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Gasförderplattform in der Nordsee leckgeschlagen

An einer Förderplattform vor der Küste Schottlands tritt seit Tagen Gas aus dem Meeresboden. Die Hauptgefahr liege jetzt darin, dass die Anlage explodiert, sagt der Experte Catalin Teodoriu. Dann wäre nicht nur die Plattform zerstört, sondern auch zahlreiche Pipelines, die mit ihr verbunden sind.

Tobias Armbrüster sprach mit Catalin Teodoriu von der TU Clausthal |
    Tobias Armbrüster: Seit drei Tagen strömt an einer Förderplattform vor der Küste von Schottland Gas aus dem Meeresboden. Es ist aber nicht nur Gas, das durch das Wasser an die Oberfläche tritt; auf dem Meer hat sich außerdem ein Ölfilm gebildet. In der Region um die Plattform herum herrscht erhöhte Explosionsgefahr, alle Arbeiter haben die Unglücksstelle deshalb inzwischen verlassen. Umweltverbände sprechen bereits von einer Ökokatastrophe in der Nordsee. Am Telefon ist jetzt Dr. Catalin Teodoriu, er ist Spezialist für Bohrtechnik an der TU Clausthal. Schönen guten Tag, Herr Teodoriu.

    Catalin Teodoriu: Einen schönen guten Tag.

    Armbrüster: Zunächst mal: Wie bedrohlich ist dieses Leck in der Nordsee Ihrer Einschätzung nach, dieses Gasleck?

    Teodoriu: Die entsprechende Gefahr ist zurzeit dort, dass man nicht richtig festgestellt hat, wo genau dieses Leck entstanden ist. Wenigstens von allen Berichten, was ich zurzeit gelesen habe, es ist nur klar, dass das ein Problem-Bohrloch ist, das man versucht hat, quasi stillzulegen. Nur die entsprechende Leckagequelle ist noch nicht eindeutig lokalisiert. Sobald das lokalisiert wird, kann man dann die Gefahr besser einschätzen in Richtung, was man machen kann.

    Armbrüster: Wie kann man dieses Leck denn finden in dieser äußerst bedrohlichen Situation?

    Teodoriu: Im Grunde gibt es verschiedene Szenarien. Ich habe vor Kurzem gelesen, es ist ein spezielles Überwachungsschiff schon vor Ort geschickt, und dieses Überwachungsschiff hat Unterwasserroboter, die werden jetzt versuchen, genau die entsprechende Leckagequelle zu finden.

    Armbrüster: Was würde passieren, wenn sich diese Gaswolke über dem Meer entzündet?

    Teodoriu: Definitiv, wenn das passiert auf der Plattform, dann ist die ganze Plattform zerstört. Zum Glück wurde die Plattform ja evakuiert, deshalb es ist nur das nötige minimale Personal da, mit der Hoffnung, dass da nichts an der Plattform passiert. Dann brennt das Gas einfach und sollte dann keinen großen Schaden produzieren. Die Hauptgefahr ist eigentlich, wenn die Explosion auf der Plattform passiert. Dann ist die ganze Plattform zerstört und alle möglichen Pipelines, die an diese Plattform verbunden sind, werden auch zerstört.

    Armbrüster: Mal angenommen, die Spezialisten finden das Leck, und mal angenommen, es liegt auf dem Meeresboden, erinnert das dann an die Situation an der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko von vor zwei Jahren, wo man dann monatelang am Erdboden, am Meeresboden arbeiten muss, um so ein Leck zu stopfen?

    Teodoriu: Ich sage, ein direkter Vergleich ist hier nicht möglich. Wir sind hier in Wassertiefen von ungefähr 90 Meter, wenn ich mich nicht täusche, gegenüber wie das war im Golf von Mexiko. Wir sind hier eigentlich nicht beim Bohren, sondern das ist eine Bohrung, die schon gebohrt wurde. Nach meinen Quellen wurde diese Bohrung hier sogar in 1997 gebohrt. Deshalb sollte hier die Situation anders sein.
    Das einzige Problem ist wiederum: Man muss zuerst entdecken, warum diese Leckage aufgetreten ist, ist es ein Bohrungsintegritätsproblem, oder ist es einfach nur, sagen wir, ein Ventil oder eine Leckage an dem Bohrlochkopf, was da unten ist.

    Armbrüster: Ist so etwas ein Vorgang, der häufiger passiert an solchen Plattformen?

    Teodoriu: Ich würde sagen, nein. Man muss nur schauen: dieses spezielle Gebiet, diese speziellen Plattformen, die sind in einem sogenannten Gebiet von Hochdruck-, Hochtemperaturbereich. Das ist quasi die höchste Stufe der Technik in der Bohrtechnik. Die Technik ist deshalb eigentlich die beste, die auf dem Markt ist, und das sollte eigentlich nicht passieren. Allerdings wurde immerhin berichtet, dass dieses Gas, was aus dem Bohrloch strömt, auch Schwefelwasserstoff-Inhalte hat, und das heißt, dieses Gas ist auch extrem korrosiv. Ich will hier nicht viel spielen, aber es kann sein, dass die Korrosion zu einer solchen Leckage geführt hat. Allerdings es ist wie gesagt noch nicht klar, und entsprechend ist es wichtig, zuerst einen klaren Überblick zu bekommen, warum das passiert ist.

    Armbrüster: Ganz kurz noch zum Schluss die Frage: Ist dieser Vorgang ein weiteres Zeichen dafür, dass wir die Öl- und Gasförderung auf offener See nicht unter Kontrolle kriegen?

    Teodoriu: Nicht unbedingt. Flugzeuge stürzen auch ab und zu ab und wir fliegen trotzdem. Ich sehe hier auch keine Gefahr. Wir müssen zuerst dazulernen und dann in der Zukunft es besser machen. Das ist definitiv wichtig.

    Armbrüster: So weit Dr. Catalin Teodoriu, Spezialist für Bohrtechnik an der Technischen Universität Clausthal. Besten Dank, Herr Teodoriu, für das Gespräch.

    Teodoriu: Bitte schön.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.