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Fremdenfeindlichkeit in Polen
Feindbild Islam

Terroristen, Gewalttäter, Sexualverbrecher - immer öfter werden Muslime in Polen öffentlich verunglimpft und grundlos mit Straftaten in Verbindung gebracht. Die pauschale Herabwürdigung von Muslimen ist mittlerweile Alltag in Polen. Dazu trägt auch die Regierungspartei PiS bei.

Von Jan Pallokat |
    Polnische Rechte demonstrieren gegen Flüchtlinge im Mai 2016 im polnischen Slubice, der Nachbarstadt von Frankfurt (Oder) in Brandenburg.
    Während auch in Polen offener Antisemitismus tabubelastet ist, gilt das für Islamophobie nicht. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Sprechchöre gegen Araber im Warschauer Stadtzentrum bei einem Aufmarsch der Allpolnischen Jugend, dem wohl ältesten Rechtsaußen-Verband des Landes mit etwa 5000 Mitgliedern. Dass Polens Rechtsradikale jenseits des traditionellen Antisemitismus einen neuen Hauptfeind gefunden haben, zeigen auch Untersuchungen des Warschauer Zentrums zur Erforschung von Vorurteilen. Psychologin Karolina Hansen erklärt: "Was sich in den letzten Jahren verschlimmert hat, ist der Gebrauch von Hasssprache mit Blick auf Muslime und Flüchtlinge. Obwohl insbesondere letztere in Polen gar nicht vorhanden sind, sind die Leute sehr voreingenommen. Sie wollen keine Flüchtlinge aufnehmen und auch keinen Kontakt mit ihnen."
    Übergriffe nehmen zu
    Ähnliches berichtet auch der Verein "Nie wieder", der Übergriffe gegen Minderheiten dokumentiert. Er spricht von einem "explosionsartigen" Anstieg von Aggressionen gegen die, die der Norm dessen nicht entsprechen, was angeblich einen "richtigen" Polen ausmacht.
    "Nie-Wieder"-Mitbegründer Rafal Pankowski: "Noch vor fünf Jahren haben wir durchschnittlich ein paar Fälle pro Woche registriert. Aber seit Sommer 2015 ist es eskaliert und wir bekommen täglich Informationen über Angriffe gegen unterschiedliche Minderheiten. Auslöser war 2015 die sogenannte Migrationskrise, die Polen eigentlich nicht betrifft - die aber eine Welle von Hasssprache auslöste, wie sie in der jüngeren Geschichte Polens noch nicht vorgekommen ist."
    Meist bleibt es bei Verbalgewalt oder Symbolhandlungen. Physische Angriffe auf Studenten dunkler Hautfarbe oder auf Homosexuelle gibt es zwar auch, aber im Vergleich mit Deutschland und seinen zahllosen rechten Hassverbrechen sind die Zahlen noch moderat. Elf Aufnahmelager gibt es in Polen, in denen hauptsächlich Tschetschenen auf ihren Asylbescheid warten - bislang wurde kein einziges davon attackiert, sagt Jakub Dziubak vom Ausländeramt.
    Politik und Rechtsextremismus verschwimmen
    Gegen das größte Lager südöstlich von Warschau wehrte sich die Gemeinde und eine rechte Initiative mit einem offenen Brief, doch nachdem der Staat versprach, die Zahl der Lagerbewohner zu reduzieren und die der Polizeistreifen zu erhöhen, beruhigte sich die Lage wieder. Dennoch bleibt die Stimmung im ganzen Land gespannt. Emilio, ein Brasilianer mit brauner Haut, der seit drei Jahren in Warschau lebt, berichtet, was sich in der letzten Zeit verändert habe: "Wenn ich vor zwei Jahren die Tram nahm, gab es keine Probleme. Aber wenn ich mich heute setze, und der Platz neben mir ist frei, dann setzt sich niemand dahin. Und es passiert nicht nur einmal, sondern viele Male. Es liegt wohl an meiner Hautfarbe. Ich sehe aus wie ein Araber. Und Araber ist für die Polen - ein Terrorist."
    Während auch in Polen offener Antisemitismus tabubelastet ist, gilt das für Islamophobie nicht. Die Sprache der Regierungspartei unterscheidet sich hier nicht von der der extremen Rechten; auch im linientreuen Sender TVP tauchen Muslime praktisch ausschließlich auf im Zusammenhang mit Terror, Gewalt und Sexualverbrechen. Wie sehr die Grenzen zwischen Nationalkonservativ und Rechtsextrem verschwimmen, zeigte sich unlängst in der Stadt Radom. Als ein rechter Mob dort Oppositionspolitiker attackierte, äußerte Regierungssprecherin Mazurek Verständnis - für den Ausbruch der Gewalt: "Jede Reaktion ruft eine Gegenreaktion hervor. Wer lebt, hat Emotionen, und das kam in Radom zum Ausdruck. So was sollte nicht vorkommen, aber irgendwie verstehe ich es."
    Pauschale Verurteilungen sind alltäglich
    Immer wieder schreiten Anhänger der PiS-Partei mit schwarzgekleideten Schlägern des neofaschistischen "Nationalradikalen Lagers" Seit' an Seit', wie etwa beim jährlichen Massenaufmarsch polnischer Nationalisten am Nationalfeiertag im November.
    Justyna Semolinska von der kleinen linken Partei Razem beklagt: "Es wird immer schlimmer, weil die Regierung diese und andere faschistische Organisationen unterstützt. Wir erleben, wie sie an staatlichen Feierlichkeiten mit Rechten teilnehmen. Sie halten Vorträge an den Hochschulen, und die rechten Bands treten in öffentlichen Gebäuden auf. Seit der Machtübernahme der PIS hat sich die radikale Rechte ausgebreitet, und ihre Anhänger denken, dass sie straffrei ausgehen."
    Was bislang nicht der Fall ist. Die Polizei schreitet ein, Urteile werden verhängt. Der harte Kern der polnischen Rechtsextremen umfasst einige 1000 Personen. Aber ihre Sprache und ihre Themen haben Fuß gefasst. Die pauschale Herabwürdigung von Muslimen etwa als Terroristen und Gewalttäter ist alltäglich geworden.