Donnerstag, 18. April 2024

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Erfolg der marokkanischen Frauen-Nationalmannschaft
Große Chance für den Frauenfußball

Die marokkanische Frauen-Nationalmannschaft steht zum ersten Mal in ihrer Geschichte im Finale des Afrika-Cup. Beim Halbfinale waren über 45.000 Zuschauer im Stadion, so viele wie noch nie bei einem Frauenfußballspiel in Afrika. Aber welchen Stellenwert hat Frauenfußball wirklich in Marokko?

Von Johan Gallwitz | 23.07.2022
    Die marokkanische Frauen-Nationalmannschaft beim Afrika Cup
    Die marokkanische Frauen-Nationalmannschaft beim Afrika Cup (dpa/ picture alliance / empics)
    Es ist laut am Montagabend, im Fußballstadion von Marokkos Hauptstadt Rabat. Über 45.000 Menschen feuern die Mannschaft unten auf dem Rasen an. Da kämpft im Flutlicht die marokkanische Frauen-Nationalmannschaft um den Einzug ins Finale des Afrika-Cups. Gegen Nigeria geht es ins Elfmeterschießen. In dem haben die Gastgeberinnen die besseren Nerven. Damit steht zum ersten Mal eine marokkanische Frauen-Nationalmannschaft im Finale des wichtigsten Kontinentalturniers Afrikas. Ein Erfolg mit Ausrufezeichen, finden die Zuschauerinnen und Zuschauer nach dem Spiel:
    Mann 1: "Sie sind sehr stark. Sie haben ein großartiges Spiel gezeigt. Ich bin sehr stolz, sie haben Marokko sehr gut vertreten."
    Frau 2: "Sie waren sehr gut, das war ein super Spiel. Die Frauen geben sich damit selbst eine Stimme und ergreifen die Initiative."
    Frau 3: "Ich bin sprachlos. Sie waren fantastisch. Sie spiegeln das Bild der marokkanischen Frau wider. Wir machen alles, was die Männer auch machen. Wir sind stolz, wir haben es drauf, und das zeigen sie."

    "Mit 5-6 Jahren sieht man viele Mädchen auf der Straße Fußball spielen"

    Raus aus der Masseneuphorie, Ortswechsel, vor das Stadion in Casablanca, Marokkos Wirtschaftsmetropole, zweiter Austragungsort dieses Afrika-Cups. Es ist ein spielfreier Tag. Nur ein paar Kinder jagen auf dem Asphalt einem abgewetzten Ball hinterher. Intissar Jahibar schaut ihnen zu, sie ist 38 und studiert in Casablanca. Jahibar hat den ersten Fanclub Marokkos für die Frauen-Nationalmannschaft gegründet, verfolgt den Frauenfußball in Marokko seit Jahren. Sie kann erzählen, wie es um den Frauenfußball steht, wenn nicht gerade der Afrika Cup im eigenen Land stattfindet.
    "Ich habe nicht mit dem Puppengeschirr, in der Küche oder mit Puppen gespielt. Ich fand es immer besser, rauszugehen, herumzurennen, einen Ball zu kicken. Mit 5-6 Jahren sieht man viele Mädchen auf der Straße Fußball spielen. Da ist es noch okay, dass sie das im öffentlichen Raum machen. Aber dann hat man das Gefühl, dass sie verschwinden, sobald sie 10 oder 11 sind. Und dass dann ausschließlich die jungen Männer auf der Straße sind."
    Die Gründe? Einerseits, weil ihnen eben oft gesagt werde, Fußballspielen gehöre sich für junge Frauen nicht. Andererseits, weil es oft nur überteuerte Fußballakademien gibt, oder gar keine Fußballvereine mit einem Angebot für Mädchen. Das ist vor allem in einkommensschwachen Vierteln der Fall, obwohl dort besonders viele Mädchen kicken, erzählt Intissar Jahibar. 

    Mehr Angebote für Frauen notwendig

    "Deshalb braucht es mehr Vereine in der Nähe, mehr Angebote für Frauen in den Vereinen und auch mehr finanzielle Förderung, um diese Angebote zu schaffen."
    Das hat offenbar auch der Marokkanische Fußballverband erkannt. 2018 wurde ein Entwicklungsplan für den Frauenfußball beschlossen. Der beinhaltet vor allem eine finanzielle Förderung für die Vereine der ersten und zweiten Liga. Das Geld ist zweckgebunden: Die Vereine müssen ihren Spielerinnen einen Mindestlohn zahlen und eine U17- und U15-Mannschaft betreiben. Zudem organisierte der Verband dieses Jahr erstmals eine Tour an 30 Schulen im ganzen Land, bei der die Schülerinnen Fußball spielen ausprobieren konnten. Nachwuchs werde aber auch über Vorbilder gewonnen, die in den Medien sichtbar sind, sagt Jahibar. Dafür kämpfe sie mit ihrem Fanclub “National Lioness Squad”. Auf Instagram und Facebook postet sie Bilder und Steckbriefe der Spielerinnen, um sie bekannter zu machen. Aber in erster Linie sei der Fanclub eine Möglichkeit, gemeinsam ins Stadion zu gehen.
    "Weibliche Präsenz ist nicht nur unten auf dem Platz wichtig, sondern auch auf der Tribüne. Wir, die weiblichen Fans, wollen zusammen die Atlas-Löwinnen anfeuern, nehmen unsere kleinen Schwestern und Cousinen mit. Das kann auf sie abfärben. Meine kleine Cousine zum Beispiel. Ich habe sie gefragt, was sie mal werden will. Nachdem sie im Stadion unsere Mannschaft gesehen hat, hat sie gesagt: Ich will Fußballerin werden."
    Ein kleiner Fingerzeig dafür, was der Erfolg der marokkanischen Frauen für die Zukunft bedeuten könnte. Die Euphoriewelle des Turniers, gepaart mit der Förderung des Verbands, hat Potential, um langfristig für bessere Strukturen und mehr Akzeptanz für den Frauenfußball in Marokko zu sorgen.