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Frankreich
Womöglich verborgener Einsatz in Libyen

In Syrien beteiligt sich Frankreich zwar an den Bombardements von IS-Stellungen, weltpolitisch wahrgenommen wird das Land dabei aber nicht sonderlich stark. Umso wichtiger erscheint es, in Libyen eine führende Rolle zu übernehmen - es vermehren sich Anzeichen, dass es hier bereits verdeckte Operationen des französischen Militärs gibt.

Von Jürgen König | 25.02.2016
    IS-Terroristen steckten ein zentrales libysches Öl-Verladeterminal am Mittelmeer in Brand
    IS-Terroristen steckten ein zentrales libysches Öl-Verladeterminal am Mittelmeer in Brand (Imago)
    Offiziell gibt es in Libyen kein französisches Militär, aber das besagt wenig. Denn es häufen sich Meldungen, wonach Frankreich sehr wohl in Libyen aktiv sein soll: Zuletzt schrieb Nathalie Guibert in der Mittwochsausgabe der Tageszeitung "Le Monde" von verschiedenen Bloggern, die herausgefunden hätten, dass im Osten Libyens seit Mitte Februar schon französische Spezialkräfte unterwegs seien.
    Sie schreibt auch, "mehrere Quellen" würden "verdeckte Operationen" des französischen Auslandsnachrichtendienstes DGSE in Libyen belegen. Und Nathalie Guibert zitiert einen "hohen Verantwortlichen der französischen Verteidigung", wonach ein "offenes militärisches Eingreifen in Libyen unbedingt verhindert" werden müsse, das wäre "die allerletzte Möglichkeit", nein, "unauffällig" müsse man handeln: "discrètement".
    Sinn dieser Maßnahmen sei es, herauszufinden, wo und in welchem Ausmaß die Terrormiliz Islamischer Staat in Libyen schon Fuß gefasst hat. Vor allem ihr Umfeld werde untersucht, um eine Antwort auf die Frage zu finden, wie der offenbar ständig zunehmenden Macht des IS in Libyen etwas entgegengesetzt werden könnte.
    Angaben nicht überprüfbar
    Nachprüfen lassen sich derlei Angaben natürlich nicht – völlig aus der Luft gegriffen dürften sie nicht sein: Libyen gilt als Rückzugsgebiet für IS-Kämpfer aus Syrien und dem Irak, schon jetzt bombardieren die USA vereinzelte Ziele aus der Luft. Und auch britische Medien berufen sich auf Informationen, wonach die USA, Großbritannien und eben Frankreich "seit Monaten" einen "Luftkrieg" in Libyen vorbereiten würden.
    Dies könnte für Frankreichs Ansehen um so wichtiger werden, als es in Syrien zunehmend an den Rand gedrängt zu werden scheint, obwohl es sich am Kampf gegen IS-Stellungen beteiligt. Dass die Waffenruhe allein zwischen Putin, Obama und Assad ausgehandelt wurde, kam in Frankreich gar nicht gut an, Staatspräsident Hollande, erst im Südpazifik, jetzt in Südamerika unterwegs, fand wenig lobende, eher nur staatstragende Worte:
    "Eine Waffenruhe ist angekündigt worden, sie muss unbedingt respektiert werden. Auf das syrische Regime und seine Unterstützer - und in diesem Fall auch auf Russland - muss Druck ausgeübt werden, damit die Bombardierungen aufhören und die humanitäre Hilfe auf den Weg gebracht werden kann. Wir werden unsere Anstrengungen fortsetzen, auf dass diese Periode der Ruhe, wenn sie denn tatsächlich eingehalten wird, auch politische Veränderungen möglich macht."
    Offener Brief fordert militärisches Handeln in Syrien
    Ausgerechnet jetzt, zu Zeiten beschlossener Waffenruhe, macht ein offener Brief französischer Künstler die Runde, am Wochenende in der Zeitung "Libération" erschienen. Ein Brief, der Präsident Hollande ausdrücklich zum Handeln in Syrien auffordert. Und das meint ziemlich unverhohlen: militärisches Handeln. Erstunterzeichner ist Jack Lang, vor Jahren Präsident Mitterands Kulturminister, der heute, 77-jährig, in Paris das renommierte "Institut der arabischen Welt" leitet. Und der sich seit Langem immer wieder zu Wort meldet – auch zum Krieg in Syrien und zur Zerstörung der antiken Stätten.
    "Das syrische Regime ist ein mörderisches und zerstörerisches Regime. Aleppo ist buchstäblich in Stücke zerbrochen. Der Islamische Staat hat seinen Anteil daran, an den Zerstörungen und Diebstählen. Aber Assad war und ist auch ein großer Zerstörer – von menschlichem Leben und von Kunstwerken der Antike."
    Sagt Jack Lang und zeigt sich immer wieder fassungslos.
    "Es bewegt mich sehr und gleichzeitig fragt man sich: Ist das wirklich wahr? Dass einige der bewundernswertesten Stätten dieser Welt, einige der eindrucksvollsten, ja bewegendsten Reste der römischen und damit unser aller Zivilisation - dass das einfach verschwinden könnte. Ich kann das gar nicht glauben. Man sieht die Bilder, und der menschliche Geist, die Vernunft - sie werden verletzt, beleidigt."
    Auch der offene Brief greift beide Aspekte auf: den hunderttausendfachen Tod und die Zerstörung einer ganzen antiken Welt. Die syrischen Rebellen der Opposition solle Präsident Hollande unterstützen, nur sie könnten auch den IS besiegen. Das ganze Thema der Flüchtlinge bleibt ausgespart.
    Eine Stellungnahme des Präsidenten Hollande gibt es noch nicht, auch das öffentliche Interesse ist eher gering. Frankreich ist mit sich selbst beschäftigt: die vielen Arbeitslosen, die Proteste gegen das geplante neue Arbeitsrecht, die Krise der Landwirtschaft, das Flüchtlingsdrama von Calais - und all die anderen Sorgen.