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Frankreichs Rechte
Neues Gesicht, alte Parolen

Er ist 23 Jahre alt und Spitzenkandidat für das Europaparlament: Jordan Bardella ist das neue, junge Gesicht der französischen Rechten, des Rassemblement National. Im EU-Parlament strebt er eine geeinte, rechte Fraktion an. In Frankreich soll er Präsident Macron die große Wahlniederlage bescheren.

Von Sabine Wachs | 21.05.2019
Marine le Pen und Jordan Bardella auf einer Konferenz im Februar, sitzen nebeneinander
Neues Gesicht, alte Parolen: Jordan Bardella mit Marine le Pen (picture alliance / Nicolas Liponne)
Der Salle des Fêtes im elsässischen Fessenheim füllt sich schnell. Die Organisatoren vom Rassemblement National haben Mühe, alle Leute unterzubringen, karren zusätzliche Stühle ran. 54 Prozent haben hier, wo das Atomkraftwerk noch einer der Hauptarbeitgeber ist, bei der Präsidentschaftswahl vor zwei Jahren die Rechtsextremen gewählt. Mehr als 400 Menschen wollen an diesem Abend Parteichefin Marine Le Pen und ihren jungen Star Jordan Bardella sehen und hören.
Unter großem Jubel und mit einer dreiviertel stündigen Verspätung tritt Jordan Bardella – Listenplatz eins des Rassemblement National – ans Rednerpult.
Kind italienischer Einwanderer
Lässig steckt sein Hemd in der Jeans – auf das Sacko verzichtet Bardella. Der 23-Jährige, Kind italienischer Einwanderer, aufgewachsen in einer Pariser Vorstadt verkauft sich bescheiden, als Mann der kleinen Leute, als Kandidat für das wahre Frankreich:
"Das Frankreich der Städte, das Frankreich der Dörfer, das Frankreich der Vergessenen, des Widerstandes, das Frankreich, das durchhält, das aufrecht steht und bereit ist, Emmanuel Macron am 26. Mai an den Urnen die rote Karte zu zeigen."
Ein Plakat zur Europawahl 2019
Wahlplakat der französischen Rechten mit Le Pen und Bardella ( Julien Mattia / Le Pictorium/MAXPPP/)
Bardella macht von Beginn an deutlich, worum es ihm und seiner Partei bei dieser Wahl geht – es geht um die Nation. Natürlich spricht er auch von Europa. Davon, dass sich die Franzosen zwischen einem "Europa des Migrationswahnsinns" und "einem Europa der freien Völker" entscheiden müssten – in erster Linie aber stilisiert er Europa als Feind der Franzosen, zum Beispiel dann, wenn es um die für 2022 geplante Schließung des AKW Fessenheim geht:
"Die Schließung des AKW ist ein wirtschaftliches, ökologisches und strategisches Desaster. Sie ist das Symbol, dass Frankreich eingeknickt ist, dass es seine Unabhängigkeit in der Energieversorgung aufgibt. Frankreich lässt sich erpressen und opfert seine Arbeitsplätze."
Gemeinsam eine Super-Fraktion bilden
Für die altbekannten Parolen der extrem Rechten - die Hetze gegen Migranten, das Schüren der Angst vor der Islamisierung Frankreichs und Europas ist an diesem Abend die Parteichefin zuständig. Marine Le Pen erklärt den Menschen im Saal, sie würden von der EU unterjocht und ein Umsturz der Union sei nur mit einer gemeinsamen Fraktion der Nationalisten im Europaparlament zu schaffen:
"Die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Wer in Frankreich Rassemblement National wählt, dem sei garantiert, dass unsere Abgeordneten in die Fraktion der Nationalisten eintreten werden. Gemeinsam werden wir eine große Fraktion, die Super-Fraktion bilden und die nötige Reformen durchführen."
Nur das, was die europäische Rechte ein zählt. So sieht das auch Johannes Rausch. Der junge Mann im Trachtenjanker ist Sprecher der Jungen Alternative Baden-Württemberg, der Jugendorganisation der AfD. Zusammen mit einer kleinen Delegation unterstützt er an diesem Abend die französischen Rechtsextremen im Wahlkampf. Unterschiede etwa in der Wirtschaftspolitik, Le Pens Partei steht für Protektionismus, die AfD für Freihandel, redet er klein.
"Unsere Vision des Europas der Vaterländer, das eben verstärkt auf das Subsidiaritätsprinzip abzielt, sodass man eben Themengebiete, wo sich die einzelnen Länder unterscheiden auf der nationalen Ebene ausgestalten kann. Aber auch in großen Themen ist die Gemeinsamkeit groß und das möchten wir auch fördern."
Unzufrieden mit Macron
In Fessenheim geht es an diesem Abend allerdings nur am Rande um eine mögliche europäische Fraktion der Nationalisten und deren Programm für Europa.
"Wir bedienen uns dieser Wahl um unserer Unzufriedenheit mit Macron auszudrücken", sagt Fréderic, der sein Frankreichfähnchen schwenkt und seine Sitznachbarin Stéphanie ergänzt: "Wir haben die Schnauze voll von Macrons Partei En Marche, seit zwei Jahren. Wir sind sauer, auf das was passiert."
Jordan Bardella und Marine Le Pen versprechen Fréderic, Stéphanie und allen anderen Anhängern nicht nur die Umwälzung der EU, sie versprechen auch den politischen Umschwung im eigenen Land, fordern den Rücktritt von Macron, sollte seine Partei nicht stärkste Kraft werden. Die Kombination aus diesen zwei Feindbildern, Europa und Macron, kommt an. Nicht nur in Fessenheim. Die Umfragen sehen Le Pens Partei Kopf an Kopf mit Macrons Liste Renaissance – beide bei rund 22 Prozent.