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Frankreichs Parti Socialiste (5/5)
Mit Marx und für Europa

Den Sozialisten geht es schlecht. Wer wüsste das besser als der Kommunikationschef der Pariser PS. Aleksander Glogowski ist nicht gut auf Emmanuel Macron zu sprechen. Um so besser denkt er von Deutschland und von Europa.

Von Ursula Welter | 06.04.2018
    Der Kommunikationsbeauftragte der Paris PS, Aleksander Glogowski, sitzt vor einer Marx-Büste in einem Raum des langjährigen PS-Hauptsitzes in der Rue de Solférino in Paris
    Auf Augenhöhe mit Karl Marx: Aleksander Glogowski, der Kommunikationsbeauftragte der Pariser PS (Deutschlandradio / Ursula Welter)
    Das Büro von Aleksander Glogowski im Hauptquartier des PS liegt hoch oben unter dem Dach.
    "Pünktlichkeit?"
    Ein deutscher Gast mit zehn Minuten Verspätung, Aleksander triumphiert. Küsschen links, Küsschen rechts.
    "Es gibt hier den Tisch und es gibt hier eine Überraschung", sagt er zur Begrüßung: "Une table et une surprise"
    Auf dem Tisch liegt eine alte Ausgabe der SPD-Mitgliederzeitung "Vorwärts" aus dem Jahr 2013, schon damals ging es um Koalitionsverträge mit der Union. Die Überraschung? Steht in der Ecke am Fenster, eine mächtige Büste von Karl Marx.
    "Ah, Karl Marx …, darf man den fotografieren?"
    "Bien sûr, klar!"
    Karl Marx und Charles de Gaulle
    Wir sind sehr stolz darauf, sagt Aleksander, den haben wir vom "Ours" bekommen - einem Forschungs- und Dokumentationszentrum, das sich vor allem mit Geschichte und Gegenwart des Sozialismus beschäftigt.
    Die seien umgezogen und hätten Marx der Parteizentrale der Sozialisten überlassen. Da steht er nun, unter dem Dach des Gebäudes, das nach der krachenden Wahlniederlage 2017 und wegen akuter Geldnöte verkauft werden musste. Marx wirkt gelassen. Aleksander auch.
    Blick aus dem ovalen Fenster in der langjährigen Parteizentrale der Französischen Sozialisten in Paris
    Über den Dächern von Paris: Blick aus dem ovalen Fenster in der langjährigen Parteizentrale der Französischen Sozialisten in Paris (Deutschlandradio / Ursula Welter)
    Er habe ihn hier jetzt ausgestellt, auf Augenhöhe mit dem Lothringer-Kreuz des De-Gaulle-Instituts auf der anderen Straßenseite – Aleksander zeigt aus dem ovalen Fenster.
    "Marx und de Gaulle", amüsiert er sich.
    Macron sitzt den Sozialisten im Nacken
    Aber die Konservativen sind nicht das Problem, meint Aleksander. Den französischen Sozialisten geht es schlecht und Macron sitzt ihnen im Nacken. Darum geht es nun beim Café in der Dachstube des Kommunikationsbeauftragten der Pariser PS.
    Aleksander Glogowski ist Franzose mit russischen, polnischen, litauischen, ukrainischen Vorfahren.
    Und mütterlicherseits, weit oben im Stammbaum, auch griechische Ahnen. Als er klein war, wurde er von einem deutschen Au-pair-Mädchen gehütet. Wenn er sich frage, warum er Deutschland möge, dann glaube er wegen dieses Au-pair-Mädchens.
    Mehr Europa und mehr Sozialismus
    Und heute? Als Sprecher der Pariser PS verdiene er sein Geld, aber als Ehrenamtlicher kämpfe er immer für Europa:
    "Es geht um die noble Aufgabe, die Sozialisten hier in Frankreich dazu zu bringen, europäisch zu denken und zu handeln, um mehr Europa zu schaffen und mehr Sozialismus, beides!"
    Bei einer Kundgebung im französischen Toulouse schwenken pro-europäische Aktivisten EU-Flaggen.
    Bei einer Kundgebung im französischen Toulouse schwenken pro-europäische Aktivisten EU-Flaggen. (imago stock&people)
    In der Einheit liege die Stärke und das gelte für den Sozialismus wie für Europa. Nur okkupiere Macron gerade dieses Thema, das Thema Europa, wenn auch halbherzig, meint Aleksander:
    "Nur mit Worten - für mich sind das schöne Sprüche. Wenn jetzt Leute sagen, Macron ist der Erste, der von Europa spricht, europäisch agiert – das stimmt doch nicht. Als unser Kandidat, Benoît im Wahlkampf auftrat, da gab es überall, überall Europaflaggen."
    Macron rede viel von Europa, aber er müsse erstmal liefern.
    "Nehmen wir die transnationalen Listen für die Europawahlen, die das Parlament gerade abgelehnt hat, die Macron jedoch wollte."
    Was soll das dann sein, fragt Aleksander: 50 Abgeordnete echte Europäer von diesen Listen gegen 700 andere Abgeordnete? Und kann man einen solchen Prozess von oben anordnen?
    "Und jetzt sehen wir einen Macron, der aus dem Nichts heraus eine politische Familie gründen will. Warum ist er denn noch gegen das Prinzip Spitzenkandidat – doch nur, weil er keinen hat."
    Werben für eine gerechtere Gesellschaft
    Sobald Macron die passende Person habe, die als Spitzenkandidat bei den Europawahlen antreten könne, wird er die Idee super finden, glaubt Aleksander.
    "Na, da sage ich, viel Glück, das ist ein extrem heterogener Haufen."
    "Ich betrachte einen Deutschen nicht als einen Deutschen, sondern als europäischen Mitbürger. Wir haben eine gemeinsame Demokratie…und ich werbe für sozialdemokratische Erfolge, für eine gerechtere Gesellschaft."
    Dann bleibt er mit der Marx-Büste zurück in der Dachstube der Parteizentrale, die die französischen Sozialisten bald räumen müssen.