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Frankreich
Jean-Marie Le Pen muss Front National verlassen

Es ist das Ende einer Ära in der französischen Politik. Die eigene Tochter des Front-National-Gründers Jean-Marie Le Pen, die sich Chancen auf die Präsidentschaft ausrechnet, hat gegen den Provokateur und NS-Verharmloser mobil gemacht. Die Partei folgte ihr, nicht dem 87-Jährigen. Er wurde ausgeschlossen.

Von Ursula Welter |
    Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen verlässt die Parteizentrale in Nanterre bei Paris.
    Jean-Marie Le Pen, Gründer des rechtsextremen Front National in Frankreich, ist aus seiner Partei ausgeschlossen worden. (afp / Kenzo Tribouillard)
    Als der „Monarch", der „bretonische Hinkelstein", der „Dickkopf" und wie sonst noch die Spitznamen lauten, die ihm Freund oder auch Feind verpasst haben, als Jean-Marie le Pen also vor der Parteizentrale erschien, hatte er wie stets, die Fensterscheibe der Limousine weit heruntergekurbelt, um möglichst vielen Mikrofonen Platz zu machen: "Ich werde gegen deren Auftritt protestieren und ihnen das Recht absprechen, über mich zu richten."
    Sagte der Parteigründer des Front National, der in den Farben Frankreichs, vor dem Disziplinargremium erschienen war: blaues Jackett, rötliche Krawatte, weißes Hemd, im Fond des Wagens die Ehefrau - ob er der Sitzung des Exekutivbüros bis zum Ende beiwohnen wolle, wurde er gefragt: "...aber sicher, er sei ja Mitglied..." , lachte Le Pen. Denn er plante, von seinen Anwälten begleitet, eine juristische Gegenoffensive, sein Name stehe ja nicht auf der Liste der Mitglieder des Disziplinargremiums, obwohl er doch, den jüngsten Gerichtsbeschlüssen zufolge, wieder in alle Ämter eingesetzt sei, klagte Le Pen zunächst. Damit gehe es um die Gültigkeit dieser Beratung und des Beschlusses, sagte Le Pens Anwalt, Frédéric Joachim .
    Vorwürfe wegen Verharmlosung der Nazi-Verbrechen
    Erst nach diesen juristischen Einlassungen konnte das Parteigremium des Front National die 15 „Anklagepunkte" der Partei auf den Tisch legen, Vorwürfe wegen wiederholter Verharmlosung der Nazi-Verbrechen und der Vichy-Kollaboration, sowie die öffentliche Beschimpfung von Parteimitgliedern durch Jean-Marie le Pen.
    Tochter Marine und der Parteivize Philippot hatten es vorgezogen, an den Beratungen nicht teilzunehmen, damit ihnen nicht später Parteilichkeit unterstellt werden könne, wie sie erklärten. "Die Chefs sind im Schutzkeller, hier sind nur Fußtruppen" . Machte sich der Parteigründer der französischen Extremisten über die verkleinerte Runde des Disziplinargremiums lustig.
    Nach dreieinhalb Stunden verließ Vater le Pen die Runde allerdings verändert, gleichsam die weiße Fahne in der Hand, sagte er: "Ich habe meinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass diese etwas polemische Episode eine Etappe hin zur aktiven Wiedervereinigung des Front National ist." Dieses Zeichen müsse von der Partei kommen. Aber Jean-Marie le Pen sollte sich irren. Das Exekutivbüro entschied, den Parteigründer , der fast vierzig Jahre den Front National gelenkt hatte, aus der Partei auszuschließen.
    "Folge wiederholten Fehlverhaltens"
    Jean-Marie le Pen schien es geahnt zu haben, er stehe allein da, sagte er im Hof der Parteizentrale, die Nationalheilige, Jeanne d'Arc, die den Eingang schmückt, im Rücken.
    Der Ausschluss des Vaters aus der Partei, sagte Parteichefin Marine le Pen gegenüber der Nachrichtenagentur afp, sei die konsequente Folge wiederholten Fehlverhaltens.
    Die Suspendierung der Parteimitgliedschaft im Frühsommer und die Aberkennung der Ehrenpräsidentschaft durch schriftliche Befragung der Parteimitglieder hatte Jean-Marie le Pen allerdings mit Erfolg vor Gerichte annullieren lassen. Und auch jetzt sagen seine Anwälte: Die Parteispitze pfeife offenbar auf die Gerichtsurteile, Vater le Pen wird also weiter streiten, ob man ihn ausschließen durfte, oder nicht.
    Die erste Reaktion vom Familienanwesen der le Pens aus überließ der 87jährige seiner zweiten Ehefrau Jeannie, die nicht die Mutter von Parteichefin Marine ist: "Es geht ihm gut", sagte die Gattin le Pen im französischen Fernsehen."Er ist unbeirrbar, wie er sich ausdrückt." Das Telefon klingele ununterbrochen, es gebe viele Solidaritätserklärungen für Jean-Marie le Pen, der aus seiner Partei ausgeschlossen wurde.