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Frauen in der katholischen Kirche
Madame Soupa möchte Erzbischöfin werden

Anne Soupa bewirbt sich für die Nachfolge von Philippe Barbarin, Erzbischof von Lyon. In der katholischen Kirche dürfen Frauen weder zur Priesterin noch zu Bischöfin geweiht werden, aber die bekannte Theologin meint es ernst. Auch ohne Weihe müsse es möglich sein, ein Bistum zu leiten, sagt sie.

Von Suzanne Krause | 05.06.2020
Die französische Theologin Anne Soupa
Anne Soupa fordert auch Frankreich mehr Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche (OLIVIER CHASSIGNOLE / AFP)
Nur ein Wunder könne bewirken, dass Anne Soupa als Kandidatin für die Nachfolge von Philippe Barbarin an der Spitze des Erzbistums von Lyon eine Chance habe, heißt es unter anderem in der Tageszeitung "Le Monde". Zum einen wird der künftige Amtsinhaber vom Papst ernannt. Zum anderen verwehrt das Kirchenrecht Frauen die Priester- und Bischofsweihe.
All das ist Anne Soupa bestens bekannt. Sie hat in Lyon Theologie studiert, leitet seit über 30 Jahren Bibelgruppen und schreibt Bücher zum Platz der Frauen in der Kirche. Gerade deshalb meint es die zierliche 73-Jährige ernst mit ihrer Bewerbungsinitiative.
"Das war längst überfällig! Eines Tages musste sich einfach eine Frau auf einen Bischofsposten bewerben. Denn Frauen haben die Kompetenz und die Legitimität für eine Leitungsposition. Jesus behandelte die Frauen auf dieselbe Art wie die Männer. Unsere katholische Kirche hat den offenen Geist von Jesus vergessen, sie hat sich hinter einem konservativen Geist verschanzt und es ist höchste Zeit, dass sie sich der heutigen Realität öffnet."
Soupa fordert nicht die Priesterweihe
Soupa fordert nicht, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. Sie bezeichnet ihre Bewerbung eher als Antwort auf einen bisher folgenlosen Vorstoß von Papst Franziskus. 2013 bat er Theologen, zu überlegen, ob der administrative Teil der Diözese-Leitung eventuell an Laien – also auch Frauen - übertragen werden könne. Um verkrustete Machtstrukturen aufzubrechen. Das wünscht auch Soupa.
"Meiner Meinung nach wäre es angebracht, Laien als Leiter einer Diözese zuzulassen, damit könnte die Kirche den Menschen wieder viel näher gebracht werden. Wären Familienväter und Mütter, die sich von Haus aus mit der kindlichen Psyche auskennen, auf verantwortlichen Posten in der Kirche, hätte es weniger Missbrauchsfälle gegeben."
Mit Absicht bewirbt sich Soupa für die Leitung des Erzbistums in Lyon. Vor allem die Aufdeckung des dort Jahrzehnte lang vertuschten sexuellen Missbrauchs durch einen Priester hat die Gläubigen im Land nachhaltig erschüttert. "Von den Skandalen in der Kirche niedergeschmettert, wollen die Katholiken Veränderungen", schrieb "Le Monde" im März 2019.
Viel Engagement, wenig Veränderung
Veränderungen seien dringend nötig, sagt die Theologin und zitiert Ergebnisse der letzten Erhebungen: 60 Prozent der Franzosen bezeichnen sich als dem Katholizismus zugehörig, aber lediglich drei Prozent als regelmäßig praktizierend. Um all die Distanzierten in die Kirche zurückzuholen, so Soupa, müsse diese modernisiert werden. Zum Beispiel, indem sie Frauen mehr Verantwortung, leitende Posten zugestehe.
Ein Thema, das schon 2008 in die Schlagzeilen gekommen war. Damals hatte der Pariser Erzbischof André Vingt-Trois betreffs der Forderung, Frauen stärker am kirchlichen Leben zu beteiligen, öffentlich erklärt: "Es geht nicht darum, einen Rock zu tragen, es geht darum, etwas im Kopf zu haben." Auf diese frauenfeindliche Äußerung reagierten Soupa und andere Aktivistinnen unmittelbar: Sie gründeten den Verein 'Comité de la jupe'. Das sogenannte 'Rock-Komitee' soll den Platz der Frauen in der Kirche verteidigen.
"Unser Verein hat schon viel auf die Beine gestellt: Wir haben vor Jahren einen Kongress veranstaltet sowie Empfehlungen für gute Praktiken in den Pfarrgemeinden herausgegeben. Wir haben Familien unterstützt, die gegen den Ausschluss von Mädchen im Kirchenchor vorgingen. Wir haben zum Thema sehr viel in den Medien eingebracht. Aber verändert hat sich im letzten Jahrzehnt quasi nichts."
"In Frankreich ist ein Rückschritt sichtbar"
Zumindest nicht im positiven Sinne, resümiert die französische Theologin.
"Im Gegenteil! In Frankreich ist ein Rückschritt sichtbar. Die Zahl der Mädchen in kirchlichen Chören sinkt. Ebenso wie die Zahl der Frauen, die in der Sonntagsmesse die Lesung vortragen oder die Kommunion austeilen. All das belegt, dass eine gewisse Tradition erstarkt, die den Frauen schadet. Wir müssen nun zu anderen Mitteln greifen, um unserem Anliegen mehr Gehör zu verschaffen. Denn was wir mit unserem Verein unternommen haben, reicht längst nicht aus."
Voller Bewunderung schaut Soupa auf das Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Eine solche Plattform für den Dialog zwischen Klerikern und Laien fehle in Frankreich. Christliche Aktivistinnen in der Bundesrepublik beneidet sie um deren Zusammenschluss und Solidarität.
"In Frankreich ist eine solche Solidarität zwischen Frauen bislang unbekannt. Hier gibt es eigentlich nur individuelle Initiativen. Beim Blick ins Ausland kann ich viel lernen, sei es von 'Maria 2.0' in Deutschland oder auch von der länderübergreifenden Bewegung ‚The Voice of faith'. All diese Initiativen für eine stärkere Beteiligung der Frauen am kirchlichen Leben müssen wir nun bündeln."
Frauenaufstand in der katholischen Kirche: Auftreten statt Austreten
Frauen stellen mehr als die Hälfte der deutschen Katholiken. Gleichberechtigt sind sie in ihrer Kirche aber nicht. Die Bewegung "Maria 2.0" wendet sich nun gegen die Männerdominanz.
Soupa rechnet nicht mit offizieller Antwort auf Bewerbung
Die Bewegung 'The Voice of faith' lancierte eine internationale Unterstützerpetition für Soupa. Auch im eigenen Land findet die Initiative der Theologin breites Echo. Zwar erklärt die Konferenz der Bischöfe Frankreichs, diese Kandidatur nicht kommentieren zu wollen. Doch eine einheimische Unterschriftenaktion versammelt schon über 5.500 Unterstützer: Von engagierten, teils sehr bekannten Laien bis hin zu Politikern aus dem linken Spektrum. Und im katholischen Privatradio RCF loben nicht nur Hörerinnen Soupas Mut. Alice, 26 Jahre alt, ist in der Diözese in Lyon tätig.
"Ich war zutiefst geschockt, als ich sah, wie bösartig viele praktizierende Katholiken, Männer, auf Soupas Initiative reagieren. Das Thema Platz der Frauen in der Kirche löst viel Hass und Gewalt aus. Ganz so, als würde man ein Tabu berühren. Dabei müssen wir uns alle, Männer und Frauen, gemeinsam dafür einsetzen, dass weltweit die katholische Kirche Frauen mehr Platz einräumt."
Und ein Hörer sagt:
"Man sollte zuerst ermöglichen, dass auch Frauen die Priesterweihe erhalten können. Und sobald es dann Priesterinnen gibt, wäre es gut, Frauen zu Bischöfinnen zu machen. Betreffs der Leitungsgewalt der Kirche wäre dies sehr wichtig."
Soupas Vorstoß scheint gemäßigte Katholiken aus der schweigenden Mehrheit ermuntert zu haben, ihren Wunsch nach Reformen nun laut auszusprechen. Mit einer offiziellen Antwort auf ihre Bewerbung rechnet die Aktivistin allerdings nicht.
"Als Ausblick kann ich sagen: Ich bin keinesfalls allein. Es gibt andere Frauen, die sich morgen um ein Bischofsamt bewerben werden. Folglich bin ich optimistisch, was die Entwicklung dieser Debatte anbelangt."
Anne Soupa ist überzeugt: Eine Zukunft habe die katholische Kirche nur dann, wenn sie in ihren Reihen der gesellschaftlichen Realität, der Gleichstellung von Mann und Frau, Rechnung trage.