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Front National
Nächste Runde in der Familienfehde

Nach den Äußerungen von Jean-Marie Le Pen in einer rechten Zeitschrift zog Tochter Marine im Mai die Notbremse. Der Parteigründer wurde von seiner Mitgliedschaft suspendiert und der Posten des Ehrenvorsitzenden gestrichen. Nun muss das Exekutivbüro des Front National allerdings erneut und möglichst ohne Formfehler über Sanktionen entscheiden. Fliegt Le Pen dabei endgültig aus der Partei?

Von Ursula Welter | 20.08.2015
    Der Ehrenpräsident der rechten französischen Partei Front National (FN), Jean-Marie Le Pen (r.), Parteichefin Marine Le Pen (2.v.r.) sowie Marion Marechal-Le Pen nehmen am 1. Mai 2013 an einem Marsch in Paris teil.
    Der Gründer der rechten französischen Partei Front National (FN), Jean-Marie Le Pen (r.), Parteichefin Marine Le Pen (2.v.r.) sowie Marion Marechal-Le Pen in Paris (afp / Eric Feferberg)
    Jean-Marie Le Pen hat seine Anhänger. Der "bretonische Hinkelstein", wie ihn seine Fans mit respektvollem Unterton nennen, will nicht weichen.
    Er sei weiterhin kämpferisch, sagt Jean-Marie Le Pen und im Kopf wie im Herzen unerbittlich fest.
    So geht die Familienfehde des Le Pen Clans am heute in eine neue Runde. Seit fünf Monaten hält die öffentliche Schlacht an – der Streit des Parteigründers, Vater Jean-Marie, mit der Parteichefin, Tochter Marine und am Rande, als genervte Zuschauerin, der hoffnungsvolle Nachwuchs der Familie, Nichte Marion, die als jüngste Abgeordnete im französischen Parlament sitzt, und die bei den Regionalwahlen im Süden im Dezember die Region für sich gewinnen will, in der ihr Großvater viele Anhänger hat.
    Im April hatte Jean-Marie Le Pen in einer rechtsextremen Postille erneut die Gaskammern im Zweiten Weltkrieg als "Detail der Geschichte" bezeichnet und dies später im Fernsehen wiederholt. "Das sei die Wahrheit", sagte der alte Le Pen, der im Laufe seines Lebens für Bemerkungen wie diese mehrfach verurteilt wurde. Aber diesmal zog die Tochter die Notbremse, die 2011 das Ruder der Parteispitze vom Vater übernommen hatte. Sie lasse nicht zu, dass der Front National für die wiederholten Provokationen durch Jean-Marie Le Pen haftbar gemacht werde.
    Tochter leitete Disziplinarverfahren ein
    Marine Le Pen leitete ein Disziplinarverfahren ein, der Vater wurde von seiner Parteimitgliedschaft suspendiert und die Parteimitglieder wurden schriftlich befragt, ob sie die Statuten ändern und den Posten des Ehrenpräsidenten abschaffen wollten. Eine doppelte Ohrfeige, die sich der 87-Jährige nicht bieten ließ, er klagte und bekam recht.
    So muss das Exekutivbüro der Partei am heute erneut und möglichst ohne Formfehler über Sanktionen entscheiden. Der Vater wird erwartet, die Tochter aber hat ihr Kommen abgesagt. Sie werde Jean-Marie Le Pen nicht die Gelegenheit für diesen "Zirkus samt Medien" geben, ließ sie durchsickern und öffentlich erklären, die Sitzung solle in aller "Sachlichkeit" stattfinden. Die Tochter will den leiblichen Vater, der ihr politischer Ziehvater ist, also abschütteln, will Staatspräsidentin Frankreichs werden und kann den Ballast öffentlicher, antisemitischer und rassistischer Bemerkungen dabei nicht gebrauchen.
    Jean-Marie Le Pen beherrscht die Kunst der Inszenierung
    Aber Jean-Marie Le Pen beherrscht die Kunst der Inszenierung, die Tochter säge an dem Ast auf dem sie sitze, klagte er in vielen Sommerinterviews und wiederholte seine Vermutung, dass Marine von ihrer Umgebung, zumal von Parteivize Florian Philippot manipuliert werde. Am ersten Mai, als der Familienstreit bereits eskaliert war, hatte der Vater der Tochter den traditionellen Auftritt am Denkmal von Jeanne d'Arc in Paris verhagelt und vor laufenden Kameras und im auffällig roten Mantel den Kopf in den Nacken gelegt und die Nationalheilige laut um Hilfe angerufen:
    "Jeanne, au secours!"
    Deutlicher Riss in der Partei
    Ob die Jungfrau von Orléans ihm, der Partei oder Frankreich zu Hilfe kommen sollte, ließ Jean-Marie Le Pen offen. Seine Anhänger dankten es ihm mit Jubelrufen - und der Riss, den der Streit um die Position des Parteigründers innerhalb des Front National zieht, ist deutlich sichtbar. So zog sich unlängst auch der ehemalige Chef der FN-Jugendorganisation, Julien Rochedey, unter Protest zurück – er glaube, so schrieb dieser vor wenigen Tagen auf seinem Internet-Blog, dass die Partei der "le-penisten" ohne den Monarchen nicht überleben werde: das politische Produkt Marine Le Pen und auch das der Nichte Marion sei deutlich verderblicher, als jenes, für das der Zitat "Dickkopf" Jean-Marie stehe.
    Dieser ließ sich fröhlich im Garten seines Anwesens am westlichen Stadtrand von Paris zum Sommerinterview nieder, das Leben bestehe aus Erfolgen und aus Niederlagen.
    Programmtipp:
    Hören Sie zum Thema am heute um 7.40 Uhr ein Gespräch mit unserer Korrespondentin Ursula Welter sowie in der Sendung Europa Heute den Beitrag "Sans toi - Neue Runde im Familienstreit der Le Pens".