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Gauck in China
Staatlich verordneter Wirtschaftsoptimismus

Bei seinem fünftägigen Besuch in China geht es Bundespräsident Joachim Gauck vor allem um Themen wie Bürgerrechte, Religionsfreiheit und Zivilgesellschaft. Trotzdem wird er auch über die Wirtschaft sprechen. Denn es wachsen die Sorgen vor einem chinesischen Crash. Das hätte weltweite Folgen - vor allem aber in der Exportnation Deutschland.

Von Steffen Wurzel | 21.03.2016
    Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt besichtigen in Peking in China den Sommerpalast.
    Bundespräsident Gauck und seine Lebensgefährtin besichtigen den Sommerpalast in Peking. (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
    "Wenn gesagt wird: China wird seine selbstgesteckten Wachstumsraten nicht erreichen, dann ist es mir unmöglich, dem zuzustimmen." Chinas Premierminister Li Keqiang vor einigen Tagen, nach dem Abschluss des Nationalen Volkskongresses. Im Mittelpunkt der mehrtägigen Tagung stand die Wirtschaft des Landes und Chinas Staatsführung tat alles, um Optimismus zu verbreiten.
    Chinas Wirtschaft stehe vor großen Herausforderungen - es böten sich aber auch Chancen. "Diese Chancen überwiegen bei weitem," so Chinas Ministerpräsident.
    Außerhalb des Landes sieht man die Lage skeptischer. Internationale Wirtschafts-Analysten warnen unter anderem vor den wachsenden Schulden des bevölkerungsreichsten Landes der Welt. Außerdem hört man häufig den Vorwurf: Die chinesischen Statistiker fälschen die Wachstumszahlen. So sei die offizielle Zahl von 6,9 Prozent Wachstum fürs vergangene Jahr wahrscheinlich zu hoch angesetzt.
    Die Zeiten der Traum-Wachstumsraten sind vorbei
    "Chinas Statistikbehörde ist Teil der Regierung. In gewissem Sinne sind die Wachstums-Zahlen also politisch. In China müssen Statistiken die Vorgaben der Regierung einhalten,"
    Sagt Wang Fuzhong, Professor an der Pekinger Universität für Finanzen und Wirtschaft. Seiner Meinung nach ist Chinas Wirtschaft im vergangenen Jahr nur um weniger als fünf Prozent gewachsen.
    "Die Zahlen, die veröffentlicht werden, entsprechen nicht denen, die die Entscheidungsträger auf den Tisch bekommen. Auch in vielen Firmen wird mit zweierlei Datensätzen gearbeitet."
    Auf eines kann man sich in jedem Fall verlassen. Die Zeiten der Traum-Wachstumsraten in China sind vorbei. Und das entspricht in gewissem Maße auch dem Plan der Staatsführung, die das Wirtschaftssystem des Landes umzubauen: weg von den Schwerpunkten Industrie, Produktion und Export - hin zu mehr Technologie, Forschung und Nachhaltigkeit. Die deutsche Wirtschaft in China habe sich darauf längst eingestellt, sagt Christian Sommer vom German Center, einem Austausch- und Beratungszentrum in Schanghai.
    Vorbild sind die westlichen Industrienationen
    "Fakt ist, dass die deutschen Firmen überwiegend weiter zufrieden sind. Fakt ist auch, dass das Wachstum zurückgegangen ist, aber nicht ins Negative. Die Wirtschaft wächst immer noch stark. China ist die Nummer zwei der Weltwirtschaft und natürlich ist es irgendwann unrealistisch, permanent immer sieben Prozent oder mehr erwarten zu können."
    Die Führung in Peking will China in eine Service- und Konsumgesellschaft umbauen. Vorbild sind die westlichen Industrienationen. Genauer gesagt: Sie sind das wirtschaftliche Vorbild. Politisch sind keine Reformen zu erwarten. Im Gegenteil: Die Freiheiten und Bürgerrechte der Menschen sind in China in den vergangenen Jahren weiter deutlich eingeschränkt worden. Und dass sich daran etwas ändert, ist nicht abzusehen.