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G20-Gipfel
Ein Stückchen wohl inszeniertes Welttheater

Als über Klimawandel gesprochen wird, geht Trump mit Putin vor die Tür. Merkel präsentiert sich als ruhender Pol auf einem unruhigen Globus, während auf den Hamburger Straßen protestiert wird. Eindrücke vom G20-Gipfel-Freitag.

Von Frank Capellan |
    Das Bild zeigt den russischen Präsidenten Putin und US-Präsident Trump.
    Erstmals seit seinem Amtsantritt als US-Präsident hat sich Donald Trump (r.) mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin (l.) getroffen. (dpa-Bildfunk / AP / Evan Vucci)
    "Ihre Exzellenz: die Ministerpräsidentin des Königreiches Norwegen!"
    Es ist ein endloses Defilee. Ein Stückchen Welttheater, wohl inszeniert von den deutschen Gastgebern. Präsidenten und Premiers werden auf die Bühne gebeten, offizieller Auftakt eines überaus schwierigen Treffens…
    "Seine Exzellenz, der Präsident der Republik Indonesien!"
    Die Reihenfolge ist streng festgelegt, ein Ritual fast wie bei Hofe: zunächst die Regierungschefs, dann die Präsidenten. Wer am längsten an der Macht ist, wird zuletzt zur Kanzlerin gelassen.
    "Seine Exzellenz, der Präsident der Republik Südafrika, Herr Jacob Zuma"
    Trump und Xi kommen zu spät
    Merkel trägt heute einen ziemlich roten Blazer, die Hände fügt sie immer wieder zur berühmten Raute zusammen, geduldig wartet die Christdemokratin, bis ihre Gäste einer nach dem anderen hinter einer bunt bemalten Bretterwand in den gipfelgerecht aufgemotzten Hamburger Messehallen hervortreten.
    "Ende des Defilees!"
    Doch dann gerät alles durcheinander. Das Stelldichein der Großen muss unterbrochen werden. Ausgerechnet Donald Trump, der unberechenbare US-Präsident, und Xi Jinping, der vor Selbstbewusstsein nur so strotzende chinesische Chef kommen zu spät. Auf nichts ist mehr Verlass. Merkel verlässt die Bühne, um wenig später wieder aufzutauchen.
    "Ich möchte sie jetzt alle begrüßen. Deutschland trägt zum ersten Mal das G 20 Treffen aus!"
    Der ruhende Pol auf einem unruhigen Globus
    Etwas leichter hatte sich die CDU-Chefin diesen Gipfel wohl vorgestellt, Knapp drei Monate vor der Bundestagswahl aber präsentiert sie sich nun als ruhender Pol auf einem unruhigen Globus.
    "Deshalb können Lösungen oft nur gefunden werden, wenn wir kompromissbereit sind, ohne uns aber, das möchte ich hier ausdrücklich sagen, zu sehr zu verbiegen!"
    "Großartig" war das Treffen mit Merkel, twittert - was sonst? - Trump. Der raubeinige Präsident hatte angekündigt dazu beizutragen, diesen Gipfel zum Erfolg zu machen.
    Trump: Kein Interesse an Klimapolitik
    Doch dann demonstriert er erst einmal, dass ihn all das Gerede über den Klimawandel reichlich wenig interessiert. Als das Plenum darüber redet, geht Trump mit Putin vor die Tür, der Zeitpunkt allein ist ein Affront. Merkel verbreitet Optimismus, bevor es zum gemütlichen Teil geht, Konzert in der Elbphilharmonie
    "Und wie bekannt, haben die allermeisten sich ja zum Pariser Abkommen bekannt, auch hier wird dann es sehr interessant sein, wie wir morgen zu einem Abschlusskommunique kommen und deutlich machen, dass es in diesem Bereich unterschiedliche Meinungen gibt, weil die Vereinigten Staaten bedauerlicherweise aus dem Klimaabkommen aussteigen!"
    Immerhin hat Trump teilgenommen am Auftakt des Klimagespräches, aber schwierig wird es, auch beim Thema Handel. Nur: Was bringen wachsweiche Absichtserklärungen, die jeder unterschreiben kann? Gar nichts, meint Marwin Meier, von der Hilfsorganisation World Vision.
    "Wenn das Wischiwaschi ist, dann kommt Wischiwaschi absolut dabei rum. Wir fordern Butter bei die Fische! Verabschiedet konkrete Versprechen,die nachgehalten werden können! Dann macht Euer Treffen Sinn!"
    Verständnis für friedliche Proteste
    G20 am Scheideweg. Dass sich die Politiker dem vielfach friedlichen Protest stellen müssen und wollen, haben einige zumindest erkannt. Jean-Claude Juncker etwa scheint noch ganz unter dem Eindruck der Bilder zu stehen, die er auf dem Weg zum morgendlichen Defilee bei der Kanzlerin wahrgenommen hat.
    "Es ist nicht so, als liefen wir blind und taub durch die Straßen von Hamburg. Wir hören genau hin, wenn erklärend versucht wird, Einfluss auf die Gipfelergebnisse zu nehmen!"
    Jedes Verständnis für friedliche Proteste habe sie, sagt die Kanzlerin. Keines für die Gewalt auf Hamburger Straßen. "Fuck Trump" ist im Schanzenviertel unweit der Messehallen an jeder Straßenecke zu lesen, Putin kommt glimpflich davon. Die beiden werden die Proteste kaum wahrnehmen, sie sind vielmehr damit beschäftigt, sich gegenseitig zu beeindrucken.