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Fringe-Ästhetik beim "Young Directors Project"

Das Londoner Ensemble "1927" bildete den Auftakt der experimentellen Bühnensparte der Salzburger Festspiele, dem "Young Directors Project". 1927 - das Jahr, in dem der Stummfilm begann. Diese Ästhetik zog sich auch durch ihre Aufführung.

Von Karin Fischer |
    Es ist schon bezeichnend, dass die Premiere des "Young Directors Projects" eine Produktion einnimmt, die ihren größten Erfolg vor zwei Jahren in Großbritannien hatte: 2011, nach den Unruhen in London und in vielen anderen großen Städten des Landes, passte das Stück wie die Faust aufs Auge: Es geht darin um das Armeleuteviertel Bayou am Rande einer Großstadt, ein überbevölkertes, dreckiges Getto, aus dem heraus sich ein Kinderaufstand formiert. Die Forderung: bessere Bildungschancen und eine Xbox. Als ob die Truppe die Plünderungen der Elektronikgeschäfte damals voraus gesehen hätte!

    Im Jahr 2013, inmitten der Salzburger Kultur-Schickeria, wirkt die Geschichte allenfalls wie ein gut erzählter rabenschwarzer Comic, oft nur wie ein märchenhafter Kinder-Alptraum. Das bedeutet zweierlei: Die Risikofreude beim Young Directors Project ist seit vergangenem Jahr jedenfalls nicht gewachsen, man setzt auf sicheren Erfolg. Und: Dass diese Geschichte hier mehr amüsiert als verstört, hat auch damit zu tun, dass sie einfach sehr gut gemacht ist.

    Die Klavierbegleitung ist live, die Geschichte wird aus dem Off erzählt. Bestechend: die Poesie der Sprache und der blaugrau oder sepiafarben getönten animierten Bilder. In der Performance spielen nämlich nicht die Schauspielerinnen mit ihren weiß geschminkten großäugigen Gesichtern die Hauptrolle, sondern die drei animierten Leinwände hinter ihnen, in die ihr Spiel perfekt eingepasst ist. Die dreißiger Jahre lassen vor allem durch die Musik grüßen, die gezeichneten Filmbilder erinnern weniger an Stummfilm-Ästhetik denn an moderne düstere Comics.

    Da wirbeln Staubwolken über die Leinwand, wenn der depressive Hausmeister den Dreck weg kehrt. Da läuft Ungeziefer über die Wände, während die Besitzerin des Second Hand Shops von Bankern und Bordellen redet. Da fällt eine Horde gezeichneter Kinder über die nette Agnes und ihre Tochter Eavie her, die im Armenviertel mit Kunst und Courage etwas bewegen wollen, vergeblich. Und natürlich ist die Reaktion der Stadtregierung – sie liefert ein Sedativum unter dem niedlichen Namen Grannys Gum-Drops aus! - wesentlich brutaler als die Kinder-Invasion im City Park.

    Die hinreißende Geschichte ist keine soziale Anklage, auch wenn jede Menge Kritik drin steckt: An Bildungsbehörden, Bürgermeister oder Bahn, am Gesundheitswesen oder an der Polizei. Das alles aber ist dezent in poetische Verse, quirligen Klaviersound und einen wunderbare Dialekt verpackt und so auch für ungeübte Theatergänger gut konsumierbar. Die Truppe "1927" ist in Salzburg denn auch am genau richtigen Ort: das "republic" war früher mal ein Kino.