Donnerstag, 25. April 2024

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Friedrich (CSU) über Merkels Kandidatur
"Euphorie kommt deswegen nicht auf"

Natürlich akzeptiere die CSU Merkels Entscheidung für eine weitere Kanzlerkandidatur, meint der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Hans-Peter Friedrich. Merkel habe Gründe dafür gehabt, sich jetzt zu positionieren. Aber Euphorie komme nicht auf, sagte der CSU-Politiker im Deutschlandfunk.

Hans-Peter Friedrich im Gespräch mit Jasper Barenberg | 21.11.2016
    Hans-Peter Friedrich in der ARD-Talksendung "Anne Will"
    Der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich. (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    "Es geht nicht um Freundlichkeiten. Es geht darum, dass wir in den vergangenen Wochen, um viele Sachthemen gerungen haben. Wir hätten uns erst Einigkeit gewünscht, bevor die Kanzlerkandidatur ausgerufen wird." Für Merkel sei dies wohl der richtige Zeitpunkt gewesen. "Merkel hat ein wichtiges Argument, sie hat wohl das Gefühl, dass sie beim Parteitag nicht sagen kann, ich kandidiere zwar als CDU-Vorsitzende stehe aber vielleicht oder auch nicht für das Amt des Kanzlerkandidaten zur Verfügung."
    "Wir haben noch 10 Monate bis zur Wahl. Zunächst ist sie Kandidatin der CDU. Wir bleiben bei unserem Zeitplan, dass das in den ersten Monaten des neuen Jahres entschieden wird." Es sei aber gut, dass bei der CDU Klarheit herrsche, bei der SPD sei noch nichts klar.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Jasper Barenberg: Am Telefon begrüße ich den CSU-Politiker und Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich. Schönen guten Morgen.
    Hans-Peter Friedrich: Hallo! Guten Morgen.
    Barenberg: Herr Friedrich, warum fällt es an der Spitze der CSU eigentlich so schwer, auch nur einen freundlichen Satz über die erklärte Kandidatur von Angela Merkel zu sagen?
    Friedrich: Nein, darum geht es nicht. Es geht nicht um Freundlichkeiten, sondern es geht darum, dass wir in den letzten Wochen gerungen haben um gemeinsame Positionen in wichtigen Sachthemen. Dass wir in vielen Bereichen noch keine Einigkeit haben und dass wir uns natürlich gewünscht hätten, dass wir in diesen Sachthemen zunächst mal Gemeinsamkeit erzielen, bevor die Kanzlerkandidatur ausgerufen wird. Aber gut, dass wir akzeptieren, dass es jetzt für sie der richtige Zeitpunkt war.
    Barenberg: Die Vereinbarung war ja, erst die Inhalte klären, dann das Personal dazu wählen. Das haben Sie gerade erwähnt. Aber es ist jetzt nicht schlimm, dass es anders gekommen ist?
    Friedrich: Nein, gar nicht. Wir akzeptieren das natürlich. Angela Merkel hat ein wichtiges Argument. Sie hat den Parteitag und sie hat wohl das Gefühl, dass sie beim Parteitag nicht sagen kann, ich kandidiere zwar als CDU-Vorsitzende, stehe aber vielleicht oder auch nicht als Kanzlerkandidatin zur Verfügung. Das war wohl ihre Überlegung und ich glaube, das muss man akzeptieren.
    Barenberg: Wenn jetzt CSU-Chef Horst Seehofer, der Ministerpräsident von Bayern sagt, es ist gut, dass jetzt Klarheit herrscht und dass sie sich entschieden hat, wie erklären Sie sich, dass mehr Zustimmung, mehr Unterstützung von der CSU nicht zu hören ist?
    "Es ist gut, dass Klarheit besteht"
    Friedrich: Na ja, zunächst mal ist der Satz ja, es ist gut, dass Klarheit besteht, zu unterstreichen. Wir haben noch zehn Monate bis zur Wahl. Insofern sollte man schon wissen, wer auf den verschiedenen Seiten die Kanzlerkandidaten sind, die zur Wahl stehen. Die CDU hat jetzt ihre Kanzlerkandidatin und bei der SPD ist noch nichts absehbar. Insofern ist das schon richtig, zu sagen, es ist gut, dass jetzt Klarheit besteht.
    Barenberg: Wenn Sie sagen, die CDU hat jetzt ihre Kanzlerkandidatin, dann heißt das auch eine gemeinsame, von CSU und CDU getragene Kanzlerkandidatin ist Angela Merkel noch gar nicht?
    Friedrich: Zunächst mal ist sie die Kanzlerkandidatin der CDU und wir werden als CSU alle weiteren Entscheidungen treffen, wenn wir über Inhalte weitere Gespräche geführt haben. Und wir bleiben bei unserem Zeitplan, dass das im Laufe der ersten Monate des neuen Jahres entschieden wird.
    Barenberg: Was wird nötig sein, damit die Kanzlerin auch die Zustimmung und die Unterstützung der CSU für ihre Kandidatur bekommt?
    Friedrich: Na ja, es geht ja nicht in allererster Linie um Personen, sondern in allererster Linie um Inhalte. Und ohne Frage sind CDU und CSU sich als Schwesterparteien natürlich am allernächsten. Aber wir haben offene Punkte. Wir haben bei der Zuwanderungspolitik sehr große Probleme, zueinander zu kommen. Ich glaube, das ist offensichtlich. Aber es gibt andere Themen. Ich nenne mal die Steuerpolitik. Wir sind als CSU der Auffassung, dass dann, wenn der Staat sprudelnde Steuerquellen hat, er Steuern auch, die er nicht braucht, zurückgibt an die Bürger und sie nicht für neue Ausgaben verwendet.
    Barenberg: Hat ja die Kanzlerin angekündigt, dass das nach ihrer Auffassung geschehen soll.
    Friedrich: Genau. Das ist wichtig, dass wir auch da eine Übereinstimmung erzielen. Da sind wir in den Einzelheiten noch nicht einig, aber die generelle Richtung stimmt. Wenn die Kanzlerin das so gesagt hat können Sie daran sehen, dass wir auf einem guten Weg sind.
    Barenberg: Deswegen frage ich mich ja und frage Sie deswegen, weil ich denke, dass viele Hörerinnen und Hörer das jetzt auch noch nicht ganz verstanden haben, was noch fehlt, damit Sie sagen können, ja, das ist auch meine Kanzlerkandidatin. Geht es Ihnen ein wenig so wie Markus Söder, dem bayerischen Finanzminister, der sagt, Respekt für diese Entscheidung, aber alles andere als Euphorie?
    "Von Euphorie ist sowieso nicht die Rede"
    Friedrich: Nein, von Euphorie ist sowieso nicht die Rede, sondern wir haben gesagt, wir akzeptieren die Entscheidung zu diesem Zeitpunkt. Es geht ja jetzt zunächst mal um den Zeitpunkt. Wir haben gesagt, wir wollen erst Inhalte und dann die Entscheidung. Jetzt kommt die Entscheidung zunächst und die Inhalte sind offen. Deswegen sagen wir, wir akzeptieren das, aber Euphorie kommt deswegen nicht auf.
    Barenberg: Liegt das auch möglicherweise daran, dass es fair ist zu sagen, dass Angela Merkel den Zenit ihrer Macht im In- wie im Ausland inzwischen überschritten hat?
    Friedrich: Na ja, das sind so Interpretationen, die von vielen gemacht werden. Ich würde mich da nicht anschließen. Angela Merkel hat eine große Erfahrung als internationale Politikerin. Und ich glaube, ihre Argumentation, in unsicheren Zeiten ist Stabilität notwendig, auch personell, die lässt sich schon hören, und ich glaube, das ist auch richtig so.
    Barenberg: Das heißt, ihre Chancen, wieder Kanzlerin zu werden, sind gut, obwohl Europa nicht mitzieht in ihrer Politik, obwohl die Partei, wie wir gerade gehört haben, oder die Union nicht geschlossen hinter ihr steht und obwohl sie auch in der Bevölkerung Rückhalt verliert?
    Friedrich: Na ja. Zunächst mal kann man nicht erwarten, dass überall ungeteilte Zustimmung besteht. In der Politik geht es immer um Ringen um verschiedene Positionen, auch um Konflikte. Insofern ist es nicht ungewöhnlich, dass es auch streitige Themen gibt. Und dass auch Personen umstritten sind. Aber im Großen und Ganzen muss man gerade mit Blick auf Europa sagen, Angela Merkel ist die einzige große Führerin eines großen europäischen Landes, die jetzt noch die Autorität besitzt, Europa zusammenzuhalten. Insofern sind da schon einige Argumente auf ihrer Seite.
    Barenberg: Aber eine geschlossene Politik in Europa hat sie auch noch nicht herbeiführen können?
    "Das europäische Projekt ist in großer Gefahr"
    Friedrich: Das ist richtig. Ich glaube, dass das europäische Projekt in großer Gefahr ist und eigentlich noch nie in einer solchen Gefahr war. Und wir können jetzt nur hoffen, dass bei den Wahlen in den Niederlanden und auch in Frankreich nicht Schlimmeres passiert, denn wir brauchen alle gemeinsam das gemeinsame Europa.
    Barenberg: Die "New York Times" hat - und das haben viele aufgegriffen - Angela Merkel als letzte Verteidigerin des liberalen Westens gelobt. Hat Angela Merkel das mit guten Gründen aus Ihrer Sicht zurückgewiesen und als geradezu grotesk bezeichnet?
    Friedrich: Das kann ich jetzt schlecht beurteilen. Ich will nur sagen, dass wir eine neue Strömung im Grunde weltweit, in Europa, auch in den USA feststellen, nämlich dass die Menschen jetzt mehr Sehnsucht wieder haben nach Überschaubarkeit, nach überschaubaren Strukturen. Und ich glaube, dass man ihnen dafür Antworten geben muss und auch Angela Merkel dafür Antworten finden muss.
    Barenberg: Bei der letzten Bundestagswahl hat sie damit geworben, "Sie kennen mich!" Reicht es jetzt, wenn es ein "weiter so!" gibt, um gute Chancen zu haben, diese Wahl zu gewinnen?
    Friedrich: Nein, mit Sicherheit nicht. Die vierte Kanzlerschaft ist, sagen viele, die schwerste, eben weil man an vielen Dingen sich schon satt gesehen und satt gehört hat. Und deswegen reicht es nicht aus, zu sagen, sie kennen mich, sondern wichtig ist, dass jetzt wirklich neue Ideen formuliert werden auf neue Herausforderungen, die überall spürbar sind.
    Barenberg: Die Kanzlerin selber hat ja als Stichworte genannt für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf soziale Marktwirtschaft, weiter Maß und Mitte behalten. Was wären neue Ideen, die aus Ihrer Sicht noch dazukommen müssten?
    "Das Thema Eigentum wiederbeleben"
    Friedrich: Jetzt warten wir mal ab, wie ihre Ideen sind. Aber die soziale Marktwirtschaft wieder zu beleben, das Thema Leistungsgesellschaft, das Thema Eigentum, all diese Dinge wiederzubeleben und auch programmatisch zu formulieren, das ist wichtig. Wir wollen als CSU beispielsweise auch wieder aufnehmen in unser Wahlprogramm eine bessere Eigentumsförderung, damit Menschen, vor allem auch Familien sich Eigentum bilden können. Das sind alles wichtige Punkte, die die Stabilität einer freien Gesellschaft auch gewährleisten.
    Barenberg: Und so ein Baukindergeld kann dann verhindern, dass die AfD bei der nächsten Bundestagswahl große Erfolge feiert?
    Friedrich: Wir sitzen nicht wie das Kaninchen vor der Schlange vor dieser Partei, sondern für uns ist entscheidend, dass wir den Menschen erklären können, warum wir aus welchen Grundsätzen heraus welche Politik betreiben. Und dazu gehört auch zum Beispiel in Deutschland Eigentumsbildung für Menschen, um für die Zukunft, auch fürs Alter vorzusorgen. Das sind wichtige Punkte. Wir geben Antworten in Sachfragen. Dass es immer Protest auch an einigen Stellen geben kann, das ist wahr, aber ich denke, es geht darum, die Menschen zu überzeugen, dass man mit seiner Stimme nicht leichtfertig umgeht, sondern eine hohe Verantwortung als Bürger und Wähler hat.
    Barenberg: Der Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich heute Morgen hier im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Vielen Dank!
    Friedrich: Gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.