Am 18. Oktober wird in München ein Sicherheitsgipfel stattfinden. Die für Sport zuständigen Innenministerinnen und Innenminister aus Bund und Ländern treffen dort auf den Deutschen Fußballbund und den Ligaverband, DFL.
Was fordert die Politik?
Den Ton gesetzt hat Joachim Herrmann, CSU-Politiker und bayerischer Innenminister. Er sprach sich in einem Interview mit "Sport Bild" für verschiedene Sanktionsmaßnahmen bei Fehlverhalten von Fans aus, etwa für personalisierte Eintrittskarten sowie für die Rückkehr zum kollektiven Ausschluss von Fans, die das DFB-Sportgericht nur noch als letztes Mittel vorsieht und in der Praxis seit 2017 nicht mehr verhängt hat.
Herrmann nannte weitere Vorschläge wie Schnellgerichte zur Bestrafung von Fußballfans, die Verhängung von Geisterspielen sowie in bestimmten Situationen auch Spielabbrüche durch die Schiedsrichter. Das Risiko für Verletzungen sei gerade durch Pyrotechnik hoch. Herrmann sprach von "Lebensgefahr" und fügte an: "Wir können von Glück sagen, dass das bisher nicht eingetreten ist. Das Risiko ist offenkundig groß."
Was tun DFB und DFL?
Der DFB, der die 3. Liga organisiert und die DFL, die für die Bundesliga und die 2. Bundesliga zuständig ist, haben die AG Stadionsicherheit im DFB ins Leben gerufen. Diese erarbeitete mehrere Empfehlungen, die am Freitag dem DFB-Präsidium vorgelegt werden sollen.
- Die Vereine sollen künftig in eigener Verantwortung neue Technologien beim Einlassen prüfen dürfen. So setzt der FC Bayern künftig Metalldetektoren ein.
- Die Polizei soll in "datenschutzrechtlich zulässigem Umfang" beispielsweise Bilder und Videos an Klubs freigeben dürfen, damit diese Täter für verhängte Strafen in Regress nehmen können. Bei einer Ermittlung von Tätern bekommen Klubs zudem geringere Strafen.
- Ein dreijähriges Pilotprojekt zu einem kontrollierten Abbrennen von Pyrotechnik war im Gespräch, wurde aber nicht vorgeschlagen. Pyrotechnik ist seit Jahren einer der größten Streitpunkte zwischen aktiven Fanszenen auf der einen sowie Politik, Polizei und Verbänden auf der anderen Seite. Kompromisse für ein kontrolliertes Abbrennen kamen in der Vergangenheit nicht zustande. Eine entsprechende Diskussion mit Fanbündnissen brach der DFB mit Verweis auf die Ergebnisse eines Gutachtens 2011 einseitig ab.
- Künftig soll bei der Bestrafung von Vergehen mit Pyrotechnik genauer unterschieden werden: Beispielsweise zwischen dem Gebrauch einer Fackel am Zaun und dem Einsatz von Pyrotechnik als Waffe, wenn sie bewusst auf andere Fans geworfen oder geschossen wird.
- Die Prävention soll verbessert werden. Mit mehr Jugend- und Sozialarbeit, mehr Fanbeauftragten und Stärkung der sozial-pädagogischen Fanprojekte, die es an vielen Standorten gibt.
Kollektivstrafen, Geisterspiele, personalisierte Eintrittskarten und ähnlichen Forderungen erteilte die AG eine Absage. Der DFB und die DFL teilten auf Anfrage der Sportschau in Bezug auf Herrmanns Äußerungen mit: "DFB und DFL begrüßen das bevorstehende Spitzengespräch mit Bund und Ländern. Der konstruktive Austausch mit der Politik ist im Sinne von DFB und DFL."
Hans-Joachim Watzke, Vorsitzender des DFL-Aufsichtsrats, DFB-Vizepräsident und Geschäftsführer von Borussia Dortmund, hatte sich zuvor bei "Bild" ebenfalls gegen Geisterspiele ausgesprochen und mit Bezug auf Herrmann gesagt: "Dass wir ein Problem haben, lässt sich nicht von der Hand weisen. Aber mir hat die deutliche Rhetorik nicht so gut gefallen. Die Bayern neigen ja dazu, zu überpointieren."
Was sagen Fanbündnisse?
"Einmal mehr werden Horrorgeschichten über das Stadionerlebnis verbreitet, die nichts mit der Realität zu tun haben", sagte Linda Röttig, Vorstandsmitglied beim Dachverband der Fanhilfen, in einer Pressemitteilung. Stadien seien sichere Orte. "Die aufgestellten Forderungen von Joachim Herrmann sind an Populismus nicht zu überbieten und ein direkter Angriff auf die freie und selbstbestimmte Fankultur in den Kurven."
Thomas Kessen, Sprecher der Organisation "Unsere Kurve", nannte gegenüber der Spoortschau die Forderungen Herrmanns ebenfalls populistisch. Sie gingen am Thema vorbei. "Durch E-Tickets sind fast alle Eintrittskarten längst personalisiert", meinte Kessen und fragte: "Soll es jetzt für die Klubs eine Lizenzauflage werden, einen Gerichtssaal im Stadion bereitzuhalten?" Die wiederkehrende Debatte sei ermüdend, sagte Kessen. "Die Polizeizahlen zeigen, dass es kaum einen Raum gibt, der sicherer als Fußballstadien ist."
Wie ist die Lage in den Stadien?
Einen Hinweis auf die Sicherheitslage in Deutschlands Stadien gibt der Jahresbericht der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei. Die Behörde vergleicht darin die Saison 2022/23 mit der Saison 2018/19, den beiden jüngsten Spielzeiten ohne Coronamaßnahmen.
Mehrere Zahlen sind dem Bericht zufolge gestiegen: Es gab mehr Zuschauer in den Stadien, fast 23 Millionen Fans kamen zu den Spielen der Bundesliga, der 2. Bundesliga und der 3. Liga. In einem ähnlichen Verhältnis stiegen auch die Zahlen der eingeleiteten Strafverfahren im Rahmen der Spiele, auch die Zahl der verletzten Personen stieg - von 1.127 auf 1.176. Im Verhältnis zu den Besucherzahlen erhöhte sich der Anteil der verletzten Menschen von 0,0051 Prozent auf 0,0052 Prozent. "Das sind 1.176 verletzte Personen zu viel", schrieb der DFB im April. "Daraus abzuleiten, dass der Stadionbesuch nicht sicher ist, geht aber an der Realität vorbei."
Polizeidirektor Oliver Strudthoff, der die ZIS leitet, teilte zu dem Bericht mit: "Ob die gestiegenen Zahlen auch künftig Bestand haben werden, bleibt abzuwarten." Gleichzeitig forderte er eine konsequentere Anwendung von Stadionverboten. Deren Zahl sei rückläufig, obwohl mehr Strafverfahren eingeleitet wurden.
Die unerlaubte Verwendung von Pyrotechnik hat laut DFB 2022/23 "signifikant zugenommen", auch die ZIS meldet in diesem Bereich einen "deutlichen Anstieg" und verweist auf die Gefahren. Die Zahl der Verletzungen infolge der Verwendung von Pyrotechnik in den drei Ligen ist dem ZIS-Bericht zufolge allerdings gesunken - von 152 auf 92 Personen.