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"Für eine neue Generation von Verwaltungsbeamten"

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold will den Kampf gegen die Korruption in Afghanistan mit einer Ausbildungsstelle für Beamte unterstützen. Korrupte Beamte und Minister müssten dagegen ausgetauscht werden.

Rainer Arnold im Gespräch mit Silvia Engels | 19.11.2009
    Silvia Engels: Lange Zeit war geheim gehalten worden, dass Außenminister Westerwelle zur Amtseinführung von Hamid Karsai nach Afghanistan reisen würde. Sicherheitsgründe waren dafür ausschlaggebend und die Sorge vor Anschlägen ist durchaus berechtigt, war doch erst vor wenigen Tagen der Hubschrauber von Verteidigungsminister zu Guttenberg in Afghanistan beschossen worden. Verletzt worden war damals niemand. Der FDP-Chef ist allerdings sicher in Kabul angekommen und auch die Vereidigung des umstrittenen alten und neuen Präsidenten ist vollzogen. Am Telefon ist nun Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Tag, Herr Arnold.

    Rainer Arnold: Schönen guten Tag.

    Engels: Hamid Karsai ist also frisch vereidigt. Er hat angekündigt, die Korruption besser zu bekämpfen. Auch Sie, Herr Arnold, kennen ja die Lage in Afghanistan seit Jahren. Glauben Sie ihm?

    Arnold: Natürlich ist das ein wichtiges Thema und ich glaube schon, dass er willens ist, und es gibt auch Stellschrauben, wo er als Präsident etwas bewegen kann, nämlich an der Spitze seiner Administration. Dort müssen konsequenter Menschen, Minister, Bezirksfürsten ausgetauscht werden, die Korruption mitmachen, Korruption stützen. Die breite Alltagskorruption im Land, in ganz Afghanistan, das ist eine Aufgabe, die kann der Präsident nicht alleine, schon gar nicht top down klären, das ist eine Langfristaufgabe. Deshalb müssen wir, ich glaube, auch aufpassen als Deutsche und als Staatengemeinschaft insgesamt, dass wir zu Herrn Karsai sagen, ja, unsere Hilfe ist nicht unkonditioniert, natürlich haben wir Bedingungen. Aber es ist ja wohlfeil zu fordern, bekämpfe die Korruption, wir müssen dann schon ein bisschen Butter dazugeben und sagen, welche Beiträge leisten wir. So wünsche ich mir zum Beispiel, dass wir Deutschen in Masar-i-Sharif zu dieser Polizeiakademie auch eine Ausbildungsstätte für eine neue Generation von Verwaltungsbeamten für Afghanistan schaffen. Nur wenn von unten raus eine neue Beamten- und Verwaltungsstruktur entsteht, wird auch Korruption kleiner werden.

    Engels: Ist so etwas denn geplant und wie viel würde das kosten?

    Arnold: Dies wurde schon mal angedacht und ich wünsche mir sehr, dass die neue Bundesregierung nicht in allen Punkten auf diese Konferenz wartet und sagt, danach entscheiden wir neu und denken neu. Ich wünsche mir schon, dass die Bundesrepublik mit eigenen Vorschlägen auf die Konferenz zugeht, und meine Fraktion wird bei der anstehenden Afghanistandebatte solche Vorschläge auch im Bundestag auf den Tisch legen.

    Engels: Hilfe soll es geben, sagen Sie, aber sie ist an Bedingungen geknüpft. Kann man denn auch so weit gehen zu sagen, nur die Korruptionsbekämpfung und eine wirksame, erfolgreiche Strategie in diesem Bereich sorgt dafür, dass auch der Truppeneinsatz in Afghanistan sichergestellt bleibt? Heißt: Sollte man diese beiden Themen irgendwie verknüpfen?

    Arnold: Die Korruptionsbekämpfung ist eine der wichtigen Säulen, aber wir dürfen nicht vergessen: Wir sind ja auch in Afghanistan, weil wir wirklich eigene Interessen haben. Kein Rückzugsraum mehr für Terror und vor allen Dingen die regionale Stabilität. Angesichts der fragilen Situation in Pakistan wird das immer wichtiger. Deshalb ist das Drohpotenzial von uns natürlich auch nur ein begrenztes, weil wir gleichzeitig ein hohes Interesse daran haben, dass wir dort bleiben, bis der Prozess in Afghanistan so abgeschlossen werden kann, dass die Afghanen selbst mit ihren Problemen umgehen.

    Engels: Seitdem die neue Bundesregierung im Amt ist, Herr Arnold, wird viel über Abzugspläne spekuliert. Es ist die Rede davon, dass möglicherweise das deutsche Truppenkontingent im Norden schon im kommenden Jahr reduziert wird. Wäre das ein gutes Konzept?

    Arnold: Dieses Konzept ist nicht neu, es kommt auch nicht von der neuen Bundesregierung, sondern es ist seit Langem klar, dass nach dem Wahlprozess in Afghanistan begonnen wird, in diesen Distrikten, in denen es eine relativ gute Stabilität gibt – und das ist im Norden in vielen Bereichen der Fall -, die Sicherheitsverantwortung den Afghanen in die eigenen Hände zu übertragen. Die internationalen Truppen, im Norden dann die deutschen, wären dann eher Mentoren und leisten technische und logistische Unterstützung für die afghanische Polizei und die afghanische Armee. Dieser Prozess war geplant und der soll jetzt im Norden auch entschieden vorangetrieben werden. Wir sind ja nicht nur in Kundus, sondern wir sind ja auch in Faisabad und dort haben wir eine gute Stabilität und das wäre so ein Stützpunkt, wo die Deutschen dann zumindest ausdünnen können. Was ich nicht glaube ist, dass das kurzfristig dazu führt, dass wir weniger Soldaten in Afghanistan haben werden. Ich glaube, wir brauchen die dann an anderen Stellen im deutschen Bereich, zum Beispiel in Kundus, sehr, sehr dringend. Es führt also zu einer Verlagerung des Engagements dorthin, wo es dann wirklich ganz besonders notwendig ist.

    Engels: Herr Arnold, trotzdem hat die SPD in ihrer Regierungszeit immer vermieden, konkrete Daten zu nennen. Erst ganz gegen Ende im Wahlkampf wurde das etwas anders. Haben Sie denn jetzt eine klare Vorstellung, wann die Soldaten auch endgültig abziehen sollen?

    Arnold: Ich glaube, ein Datum zu nennen, ist auch jetzt noch falsch, aus strategischen Gründen gegenüber den Aufständischen. Man kann ja nicht ankündigen, wann man ihnen das Feld überlässt. Wir müssen in der Tat Ziele setzen: was muss erreicht werden? Das kann man dann auch mit Daten versehen, damit man es auch überprüfen kann. Ich würde lieber sagen, wir müssen auf Sicht, das heißt in den nächsten paar Jahren in Afghanistan eine deutliche Tendenzwende schaffen hin zu mehr Sicherheit. Ich habe nie zu denen gehört, die geglaubt haben, dass wir 10, 15 Jahre in Afghanistan sein können. Das halten die westlichen Demokratien, nicht nur wir Deutschen, letztendlich überhaupt nicht durch. Das heißt, wir müssen auf Sicht eine Umkehr schaffen. Das ist deshalb auch notwendig, weil das Vertrauen der Afghanen auf einer zu langen Zeitschiene ja nicht größer wird. Auch die Menschen dort werden ja ungeduldig werden. Deshalb glaube ich schon, dass das, was Barack Obama sagt, in den nächsten paar Jahren muss es zu schaffen sein, eine wichtige Wegmarke ist.

    Engels: Im Herbst muss der Bundestag der Verlängerung des Afghanistanmandats noch zustimmen. Wie stellt sich die SPD-Fraktion dazu?

    Arnold: Die SPD hat es sich bei Einsatzentscheidungen nie einfach gemacht. Wir haben kontrovers in der Fraktion und in der Partei schwierige Debatten geführt, das werden wir auch jetzt tun. Unterm Strich gehe ich aber davon aus, dass unsere Partei jetzt in der Opposition in dieser wichtigen Aufgabe in der Verantwortung bleibt, und ich glaube, das ist auch gegenüber den Soldaten ein wichtiges Signal. Die erwarten als Parlamentsarmee schon, dass im Deutschen Bundestag eine breite Zustimmung gerade bei diesem ernsten und schwierigen Mandat erteilt wird.

    Engels: Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Gespräch.

    Arnold: Herzlichen Dank auch.