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Gauck-Nachfolge
Für SPD-Vize Ralf Stegner kann es nur einen geben

Wenn es nach SPD-Vize Ralf Stegner geht, steht bereits fest, wer der nächste Bundespräsident wird: Frank-Walter Steinmeier. Im Deutschlandfunk sagte er, er rechne fest damit, dass Kanzlerin Merkel keinen besseren Kandidaten finden werde.

Ralf Stegner im Gespräch mit Christiane Kaess | 07.11.2016
    Ralf Stegner (SPD), SPD-Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein, verkündet am 13.04.2016 in Kiel (Schleswig-Holstein) seine Entscheidung, sich 2017 erneut um einen Sitz im schleswig-holsteinischen Landtag zu bewerben und nicht um eine Platz im Bundestag.
    Ralf Stegner, stellvertretender SPD-Vorsitzender. (picture alliance / dpa - Markus Scholz)
    Sie werde Schwierigkeiten haben, jemanden vorzuschlagen, der auch nur in die Nähe der Qualifikationen des Bundesaußenministers komme, führte Stegner aus. Das nächste Staatsoberhaupt müsse persönlich integer und kommunikationsstark sein sowie parteiübergreifend auf Akzeptanz stoßen. Das sei bei Steinmeier zweifelsohne der Fall.
    Zudem stehe er in der Politikerbeliebtheit weit vor allen anderen. Steinmeier symbolisiere eine Friedens- und Entspannungspolitik, die für viele Bürger sehr wichtig sei. Stegner zufolge steht Merkel daher vor einem Dilemma. Die Union müsse sich entscheiden, was sie wolle. Wichtig sei am Ende nicht, dass man sich in der großen Koalition einige, sondern dass ein Kandidat in der Bundesversammlung im 12. Februar 2017 die Mehrheit erhalte.
    Der SPD-Vorschlag, den Außenminister für das höchste Staatsamt zu nominieren, stößt bei den Unionsparteien auf Ablehnung. Gestern hatten die drei Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD, Merkel, Seehofer und Gabriel, ihre Gespräche über die Nachfolge von Bundespräsident Gauck auf das kommende Wochenende vertagt.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Christiane Kaess: Bundespräsident verzweifelt gesucht - so könnte man die Diskussion der letzten Wochen überschreiben, wenn es darum ging, einen geeigneten Kandidaten oder eine Kandidatin zu finden, der oder die Joachim Gauck in Schloss Bellevue beerbt. Im kommenden Februar soll die Bundesversammlung seinen Nachfolger wählen. Eine absolute Mehrheit hätte da nur ein Kandidat, der von Union und SPD unterstützt wird oder von Union und den Grünen. Sonst gibt es wohl nur eine Chance für einen Kandidaten, im dritten Wahlgang mit der einfachen Mehrheit gewählt zu werden. Bei einem Spitzentreffen im Kanzleramt kam die Große Koalition in Sachen gemeinsamer Kandidat offenbar nicht weiter. Die Entscheidung ist vertagt auf nächsten Sonntag.
    - Darüber sprechen möchte ich mit Ralf Stegner. Er ist stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD. Guten Morgen, Herr Stegner.
    Ralf Stegner: Guten Morgen, Frau Kaess.
    Kaess: Wieder keine Einigung. Ist das jetzt schon peinlich?
    Stegner: Nein, das finde ich nicht, weil wir ja nun nicht verpflichtet sind, uns in der Großen Koalition zu verständigen. Am Ende geht es darum, dass wir ein Staatsoberhaupt finden, was die Nachfolge von Joachim Gauck, der das ja sehr gut gemacht hat, in der Weise regelt, dass wir jemand finden, der persönlich sehr integer ist, der kommunikationsstark ist, der politisch erfahren, aber auch parteiübergreifend akzeptiert ist. Das ist die Anforderung und nicht, dass es jetzt CDU/CSU und der SPD gemeinsam gelingt, sich zu verständigen.
    Kaess: Jetzt interessiert mich natürlich heute Morgen, Herr Stegner, ob Sie Informationen über das Treffen gestern haben, die wir nicht haben. Konnten Sie schon mit Sigmar Gabriel sprechen?
    Stegner: Ich weiß, was dabei herausgekommen ist. Ob ich Informationen habe, die Sie nicht haben, weiß ich nicht, aber jedenfalls ist es nicht so, dass es eine Vereinbarung in der Großen Koalition gibt, dass man sich einigen muss. Das finde ich auch richtig. In der Bundesversammlung muss es am Ende eine Mehrheit geben für einen guten Kandidaten. Und das Dilemma von Angela Merkel ist einfach, dass es für sie, glaube ich, schwer ist, jemanden zu finden, der vergleichsweise das, was ich an Anforderungen genannt habe, Integrität, Kommunikationsstärke und parteiübergreifende Akzeptanz in der Bevölkerung, jemanden aufzubieten, der oder die auch nur in die Nähe dessen kommt, was für Frank Steinmeier gilt.
    Kaess: Lassen Sie mich da, Herr Stegner, noch einmal kurz nachfragen. Die "Bild"-Zeitung meldet heute, Merkel und Seehofer hätten Gabriel gebeten, auf eine Kandidatur von Steinmeier zu verzichten, bevor neue Namen diskutiert werden. Wird Herr Gabriel Abstand nehmen von Steinmeier?
    Dilemma von Frau Merkel ist ja nicht das unsere
    Stegner: Es mag ja sein, dass das die Union sich wünscht, aber das Dilemma von Frau Merkel ist ja nicht das unsere. Und im Übrigen haben wir Frank-Walter Steinmeier nicht öffentlich vorgeschlagen, sondern es geht darum, wer überhaupt dafür geeignet ist. Das ist bei Frank Steinmeier ganz offenkundig der Fall. Und wenn die Union damit ein Dilemma hat, dann ist das doch ihr Problem und nicht das der SPD.
    Kaess: Also kein Abrücken von Frank-Walter Steinmeier vonseiten der SPD? Dabei wird es bleiben?
    Stegner: Ja warum sollten wir das denn tun? Im Übrigen sage ich noch mal: Wir haben ihn nicht als Kandidaten vorgeschlagen, sondern wir haben gesagt, welche Kriterien erforderlich sind. Dass er diesen Kriterien genügt, ist ja nicht nur das Urteil der SPD, sondern das sagen ja viele Menschen. Und wenn Sie sich mal angucken, wie das im Augenblick mit der Zustimmung in der Bevölkerung aussieht, dann führt Frank Steinmeier mit weitem Abstand vor anderen, weil er eine erfolgreiche Friedens-, Außenpolitik, Entspannungspolitik betreibt. Das finden Menschen sehr wichtig und das ist ja eine besonders gute Qualifikation in diesen Zeiten, in denen ja doch viel Orientierungslosigkeit herrscht.
    Kaess: Aber genau deshalb wäre eventuell oder wahrscheinlich genau deshalb ein Konsenskandidat auch nicht das schlechteste gewesen. Und wenn die SPD oder Sigmar Gabriel Frank-Walter Steinmeier nicht schon vor zwei Wochen ins Spiel gebracht hätte, wenn wir das so nennen können, dann hätte sich die Union sicher leichter getan, zuzustimmen. Jetzt steht sie unter diesem öffentlichen Druck. Hätte man da erst nicht untereinander das klären können?
    Stegner: Ich finde nicht, dass wir dafür zuständig sind, das psychische Wohlergehen der Union hier zu regeln. Und was heißt ins Spiel gebracht? Schauen Sie sich doch mal um in Deutschland, welche Persönlichkeit es gibt. Und parteiübergreifend akzeptiert heißt ja nicht parteilos, sondern es sollte ja vielleicht gerade in diesen Zeiten jemand sein, der auch politisch erfahren ist. Da gibt es, glaube ich, nicht so viele, für die das gilt. Bei Frank Steinmeier ist das eindeutig. Warum soll man aus parteitaktischen Gründen oder aus Schacherei heraus sagen, ein solcher Mann kommt dafür nicht in Betracht, nur weil er die Union in Schwierigkeiten bringt, weil sie jemand Vergleichbaren nicht aufzubieten haben, wie es scheint. Im Übrigen gibt es da auch nicht nur die SPD und die Union in der Bundesversammlung, sondern auch andere Parteien. Man muss mit allen demokratischen Parteien reden. Und am Ende muss es eine Mehrheit in der Bundesversammlung geben. Das war immer so. Deswegen, finde ich, sind die Probleme der Union jedenfalls nicht die der SPD.
    Kaess: Aber, Herr Stegner, Sie nehmen damit gleichzeitig auch eine Kampfkandidatur hin, wenn es dann darauf ankommt.
    Stegner: Ich finde, das Wort Kampfkandidatur ist ja in der Demokratie etwas merkwürdig, denn in der Bundesversammlung wird am Ende gewählt, wer die meisten Stimmen hat. Nicht die schlechtesten Bundespräsidenten sind am Ende gewählt worden, obwohl es mehrere Kandidaten gab. Ich erinnere zum Beispiel an Gustav Heinemann. Und Herr Gauck zum Beispiel, der Präsident geworden ist, war beim ersten Mal auch nicht der Mehrheitskandidat. Frau Merkel hat keine besonders glückliche Hand gehabt in den letzten Jahren, was die eigenen Vorschläge angeht, aber noch mal: Das ist doch eher das Problem der Union und nicht das der SPD.
    Kaess: Schätzen Sie denn, dass Frank-Walter Steinmeier antreten würde, wenn die Union einen starken Gegenkandidaten noch präsentiert. Und er würde es sich dann damit antun, dass er eventuell im dritten Wahlgang erst gewählt wird. Das, glauben Sie, würde er tun?
    Frau Merkel ist jetzt dran
    Stegner: Das findet sich dann, wenn es soweit ist. Wir haben bisher noch keinen offiziellen Vorschlag gemacht und nun ist mal Frau Merkel am Zuge, die im Übrigen ja die Partei führt, die die meisten Stimmen in der Bundesversammlung hat. Das wird man dann sehen. Aber jedenfalls sage ich noch mal: Es ist ja nicht zwingend, dass in der Bundesversammlung ein Kandidat antritt, der von vornherein die Zustimmung von allen hat. Das wird sich finden. Die Wahl ist erst im Februar, die SPD hat jetzt hier keinen Grund, da zur Eile zu drängen. Frau Merkel ist jetzt dran. Mal gucken, was sie für einen Vorschlag macht.
    Kaess: Sie sagen die ganze Zeit, Frank-Walter Steinmeier war nicht der offizielle Vorschlag. Aber glauben Sie tatsächlich, dass Sigmar Gabriel so naiv ist, dass er sich über die Wirkung der Nennung dieses Namens nicht bewusst gewesen wäre?
    Stegner: Davon habe ich überhaupt nicht gesprochen, dass er naiv ist, sondern das, was doch offenkundig ist und ja nicht nur Sozialdemokraten sagen, sondern auch andere, dass Frank Steinmeier eine Persönlichkeit ist, die die Anforderungen in hohem Maße erfüllt. Und dass er große Zustimmung in der Bevölkerung hat. Das kann man doch jetzt nicht taktisch gegen die SPD wenden. Das ist allenfalls ein Problem für diejenigen, die glauben, sie müssen parteitaktisch unbedingt einen Kandidaten von der Union durchsetzen oder von einer anderen Partei. Das ist nicht unser Punkt. Und dass das in der Diskussion ist, finde ich in Ordnung. Im Übrigen habe ich gestern gelesen, angeblich hätte Sigmar Gabriel drei, vier, fünf andere Vorschläge gemacht, was gar nicht stimmt, die in die Öffentlichkeit lanciert worden sind. Also, finde ich, soll die Union sich mal jetzt entscheiden, was sie möchte. Ich kann nur feststellen, dass mit Frank Steinmeier jemand da ist, von dem ganz viele Deutsche der Meinung sind, dass er in diesen schwierigen Zeiten das geeignete Staatsoberhaupt wäre. Und diese Meinung teile ich.
    Kaess: Da gibt es natürlich andere Meinungen dazu. Wir haben das gerade gehört in dem Beitrag. Zum Beispiel von CDU-Vize Armin Laschet, der zwar auch sagt, das ist ein großer Außenminister, aber der künftige Bundespräsident müsse auch im Inneren des Landes über den Zusammenhalt der Gesellschaft sprechen können, über Jung und Alt und über die Brüche, die wir im Moment erleben. Wieso sollte Frank-Walter Steinmeier das besonders gut können?
    Stegner: Ich weiß nicht, was Sie zu der Annahme veranlasst, dass das anders sei. Im Übrigen: Jemand, der sich für Frieden und Entspannungspolitik einsetzt, der ist, glaube ich, in ganz besonderer Weise geeignet, auch im innenpolitischen Bereich eine Orientierung geben zu können. Und auch, wenn man hier in Landtagswahlen unterwegs ist, in Landtagswahlkämpfen, stellt man fest, dass die Menschen sich ganz große Sorgen darüber machen, dass die Polarisierung zunimmt, dass die Gefahren für den Frieden zunehmen, auch für den inneren Frieden übrigens in Deutschland. Und ich finde, die ganze Biografie und die Persönlichkeit von Frank Steinmeier sprechen dafür, dass er in hervorragender Weise das ausfüllen könnte. Ich wüsste kein Argument dagegen. Und auch bei Herrn Laschet haben Sie ja gestern gemerkt, dass er sich schon große Mühe geben musste, um da Gegenargumente zu finden. Insofern, ich sage noch mal: Das sind die Schwierigkeiten innerhalb der Union. Die verstehe ich ja als Parteipolitiker. Aber weder sind die Maßstab, finde ich, für die Suche nach einem Staatsoberhaupt, noch sind die das Problem, was jetzt die SPD am stärksten bekümmern sollte.
    Kaess: Die Meinung von Ralf Stegner, stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD. Danke für das Interview.
    Stegner: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.