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Fragwürdige Kredite

In Griechenland hat die Finanzkrise längst auch die Volksparteien Pasok und Nea Dimokratia erreicht: Beide sind hoch verschuldet. Grund dafür sind nicht nur mangelnde Wählerstimmen - die Banken scheinen unter fragwürdigen Umständen Kredite gegeben zu haben.

Von Rodothea Seralidou | 18.02.2013
    Die Ippokratous-Straße, eine hochfrequentierte Einbahnstraße im Athener Stadtzentrum. Hier, in einem aufwendig renovierten Bürogebäude an der Hausnummer 22, hat die sozialistische Pasok ihre Zentrale. Als die "Villa Ippokratous", wie der 5000 Quadratmeter große Parteisitz im Volksmund genannt wird, Anfang 2009 eingeweiht wurde, ahnte noch niemand vor welchen Problemen die Pasok wenige Jahre später stehen würde. Der Journalist Tassos Telloglou hat schon lange ein Auge auf die mittlerweile prekäre Finanzlage der griechischen Parteien:

    "Die zwei ehemals größten Parteien, die konservative Nea Dimokratia und die zentrumslinke Pasok stehen mit 230 Millionen Euro gegenüber den Banken in der Kreide. Die Angestellten der Pasok sind seit neun oder zehn Monaten unbezahlt und die Kredite werden nicht bedient. Es werden nur die Zinsen bezahlt. Was die N.D. angeht, auch sie hat ihre Mieten nicht bezahlt und auch sie zahlt nur die Zinsen der Kredite."

    Die Chancen, dass die Banken ihr Geld zurück bekommen, seien unter diesen Umständen mehr als gering, so der Journalist. Hinzu kommt: Die millionenschweren Kredite waren nur mit fragwürdigen Garantien abgesichert: den geschätzten staatlichen Zuschüssen, die die Parteien in den kommenden Jahren bekommen würden. Doch die Höhe der staatlichen Parteienfinanzierung steht nicht Jahre im Voraus fest. Sie hängt immer vom Ausgang der letzten Wahlen ab: je mehr Wählerstimmen, desto mehr Geld. Und genau da liegt das Problem:

    "Die Subventionierung der zwei ehemals großen Parteien wegen der Stimmen wird weniger, weil auch die Stimmen weniger geworden sind. Es geht nicht um Krise oder nicht, sondern ob die Garantie der zu gewinnenden Stimmen sicher genug war, um Hunderte von Millionen Euro an Parteien zu verteilen. Es gibt keine Vollkaskoversicherung, dass eine Partei auf ewig diese Stimmen bekommt."

    Und genau deshalb hat sich in der Sache der Finanzstaatsanwalt Grigoris Peponis eingeschaltet. Er untersucht, unter welchen Umständen die Banken das grüne Licht für diese Kredite gegeben haben und ob Parteien und Vorstände der betreffenden Banken dafür strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden können. Besonders problematisch: Die Bank, die die größten Summen gegeben hat, war keine private, sondern eine staatliche Bank, sagt Kostas Bakouris, Leiter des griechischen Büros der Organisation "Transparency International":

    "Das meiste Geld hat die Agro-Bank gegeben. Und die Agro-Bank war eine traditionell staatliche Bank und ihr Vorstand wurde immer vom Staat bestimmt. Also haben sich die Parteien mit ihren Krediten Geld vom Staat geliehen. Wenn sie jetzt nicht mehr in der Lage sind, die Kredite zurückzuzahlen, verliert im Grunde der griechische Staat das Geld. Hätte die Bank die Voraussetzungen für diese Kredite besser untersucht, glaube ich nicht, dass sie das Geld gegeben hätte!"

    Die fehlende Transparenz bei der Kreditvergabe sei aber nur ein Teilproblem des allgemeinen Finanzierungssystems der griechischen Parteien, kritisiert Transparency International. Ein ernst zu nehmender Kontrollmechanismus der Finanzen der Parteien fehlt, so Bakouris:

    "Es gibt eine Kommission, aber die besteht größtenteils aus Parlamentsabgeordneten. In Wahrheit also tut diese Prüfungskommission nichts. Wir sagen: Es muss eine unabhängige Kommission her, an der keine Abgeordneten teilnehmen dürfen und ihre Mitglieder müssen sich ausschließlich mit der Kontrolle der Finanzen der Parteien beschäftigen."


    In einer umfangreichen Studie hatte sich Transparency International ausführlich mit solchen Missständen im Finanzierungssystem der griechischen Parteien beschäftigt. Doch trotz einiger positiver Reaktionen sei bis jetzt kein einziger ihrer Vorschläge umgesetzt worden, beklagt die Organisation.
    Ob die Ermittlungen des Finanzstaatsanwalts etwas ergeben? Journalist Tassos Telloglou:

    "Ich glaube, die Verantwortlichen der Parteien müssen gute Argumente finden, um zu rechtfertigen, warum sie soviel Geld aufgenommen haben. Ich finde aber, eine strafrechtliche Lösung ist nicht die beste Lösung. Wichtiger ist eine politische Lösung, ein neues Gesetz, auf das sich das Parlament verständigen muss!"

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