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Gabriel: USA werden ihre Klimapolitik langfristig ändern

Bundesumweltminister Gabriel ist zuversichtlich, dass sich die Klimapolitik der USA langfristig ändern wird. Auf Dauer würden sich die Vereinigten Staaten in dieser Frage nicht isolieren wollen, sagte Gabriel im Deutschlandfunk. Innerhalb des Landes dächten viele Menschen aus Politik und Wirtschaft ganz anders als die Bush-Administration.

Moderation: Jürgen Zurheide | 10.12.2005
    Zurheide: Einige wenige Stunden sitzen die Delegationen noch zusammen und verhandeln über das Klima und wie es immer so ist, wird da viel über Klimaschutz geredet, aber wir wissen auch, die Realität sieht häufig anders aus oder genau das, was man dann tut, wenn man wieder zu Hause ist. Wie ist denn nun die Lage? Ist das Glas halb voll oder ist es halb leer? Darüber wollen wir reden und ich begrüße ganz herzlich den Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. Guten Morgen, Herr Gabriel!

    Gabriel: Guten Morgen, ich grüße Sie!

    Zurheide: Herr Gabriel, zunächst einmal mit der schwierigen Geschichte wollen wir beginnen: Die Amerikaner haben sich ja außerordentlich sperrig gezeigt, und dann ist Bill Clinton, der frühere Präsident, aufgetaucht - allerdings außerhalb des Protokolls. Kann so etwas helfen?

    Gabriel: Die Klimakonferenz ist noch nicht zu Ende. Bei Ihnen ist es jetzt früh am Morgen. Hier ist es noch nicht mal Mittag und sie läuft möglicherweise auch noch bis heute Abend, vielleicht sogar in die Nacht hinein, weil folgende Situation da ist: Wir haben sehr gute Ergebnisse bekommen auf der Arbeitsebene, insbesondere zwischen den Industrienationen und den Entwicklungs- und Schwellenländern, und es wird nach Auffassung aller jedenfalls ein Anschlussregime geben für den Emissionshandel zwischen den Industrienationen nach 2012. Es wird viele Maßnahmen geben, die den Entwicklungsländern helfen sollen, die schwierigen Folgen des bereits eingetretenen Klimawandels – mit Dürren, Wassermangel und vielen anderen Dingen – erträglicher zu gestalten und es wird vor allen Dingen den Beginn eines Diskussionsprozesses geben, über die Zeit nach 2012 und den Maßnahmen, die in den Ländern erfolgen müssen, die sich noch nicht zur Reduzierung ihrer Treibhausgase entschlossen haben. Das ist das Wichtigste, was hier passiert ist.

    Zurheide: Dann lassen Sie uns das noch ein bisschen abschichten, ein Punkt nach dem anderen, zunächst mal die Entwicklungsländer: Auch das war ja eine nicht ganz einfache Diskussion, weil die nicht ganz zu Unrecht sagen: "Ihr, die Industrieländer, verlangt von uns etwas, was ihr selbst nicht getan habt." Wie kann man da zusammenkommen?

    Gabriel: Indem man beginnt, über die Folgen des Klimawandels für diese Entwicklungsländer zu reden und zu überprüfen, ob eigentlich die Maßnahmen, die die Industrieländer zur Reduktion von Treibhausgasen erreicht haben, ob die eigentlich ausreichen. In eine solche Debatte werden wir eintreten und da wird sich schnell rausstellen, dass die Industrienationen nur für 30 Prozent der Treibhausgase verantwortlich sind, aber dass zum Beispiel die Frage der Abholzung des Regenwaldes oder der wirtschaftlichen Entwicklung eines so großen Landes wie Chinas oder Indiens, dass man dort aufpassen muss, dass diese wirtschaftliche Entwicklung nicht einhergeht mit gigantischen Treibhausgas-Emissionen.

    Zurheide: Was kann man denn zum Beispiel in der Bundesrepublik tun - auch möglicherweise mehr tun? Auch bei uns gibt es Braunkohlekraftwerke, Verkehr. Kann man schneller umrüsten?

    Gabriel: Was, glaube ich, sehr gut ist, sind die Möglichkeiten, dass deutsche Unternehmen in Entwicklungsländern investieren, um dort zum Beispiel moderne Kraftwerkstechnologien herzustellen, und dabei sozusagen mehr erreichen an Senkung von Treibhausgas-Emissionen, als sie erreichen könnten, wenn sie bei den doch schon relativ modernen Kraftwerken in Europa investieren. Sie erreichen damit, dass sie sich das, was sie dort zur Treibhausgasminderung beigetragen haben, anrechnen lassen können auf ihre Verpflichtungen, die sie in Deutschland haben. Das ist eins der wichtigsten Instrumente, das hier in Gang gesetzt wurden.

    Zurheide: Sehen Sie denn, dass das auch massenhaft genutzt werden wird?

    Gabriel: Also, wir sehen jedenfalls, dass es zunehmend genutzt wird. Wir sind längst nicht so weit, wie wir sein könnten, aber das hat etwas damit zu tun, dass die Informationen darüber und vor allem die Mechanismen, die sie dafür brauchen, bislang noch nicht vorhanden waren. Die Mechanismen sind jetzt hier beschlossen worden und die Informationen müssen wir in die Unternehmen hineintragen.

    Zurheide: Jetzt noch mal das Stichwort in Deutschland selbst, zum Beispiel das Umbauprogramm bei den Braunkohlekraftwerken. Kann man so was beschleunigen? Denn das wäre ja ganz wichtig fürs Klima, denn die Braunkohlekraftwerke emittieren schon sehr, sehr viel.

    Gabriel: Ich glaube, dass es dafür notwendig ist, dieses Emissionshandelssystem aufrecht zu halten, denn natürlich werden die Unternehmen nur dann in moderne Technologien auch bei der Braunkohle in Deutschland investieren, wenn die Treibhausgas-Emissionen teuer sind. Also wenn ein Unternehmen weiß, für mich ist es letztlich teurer, die Umwelt zu belasten mit Emissionen, als wenn ich in mein eigenes Unternehmen investiere und moderne Kraftwerke herstelle, dann wird es in diese Kraftwerke investieren, und ich bin sicher, dass das in den kommenden Jahren in Deutschland der Fall sein wird.

    Zurheide: Jetzt haben Sie es gerade schon angesprochen für 2008 – oder bis 2008 will man eine Nachfolgeregelung für 2012 haben. Das ist ja wichtig, damit es keinen Fadenriss gibt. Sind Sie denn sicher, dass man es auch hinbekommt bis 2008?

    Gabriel: Es geht eher - der Zeitraum geht bis 2009 - das ist also etwas länger, als Sie eben gesagt haben, aber wie dem auch sei, wir sind sicher, dass das klappen wird, weil sich hier die Industriestaaten verabredet haben, auf jeden Fall keine Lücke entstehen zu lassen zwischen dem ersten Emissionshandelssystem bis 2012 und dem darauf folgenden, so dass sie ein paar Jahre brauchen, um das zwischen allen Ländern dann auch vertraglich zu vereinbaren. Das dauert in der Regel mindestens zwei Jahre. Deswegen müssen Sie spätestens 2009 fertig sein. Aber ich will noch mal eine Sache deutlich sagen: Bei Ihnen ist es früh am Morgen, bei uns ist es erst am Mittag. Das sind die Ergebnisse, die wir jetzt auf Arbeitsebene erreicht haben. Wir müssen das jetzt über die politischen Hürden bringen, und das wird die Arbeit der kommenden Stunden, vielleicht sogar der - bei Ihnen wäre es dann der ganze Tag - und bei uns vielleicht die ganze Nacht sein.

    Zurheide: Lassen wir noch mal einen Ausblick wagen, dennoch auch bezogen auf die Vereinigten Staaten: Es gibt ja da, zumindest im Volk und in manchen Städten, Bewegungen, die sich deutlich mehr auf das Klimaziel hinzubewegen, als die Regierung das tut. Reicht so was? Kann man da eine größere Bewegung draus machen? Was ist Ihre Strategie, die Amerikaner ins Boot zu holen?

    Gabriel: Also hier sind sehr viele Repräsentanten der Vereinigten Staaten, die eine ganz andere Haltung einnehmen, als die Regierung von George Bush – in der Tat Senatoren, Vertreter von Städten, Vertreter von Unternehmen, die an der Ostküste sogar bereit sind, ein eigenes Emissionshandelssystem aufzubauen, wie das die Europäische Gemeinschaft auch hat. Kanada wird im nächsten Jahr mit seinem Emissionshandelssystem starten. Insofern gibt es hier in Nordamerika eine starke Bewegung. Wir hoffen, dass es uns gelingt, die Tür für die USA offen zu halten. Das will hier jeder. Wenn die Tür zugeschlagen wird, dann ganz sicher nicht von den anderen Industriestaaten, von Europa oder von den Entwicklungsländern.

    Zurheide: Was ist die richtige Strategie den Amerikanern gegenüber? Muss man da eher vorsichtig sein oder muss man, sollte man die Ziele nicht deutlicher formulieren, um sie reinzuholen?

    Gabriel: Ich glaube, die richtige Strategie ist, dafür zu sorgen, dass alle anderen, insbesondere die Entwicklungs- und Schwellenländer, im Boot bleiben. Die Vereinigten Staaten werden sich am Ende sich nicht isolieren wollen. Also der Weg, die Vereinigten Staaten mit ins Boot zu bekommen oder jedenfalls im Fahrwasser zu halten, der geht über die Entwicklungs- und über die Schwellenländer, und dafür gibt es gute Anzeichen, dass wir das schaffen können.

    Zurheide: Und der Auftritt Bill Clintons aus Ihrer Sicht: Kann so was helfen?

    Gabriel: Ach, das weiß ich nicht. Das ist natürlich ein - sagen wir mal - wichtiges Signal, dass es auch andere Stimmen aus den USA gibt, die von Bedeutung sind. Aber ich glaube, man muss wirklich auf die inneramerikanische Diskussion setzen, die in den nächsten Jahren an Fahrt gewinnen wird, und dann wird sich auch das Regierungshandeln sicher ändern.

    Zurheide: Herzlichen Dank, das war Sigmar Gabriel, Bundesumweltminister von der Klimakonferenz.
    Sigmar Gabriel, ehemaliger niedersächsischer Ministerpräsident, SPD
    Sigmar Gabriel (AP)