Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Fußball-WM in Katar
Die Hatz auf die Regenbogensymbole

Ein Drittel der Partien bei der WM in Katar ist schon gespielt. Und immer wieder gab es in dieser ersten Woche Nachrichten von Fans und Journalisten, die Schwierigkeiten mit den Behörden oder beim Weg ins Stadion hatten. Häufig ging es um Regenbogen-Symbole oder politische Botschaften.

Von Matthias Friebe | 26.11.2022
Englische Fans zeigen eine Flagge mit den "Three Lions" in Regenbogenfarben bei der Fußball-WM in Katar.
Englische Fans zeigen eine Flagge mit den "Three Lions" in Regenbogenfarben bei der Fußball-WM in Katar. (IMAGO / Moritz Müller / IMAGO / Moritz Mueller)
Zusammen geht es besser, Hayya Hayya, der offizielle Song dieser Fußball-WM in Katar. Der Fußball bringt Menschen zusammen. Sie treffen und mit Ihnen ins Gespräch kommen, das will auch Malcolm Hirst. Der Engländer hat eine Fahne mit den klassischen Three Lions dabei, sie sind aber in Regenbogenfarben eingefärbt.
„Ich stelle mich damit nicht an eine Straßenecke, um das System herauszufordern. Aber ich möchte einfach hierhin kommen und ich selbst sein. Der Fußball bringt Menschen doch zusammen.“

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Deshalb nimmt Hirst, der die Initiative „Love Football Hate Racism“ gegründet hat die Fahne mit ins Stadion. Das hat er schon bei der WM in Russland gemacht und jetzt auch in Katar. Nervös sei er aber gewesen, sagt er im Interview. Es hat trotzdem direkt zum Auftakt zum Eröffnungsspiel und auch danach beim ersten Spiel der Engländer gegen den Iran problemlos geklappt.

Deutschem Fan wird gedroht abgeführt zu werden

Ohne Probleme kam auch Bengt Kunkel aus Köln durch die Sicherheitskontrolle mit einem Schweißband am Arm in Regenbogenfarben, dabei blieb es aber nicht. „Ich wurde tatsächlich von Polizisten von meinem Platz weggeführt und die haben wir dann im Pulk von 10-15 Polizisten gesagt, ich solle doch meine Sachen abnehmen. Sie haben mir gesagt: entweder ich nehme meine Sachen ab oder sie nehmen mich mit.“

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Er hat sich schließlich dazu entschieden, sein Schweißband abzunehmen, es aber bei späteren Partien im Stadion wieder getragen. Geschichten wie seine gibt es einige in den ersten WM-Tagen. Ein US-Journalist wurde wegen eines T-Shirts mit Regenbogen-Symbol sogar eine halbe Stunde festgehalten. Nervosität und Unsicherheit, sie prägen die Sicherheitskontrollen dieser ersten Tage.

"Er warf die Flagge auf den Boden"

Besonders bekam das der brasilianische Journalist Victor Pereira zu spüren. Nach dem Spiel Argentinien gegen Saudi-Arabien traf er brasilianische Fans. „Wir haben sie gefragt, wo sie her sind und sie kamen aus Pernambuco, aus meinem Heimatstaat in Brasilien.“ Die Flagge von Pernambuco ziert ein Regenbogen, zu viel für einen katarischen Offiziellen, der das Symbol offenbar missinterpretiert. „Er warf die Flagge auf den Boden und begann auf ihr herumzutrampeln.“
Victor Pereira zückt sein Handy und filmt die Situation. Mit der Akkreditierung ist bei der WM eine Drehgenehmigung im ganzen Land verbunden. „Er hat mir mein Smartphone abgenommen und gefordert, dass ich das Video lösche.“ Andernfalls wolle er das Smartphone zerstören, so der Mann, der kein Polizist war oder im Sicherheitsdienst arbeitete. Er habe nur das klassische weiße Gewand, den Thawb getragen und eine Akkreditierung, erinnert sich Pereira.
Ein herbeigeeilter Polizist aber stellte sich auf die Seite des Katarers und forderte ebenfalls die Löschung des Videos. „Er hat mir das Smartphone vor mein Gesicht gehalten und es mit der Gesichtserkennung entsperrt. Dann hat er das Video gelöscht. Der Mann forderte ihn auf, auch in den Papierkorb zu gucken, dass es auf jeden Fall weg ist.“

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Dabei ging es offenbar nur um das Video des Trampelns, alle anderen Bilder, die Pereira vorher mit den Fans gemacht hat, sind weiterhin da. Inzwischen hat er nicht nur eine Entschuldigung von FIFA-Offiziellen bekommen, er konnte auch mit dem katarischen Supreme Committee telefonieren. Dort versicherte man ihm neben einer Entschuldigung, dass so etwas nicht hätte passieren dürfen und auch nicht wieder vorkommen wird.

"Mehr Sorgen mache ich mir um die im Iran inhaftierten Journalisten"

„Meiner Meinung nach war hier in den ersten Tagen eine ungeheure Spannung", sagt Gianni Merlo. Der Präsident der internationalen Sportpresse-Vereinigung AIPS sieht das aber als bedauerlichen Einzelfall, der zum Glück glimpflich ausgegangen sei und über den man bald schon lachen könne. „Hier ist keine Gefahr. Mehr Sorgen mache ich mir um die im Iran inhaftierten Journalisten. Sie riskieren eine Menge.“
Die Situation im Iran ist auch bei dieser WM eines der wichtigsten politischen Themen. "We love you Iran, Peace to Iran", jubelt diese Anhängerin in eine BBC-Kamera nach dem 2:0-Sieg ihres Landes gegen Wales. Doch so groß die sportliche Freude war, so angespannt die Situation auf den Tribünen. Fans mussten ihre Fahnen mit dem Slogan der Protestbewegung „Women Life Freedom“ einpacken, schlimmer noch einige von ihnen wurden am Stadion festgenommen und erst nach Stunden wieder freigelassen.
Die katarischen Behörden werden dabei auch von iranischen Sicherheitskräften unterstützt, die so de facto im Ausland der lange Arm ihrer Regierung sind. Konkrete politische Protestaktionen auf den Rängen werden von der FIFA nicht nur im Weltbild bewusst nicht gezeigt, sie sind grundsätzlich unerwünscht.

Probleme für walisische Fans

„Die mutigeren Fans sind die Iraner“, sagt deshalb auch der Engländer Malcolm Hirst, der mit seiner Regenbogen-Lions-Fahne eher allgemein für Diversität und Vielfalt demonstriert. Das ist nach den Regeln der FIFA erlaubt, auch hier in Katar.
Probleme hatten trotzdem auch walisische Fans mit ihren traditionellen Hüten, die bei der ersten Partie der Waliser gegen die USA bei den Kontrollen zurückgewiesen wurden. Vor dem zweiten Spiel gab der walisische Verband via Twitter dann bekannt: „Die FIFA hat bestätigt, dass Fans mit Regenbogen-Hüten und -flaggen Zutritt zum Stadion haben. Alle Austragungsorte der Weltmeisterschaft wurden kontaktiert und angewiesen, die vereinbarten Regeln und Vorschriften zu befolgen.“

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

Doch auch das ist noch nicht bei allen Sicherheitskräften angekommen. Denn ausgerechnet nach dieser erneuten FIFA-Äußerung hat der Engländer Malcolm Hirst zum ersten Mal Probleme bei dieser WM. Er verpasst die erste Halbzeit von England gegen die USA und kann erst nach Intervention der Menschenrechtsabteilung der FIFA ins Stadion kommen. Auch andere Fans berichten von ähnlichen Problemen und einer Hotline, die inzwischen eingerichtet wurde, um diese Schwierigkeiten zu klären.
Die Nervosität und Anspannung der ersten Tage ist immer noch nicht gewichen bei dieser komplizierten WM. Ein WM-Titel hätte für England-Fan Hirst trotz allem den gleichen Glanz und würde ihn dennoch stolz machen. „Ja! Ja! Ja! Ich bin Engländer, ich bin zu Hause und auswärts dabei und das einzige, was ich will, ist diese WM zu gewinnen.“