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Francos letze Ruhestätte
Pilgerstätte soll zum Mahnmal werden

Im Tal der Gefallenen, in der Nähe von Madrid, sind mehr als 30.000 Opfer des Bürgerkriegs bzw. des faschistischen Regimes bestattet - und der ehemalige Diktator Franco. Immer noch besuchen rund 300.000 Rechtsextreme und Ewiggestrige seine letzte Ruhestätte. Und so wurde das Tal zur Pilgerstätte. Das soll sich ändern.

Von Hans Günter Kellner | 03.08.2018
    Das "Tal der Gefallenen" der Franco-Diktatur mit dem Grab Francos und des Gründers der faschistischen Bewegung Falange, José Antonio Primo de Rivera.
    Das Monument aus Basilika, Kloster und Betonkreuz im "Tal der Gefallenen" war von Zwangsarbeitern errichtet worden. (imago/ZUMA Press)
    Lange war davon die Rede, doch Mitte Juni sagte Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez ganz offiziell im Parlament:
    "Keine Demokratie kann sich Denkmäler erlauben, die alten Diktatoren gedenken. Darum werden wir die Gebeine des Diktators Franco aus dem Tal der Gefallenen herausholen."
    Die Basilika wurde von Zwangsarbeitern gebaut
    Nicolás Sánchez-Albornoz hat davon in seinem alten Bauernhof erfahren. Er freut sich über die Pläne. Denn er hat ein ganz besonderes Verhältnis zum Tal der Gefallenen, das auf der anderen Seite der Gebirgskette Guadarrama liegt. Sánchez-Albornoz hat das Monument aus Basilika, Kloster und Betonkreuz als Zwangsarbeiter miterrichtet, wenn auch nur für kurze Zeit:
    "Wir waren Studenten und hatten eine Gewerkschaft gegen das Regime gegründet. Ein Kriegsgericht verurteilte uns zur mehreren Jahren Zwangsarbeit, drei von uns im Tal der Gefallen. Dort waren Leute, die seit Kriegsende 1939 nicht mehr in Freiheit waren. Wir hingegen waren gerade mal 20 Jahre alt."
    Das war 1948. Franco-Anhänger behaupten heute noch, es habe nie Zwangsarbeiter im Tal der Gefallenen gegeben. Doch Nicolás Sánchez-Albornoz ist nicht nur einer der Häftlinge, sondern wurde später auch Historiker. Er ist informiert:
    "Der Staat vermietete die politischen Häftlinge den Bauunternehmen. Das Regime bekam für jeden Zwangsarbeiter 10 Pesetas und 50 Centimos pro Arbeitstag. Die 50 Centimos gingen auf eine Art Sparbuch. Kam der Häftling frei, bekam er das Geld. Aber im Jahr machten das ja nicht mehr als 150 Pesetas aus. Selbst bei einer achtjährigen Haftstrafe waren das 900, 1000 Pesetas. Das reichte nur für die Bahn- oder Busfahrt ins Heimatdorf."
    Sánchez-Albornoz will die Dinge nicht schlimmer schildern, als sie waren. Die Strafkompanien des Franco-Regimes waren nicht vergleichbar mit den deutschen Konzentrationslagern, betont er. Sie waren kaum bewacht, es gab nicht einmal einen Zaun. Doch wohin sollte man auch fliehen?
    Unter Franco war "Ganz Spanien ein Gefängnis"
    "Ganz Spanien war ein Gefängnis. Ohne Passierschein bekamst Du keine Fahrkarte. In den Zügen gab es ständig Polizeikontrollen. Außerdem waren die meisten Häftlinge ja Landarbeiter, Proletarier. Die wollten in ihr Dorf zurück, zu ihren Frauen und Kindern, die sie seit Jahren nicht gesehen hatten. Spätestens wenn sie dort auftauchten, wurden sie verhaftet. Aus den drei Arbeitskompanien gab es in all dieser Zeit nur 44 Fluchtversuche."
    Aber nur zwei Ausbrüche hatten Erfolg: Der von Nicolás Sánchez-Albornoz selbst und der eines ebenfalls verurteilten Studienfreundes.
    Ihre Studentengewerkschaft hatte Kontakte in Paris. Vier Monate nach dem Strafantritt rannten die beiden Häftlinge in der Nacht durch den Wald zum Nachbarort El Escorial. Dort wartete eine ganz besondere Eskorte:
    "Der Schriftsteller Norman Mailer war mit dem Roman "Die Nackten und die Toten" über den Pazifikkrieg sehr erfolgreich. Er machte daraufhin eine Europareise und kaufte sich dafür in Paris einen Peugeot. Barbara, seine Schwester, holte uns damit zusammen mit einer Freundin in El Escorial ab. Die Guardia Civil stoppte uns zwar alle 30 Kilometer. Aber das Auto hatte eine amerikanische Flagge, wir waren jung, wurden von zwei hübschen Amerikanerinnen begleitet, hatten sehr gut gefälschte Passierscheine. Die Polizisten dachten, wir sind auf einer Partyreise.
    Die Regierung will aus dem Pilgerort ein Mahnmal machen
    Spaniens Regierung will aus dem Ort ein Mahnmal machen. Doch Albornoz hält das für unmöglich, auch wenn sie Franco umbettet. Zu eng sei die triumphale Architektur mit dem Regime verbunden. Stattdessen wünscht sich der 92-Jährige:
    "Das Kreuz schwankt bei Wind einen Meter von einer Seite zu anderen. Bei den Stürmen im Gebirge kann es durchaus eines Tages einstürzen. Irgendwann passiert das sicher. Man sollte es der Natur überlassen. Für mich arbeitet die Natur allerdings sehr, sehr langsam."