt gab auch ein Tochterunternehmen eines britischen Energiekonzerns, das sich erst vor wenigen Monaten die sogenannten "Explorations-Lizenzen" für mögliche Erdgas-Vorkommen in Bodenseenähe verlängern ließ, diese Lizenzen wieder zurück. Begründung: Aussichtslos - Fracking am Bodensee werde ohnehin nie möglich sein. Und jetzt?
    "Ich war schon enttäuscht, dass jetzt die Schweizer dieses Thema aufgreifen wollen und nicht so eine umfangreiche Regelung, wie wir sie jetzt plane, anstreben."
    Mögliche Erdgasvorkommen in 4.000 Metern Tiefe
    Antje Boll, Geschäftsführerin des BUND-Kreisverbandes Konstanz, hat ihr Büro in Sichtweite zur Grenze Richtung Schweiz. Doch genau dort, im Schweizer Kanton Thurgau, droht aus Sicht der engagierten Umweltschützerin neues Ungemach. Dort nämlich hat Regierungsrätin Carmen Haag, die dem kantonalen Department für Bau und Umwelt vorsteht, gerade den Entwurf des sogenannten "Gesetzes über die Nutzung des Untergrundes" an die kantonalen Abgeordneten verschickt - mit einem Satz, der drüben, in Deutschland, aufhorchen lässt: "Wir haben Fracking nicht grundsätzlich verboten."
    Dies deshalb, so die Regierungsrätin, weil der Kanton Thurgau zukünftig verstärkt auf Geothermie als alternative Energiequelle setzen möchte. Dazu sei aber das Anbohren von Gesteinsschichten so um die 4.000 Meter unter der Oberfläche notwendig. Es gehe also in erste Linie um heißes Wasser aus dem Untergrund. Allerdings, so Carmen Haag mit Blick auf den Nachbarkanton St. Gallen:
    "Wie eben die Bohrungen in St. Gallen gezeigt haben, kann es sein, dass man dabei auf Erdgasvorkommen stößt. Und dann müssten wir sicher überlegen, ob wir das nicht gewinnen möchten, statt es zu importieren."
    Damit bleibt Fracking auf Schweizer Seite des Bodensees eben nicht ausgeschlossen. Allerdings verspricht Carmen Haag eines: Wenn Fracking im neuen Gesetz zugelassen wird, dann dürfen mögliche Gasvorkommen nur mit chemiefreiem Wasser, das unter Hochdruck in den Untergrund gepumpt wird, ans Tageslicht gefördert werden. Chemiecocktails zur Herauslösung des Gases in den tieffliegenden Gesteinsschichten blieben, so Carmen Haag, auf jeden Fall verboten.
    "Da geht es um das Aufbrechen des Gesteins im Untergrund. Und da sollen eben keine Zusatzstoffe verwendet werden, die die Umwelt gefährden könnten."
    Umweltschutzverbände sind alarmiert
    Antje Boll vom BUND in Konstanz beruhigt diese Aussage allerdings nicht - ganz im Gegenteil:
    "Das sorgt in keinster Weise für Beruhigung. Denn das Hauptproblem sind ja nicht die eingebrachten Chemikalien. Sondern das Problem stellen die Kohlenwasserstoffe selber dar, die dann gelöst in Wasser zu Benzol und sonstigen organischen Kohlenwasserstoffen führen, die alle krebserregend sind. Und das ist das Hautproblem.", das, so Antje Boll, vor allem nicht am Bodensee, Europas größtem Trinkwasserspeicher, auftreten dürfe. Nicht umsonst habe man mit geballter Kraft für ein Fracking-Verbot auf deutscher Seite der Bodensee-Region gekämpft. Umso unverständlicher sei es nun, wenn der Schweizer Nachbarkanton Thurgau Fracking im neuen Untergrund-Gesetz zulässt.
    "Der Bodensee ist ein internationales Gewässer. Und es wäre wünschenswert, sich auch international abzustimmen im Rahmen der Gewässerschutzkommission oder internationaler Bodensee-Konferenz, die sich ja auch explizit gegen Fracking ausgesprochen hat."
    Fracking nicht ausgeschlossen
    Auch der Kanton Thurgau ist mit Sitz und Stimme Mitglied in diesen Gremien. Dennoch kann Regierungsrätin Carmen Haag die ganze Aufregung nicht verstehen: Seien es nun heiße Quellen für die Geothermie-Nutzung oder Gas - das alles werde, wenn überhaupt, in einer Tiefe von 4.000 Metern angebohrt, fernab von allen Grundwasservorkommen, fernab von allen Bodensee-Zuflüssen:
    "Ich habe keinerlei Bedenken, was den Trinkwasserspeicher Bodensee betrifft. Wir sind uns unserer Verantwortung voll bewusst und würden das nie gefährden."
    Allerdings mehrt sich auch das Unbehagen in der Schweiz selbst über das neue Gesetz - und da geht es gar nicht so sehr um die Möglichkeit des Frackings an sich. Auch die Nutzung von tief liegenden Wärmequellen ist nicht unumstritten. Geothermie-Bohrungen haben im Nachbarkanton St. Gallen immerhin zu einem zwar leichten, aber spürbaren Erdbeben geführt. Das Projekt wurde daraufhin gestoppt.
    "Das Projekt in St. Gallen lässt sich nicht ganz vergleichen mit dem, was im Thurgau geplant wäre. In St. Gallen hat man zum Beispiel explizit in einer Störzone gebohrt. Daraufhin gab's ein schwaches Erdbeben. Wir würden nicht in Störzonen bohren, voraussichtlich. Aber ausschließen kann man das auch hier nicht."